Unternehmen Barbarossa (Buch)

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Unternehmen Barbarossa ist ein 1963 von Paul Karl Schmidt unter dem Pseudonym Paul Carell verfasstes Sachbuch zum Krieg gegen die Sowjetunion bis zur Niederlage von Stalingrad, das ein Bestseller wurde. Zusammen mit einem weiteren Band (Verbrannte Erde) prägte es für zwei Jahrzehnte als eine Art Haus- und Volksbuch das westdeutsche Geschichtsbild vom Krieg gegen die Sowjetunion.[1]

Entstehung und Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Paul Karl Schmidt war SS-Obersturmbannführer und von 1940 bis 1945 Pressechef des Auswärtigen Amtes. Anhand zahlreicher geschickt zusammenmontierter Dokumente und Interviews wurde von ihm ein Loblied auf den deutschen Soldaten entworfen und die These vom Präventivkrieg gegen den Bolschewismus vertreten. Zuerst als Illustriertenserie in Kristall, mit fast einer halben Million Exemplaren damals eine der auflagenstärksten Zeitschriften, und dann 1963 als Bucherscheinung. Bei der Buchvorbereitung hatten ehemalige Militärs, an erster Stelle der ehemalige Generalfeldmarschall Erich von Manstein,[2] und SS-Führer eng mit Schmidt zusammengearbeitet. Das Buch leistete einen wichtigen Beitrag, in der Öffentlichkeit das Bild der sauberen Wehrmacht und Waffen-SS zu verankern.[3]

Kriegsverbrechen und die eigentlichen Ziele des Feldzuges wurden ausgeblendet, während das deutsche Ostheer als bewunderungswürdiges militärisches Instrument beschrieben wurde, das die Rote Armee fast besiegt hätte, da es während der Schlacht um Moskau 1941 nur noch acht Kilometer vor der Stadt stand. Soldat und Offizier hätten an Gehorsam, Tapferkeit, Entbehrung und Aufopferung alles bisher Bekannte übertroffen.[4] Über die Präventivkriegsthese hinausgehend überhöhte Carell den Überfall auf die Sowjetunion zur europäischen Schicksalsfrage, zum „Abwehrkampf gegen die bolschewistische Bedrohung“, bei der sich Deutschland an die Spitze der ihre Freiheit verteidigenden europäischen Völker gesetzt habe.[5] Zwar habe Hitler auch Fehler gemacht, letztlich ausschlaggebend für die Niederlage seien aber Verrat und Spionage einer kleinen Minderheit in den eigenen Reihen gewesen, die sich gegen die politische und militärische Führung des eigenen Volkes und dessen Interessen gewendet hätten. Zudem bestritt Carell, die politische und militärische Führung habe eine „unsittliche Kriegspolitik“ betrieben.[6]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Buch wurde zum Erscheinungszeitpunkt nicht nur von der Springer-Presse, sondern in zahlreichen weiteren Zeitungen von der Zeit bis zur New York Times positiv besprochen. Die wissenschaftliche Zeitschrift Das Historisch-Politische Buch lobte den Autor für sorgfältige Forschung und saubere Geschichtsschreibung verbunden mit lebendiger, anschaulicher Darstellungskraft. Im Spiegel durfte Walter Warlimont (ehemals stellvertretender Chef des Wehrmachtsführungsstabes und 1954 vorzeitig aus der ursprünglich lebenslangen Haft entlassener Kriegsverbrecher) als vermeintlich unbestechlicher Zeuge in seiner Buchbesprechung die Darstellung eines tapferen, opferbereiten und über weite Strecken überlegenen deutschen Soldatentums würdigen.[7] Kritische Stimmen blieben damals die Ausnahme. Es hatte in Deutschland eine Auflage von mehr als 200.000 Exemplaren (ähnlich der Fortsetzungsband Verbrannte Erde) und wurde bereits in den 1970er Jahren in ein Dutzend Sprachen übersetzt. Zusammen mit seinen anderen Büchern verkaufte Carell alleine in Deutschland mehr als eine Million Weltkriegsbücher.[8]

Nach Einschätzung des Historikers Johannes Hürter wirft die damalige positive Rezeption der populären Geschichtsklitterungen ein bezeichnendes Licht darauf, dass die westdeutsche Geschichtswissenschaft das Forschungsfeld „Krieg gegen die Sowjetunion“ zu lange der Selbstdarstellung des ehemaligen Generalstabs überlassen hatte.[9]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Johannes Hürter: „Moskau 1941“ als westdeutscher Erinnerungsort. In: Erinnerung an Diktatur und Krieg: Brennpunkte des kulturellen Gedächtnisses zwischen Russland und Deutschland seit 1945. Hrsg.: Andreas Wirsching, Jürgen Zarusky, Viktor Ischtschenko, Alexander Tschubarjan, De Gruyter 2015, ISBN 978-3-11-040503-3, S. 51–62, hier S. 58.
  2. Oliver von Wrochem: Erich von Manstein. Vernichtungskrieg und Vernichtungspolitik, Schöningh, Paderborn 2006. S. 307.
  3. Jens Westemeier: „Soldaten wie andere auch“. Der Einfluss von SS-Veteranen auf die öffentliche Wahrnehmung der Waffen-SS. In: Die SS nach 1945: Entschuldungsnarrative, populäre Mythen, europäische Erinnerungsdiskurse. Hrsg.: Jan Erik Schulte, Michael Wildt, Vandenhoeck & Ruprecht 2018, ISBN 978-3-8470-0820-0, S. 271 f.
  4. Johannes Hürter: „Moskau 1941“ als westdeutscher Erinnerungsort. In: Erinnerung an Diktatur und Krieg: Brennpunkte des kulturellen Gedächtnisses zwischen Russland und Deutschland seit 1945, S. 51–62, hier S. 58 f.
  5. Christian Plöger: Von Ribbentrop zu Springer. Zu Leben und Wirken von Paul Karl Schmidt alias Paul Carell. Tectum, Marburg 2009, ISBN 978-3-8288-2136-1 (zugleich Diss. phil. Universität Münster 2009), S. 341.
  6. Jens Westemeier: Wehrmachtsbilder von 1945 bis heute. In: Jens Westemeier (Hrsg.): «So war der deutsche Landser ...» - Das populäre Bild der Wehrmacht. Schöningh, Paderborn 2019, ISBN 978-3-506-78770-5, S. 10.
  7. Jens Westemeier: Wehrmachtsbilder von 1945 bis heute, S. 10.
  8. Christian Plöger: Von Ribbentrop zu Springer. Zu Leben und Wirken von Paul Karl Schmidt alias Paul Carell, S. 340–366, insbesondere 340–344 u. S. 365f.
  9. Johannes Hürter: „Moskau 1941“ als westdeutscher Erinnerungsort. S. 59 f.