Tragische Stimmung

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Tragische Stimmung (Marianne von Werefkin)
Tragische Stimmung
Marianne von Werefkin, 1909
Tempera auf Karton
46,8 × 58,2 cm
Fondazione Marianne Werefkin, Ascona
Vorlage:Infobox Gemälde/Wartung/Museum

Tragische Stimmung ist der Titel eines Gemäldes, das die russische Künstlerin Marianne von Werefkin im Jahre 1909 im bayerischen Alpenvorland malte. Das Werk gehört zum Bestand der Fondazione Marianne Werefkin in Ascona. Das Gemälde wurde von dem Lenzburger Arzt Hans Müller (1897–1989) bei der Galerie Thannhauser erworben. Er bestimmte das Bild als Schenkung für die Fondazione Marianne Werefkin. Es trägt dort die Inventar-Nummer FMW-0-0-21.

Technik und Maße[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es handelt sich um eine Temperamalerei auf Karton, 46,8 × 58,2 cm.

Ikonographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Von Werefkin und Jawlensky erfährt man über die Murnauer Zeit[1] durch schriftliche Zeugnisse so gut wie nichts. Doch manche ihrer Bilder haben einen erkennbar autobiographischen Charakter. Was das Verhältnis zwischen Werefkin und Jawlensky angeht, so spricht das Gemälde „Tragische Stimmung“ bei genauerer Kenntnis der Lebensgeschichte der beiden Künstler und bei sorgfältigem Hinsehen eine sehr deutliche Sprache.

Im Vordergrund, diesseits des Weges, steht mit verschränkten nackten Armen eine in sich verschlossene gesichtslose Frau, eine Magd. In Wirklichkeit handelt es sich um ein ironisches Selbstbildnis der Werefkin. Dies verdeutlicht ihr Lamento: „Ich bin zur Hure geworden und zur Küchenmagd, zur Krankenpflegerin und zur Gouvernante, nur um der großen Kunst zu dienen, einem Talent [Jawlensky], das ich für würdig hielt, das neue Werk zu verwirklichen [...] Und neben mir sagt die unbeirrbare, boshafte und widersprechende Stimme der Vernunft, dass das ein Wahnsinn ist.“[2] Im Hintergrund jenseits des Weges steht vor einem morbiden Gebäude ein Mann im Frack, einem Outfit, mit dem Werefkin Jawlensky verschiedentlich ausstattete.[3]

Ein fein gekleideter Herr und eine Magd in Arbeitskleidung bilden an und für sich schon als Ikonographie einen bildlichen Missklang. Dieser geht konform mit Werefkins Farbentscheidung für die beiden Farben Rot und Blau, die eine fast unerträgliche Dissonanz im Einklang mit dem Bildinhalt erzeugen. Schwarze Wolken über einem violetten Himmel tun ein Übriges, um den Bildtitel zu rechtfertigen. Es handelt sich um eine „dissonante“ Malerei in „schmutziger“ Farbgebung, deren besonderen Wert Kandinsky erst 1911 erkennen sollte: „Rot [...] ist wie eine gleichmäßig glühende Leidenschaft [...] die sich aber durch Blau löschen läßt, wie glühendes Eisen durch Wasser“, schrieb er.[4]

Lasker-Schüler in ihrem geliebten orientalischen Kostüm als „Prinz Yussuf“ (1912)

Die Konfliktsituation, die das Bild „Tragische Stimmung“ illustriert, steigerte sich zum Ende des Jahres 1909. Werefkin zog daraus die Konsequenz und reiste alleine nach Litauen zu ihrem Bruder Peter, der in Kownow Gouverneur war. Dort blieb sie bis Ostern 1910. Mit dem Gemälde „In die Nacht hinein“, das Werefkin dort malte, schildert sie ihre bejammernswerte Situation mit Jawlensky – wenn auch verschlüsselt – ein weiteres Mal. Das Problem der Beziehung zwischen Werefkin und Jawlensky erkennend, beschrieb Else Lasker-Schüler mit dichterischen Worten: „Mariannens Seele und ihr unbändig Herz spielen gern zusammen Freud und Leid.“[5]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Clemens Weiler: Marianne von Werefkin. Marianne Werefkin 1860-1938. Städtisches Museum Wiesbaden 1958, o. S.
  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin und ihr Einfluß auf den Blauen Reiter. In: Ausst. Kat.: Marianne Werefkin, Gemälde und Skizzen. Museum Wiesbaden 1980, Kat. Nr. 35, S. 82 mit s/w-Abb.
  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin. München 2001, ISBN 3-7774-9040-7, Farb. Abb. Nr. 170, S. 147, ISBN 3-7774-9040-7
  • Bernd Fäthke: Marianne Werefkin: Clemens Weiler’s Legacy. In: Marianne Werefkin and the Women Artists in her Circle. (Tanja Malycheva und Isabel Wünsche Hrsg.), Leiden/Boston 2016 (englisch), S. 8–19, ISBN 978-9-0043-2897-6, S. 8–19, hier S. 14–19; JSTOR:10.1163/j.ctt1w8h0q1.7

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Bernd Fäthke: Werefkin und Jawlensky mit Sohn Andreas in der „Murnauer Zeit“ In Ausst. Kat.: 1908-2008, Vor 100 Jahren, Kandinsky, Münter, Jawlensky, Werefkin in Murnau. Schloßmuseum Murnau 2008, S. 37 ff.
  2. Bernd Fäthke: Marianne Werefkin. München 2001, S. 138, ISBN 3-7774-9040-7.
  3. Bernd Fäthke: Marianne von Werefkin, Von Farben, Formen und Linien. In Ausst. Kat.: Marianne von Werefkin in Murnau, Kunst und Theorie, Vorbilder und Künstlerfreunde. Murnau 2002, S. 28, Kat. Nr. 55, Farb-Abb. S. 9.
  4. Wassily Kandinsky: Über das Geistige in der Kunst, insbesondere in der Malerei. München 1912, (2. Auflage), S. (Die Erstauflage erschien Ende 1911 bei Piper in München mit Impressum 1912), S. 83 f.
  5. Else Lasker-Schüler. Marianne von Werefkin, Sämtliche Gedichte. München 1966, S. 224.