Usbekische Literatur

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Die usbekische Literatur – so bezeichnet wird sie erst seit sowjetischer Zeit – umfasst die Literatur in moderner usbekischer Sprache und ihre Vorgängerliteratur in tschagataischer Sprache auf dem Gebiet des früheren West-Turkestans um die alten Metropolen Buchara, Samarkand, Kokand und Chiwa an der Seidenstraße.

Tschagataische Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In West-Turkestan trafen die einwandernden Turkstämme auf Araber und Iraner und wurden im 10. Jahrhundert islamisiert. Aus dem ost-turkestanischen Reich der Karachaniden in Kashgar stammen die die ersten sprachlichen Zeugnisse in mitteltürkischer Sprache aus dem 11. Jahrhundert. Aus diesem sog. Choresmien-Türkisch entwickelte sich bis zum 14. Jahrhundert im Reich des mongolischen Tschagataiden das Tschagataische (auch West-Uigurisch oder Alt-Usbekisch genannt) etwa gleichzeitig mit der Ausdifferenzierung und Verschriftlichung der anderen zentralasiatischen Turksprachen.[1] Dabei nahm das Tschagataische zahlreiche arabische und neupersische Begriffe in seinen Wortschatz auf. Afghanen, Tadschiken und Kirgisen trugen ebenfalls zur tschagataischen Literatur bei. Sie ist für die meisten usbekischen Leser heute noch verständlich.[2]

Unter den mongolischen Timuriden vermischten sich turksprachige Nomadenstämme mit den Iranern, die in den fruchtbaren Flussoasen siedelten, während andere Stämme lange ihre Nomadenkultur bewahrten, darunter die Usbeken. Der Name Uzbek – abgeleitet vom Namen des Herrschers der Goldenen Horde Usbek Khan – taucht zunächst als Bezeichnung für die Herrscherdynastie im 14. Jahrhundert und erst später für das Volk auf.

Unter den Tmuriden kam es zu einer ersten Blüte zunächst der religiösen, dann zunehmend auch der weltlichen tschagataischen Literatur, die sich an persischen Vorbildern und Formen orientierte.[3] Ab dem 14. Jahrhundert wurden die Städte Samarkand, Buchara sowie die Städte des Ferghanatals und Khorezm zu den wichtigsten literarischen Zentren Zentralasiens. Das klassische Tschagataisch wurde zwischen der Mitte des 15. Jahrhunderts und ca. 1600 im gesamten Reich der Timuriden mit der damaligen Residenz Herat im heutigen Afghanistan und dessen Nachfolgekhanaten verwendet. Es war vom Dialekt von Herat beeinflusst und diente späteren Generationen bis 1920 als Vorbild und Literatursprache.

Sufi-Tanz auf einer Miniatur um 1490. Die zentrale Gestalt im Hintergrund wurde als Dschāmi identifiziert, die Gestalt links daneben mit Stock als Mir ʿAli Schir Nawāʾi.

Als erster dichtete der in Herat geborene Mystiker Lutfi (ca. 1367–ca. 1463/66) Ghaselen in tschagataischer Sprache. Als eigentlicher Begründer der tschagataischen Literatur und einer der größten Dichter in einer Turksprache überhaupt gilt jedoch der Mystiker und Staatsmann Mir ʿAli Schir Nawāʾi (Alisher Navoi, 1441–1501) aus Herat. Er war Schüler und Freund des persischen Dichters und Sufi-Mystikers Dschāmi (der selbst nicht die türkische Sprache verwendete) und begann zunächst in persischer Sprache zu schreiben. Später konvertierte er die typische persische Rhythmik ins Tschagataische und trug dadurch zur Verbreitung und Standardisierung der Sprache bei. Die Verse waren meist sieben- oder achtsilbig, wobei sich meist die grammatischen Endungen reimten. Die typischen Vierzeiler (tuyug), die auf die türkische Tradition zurückgingen, folgten dem Schema aaab oder aaba.[4]

Nawāʾi, der selbst zur Legendengestalt wurde (Sijo Botir),[5] verfasste auch Prosawerke über Dichtkunst, Linguistik, Ethik und Geschichte. Er vertrat die These, dass das Tschagataische mit seinem hohen Anteil an persischem und arabischem Sprachgut reicher und ausdrucksfähiger sei als das Persische.[6] Navois Manuskripte werden in vielen Manuskriptsammlungen bedeutender Museen wie der Eremitage, dem Louvre und dem British Museum aufbewahrt und wurden in viele Sprachen der Welt übersetzt. Sein Werk wirkte sogar auf die persische Literatur zurück. Das blieb jedoch eine Einzelfall, weil spätere tschagataische Dichtungen selten die Qualität der persischen Vorbilder erreichten.

Boborahim Mashrab

Zu Beginn des 16. Jahrhunderts unterwarfen die Usbeken die Timuriden in West-Turkestan. Damit beschleunigte sich der Prozess der Turkisierung. Mit dem Ende der Herrschaft der Timuriden ging der Einfluss der tschagataischen Sprache und der persischen Dichtung vor allem in Buchara zurück. Doch auch die Khane der Usbeken wie Mohammed Scheibani benutzten Tschagataisch weiterhin als Schriftsprache, und der von Scheibani verdrängte Timuride Zahir ad-Din Muhammad Babur (1483–1530), der Gründer des Mogulreichs, verfasste seine chronologische geordnete Autobiographie, die Baburnama, die auch Beschreibungen Indiens enthält, in tschagataischer Sprache.[7]

Aus der ansonsten epigonalen Literatur des 17. Jahrhunderts ist der aus dem Norden des Ferganatals stammende Boborahim Mashrab (1653–1711) zu erwähnen, ein Sufi, der die religiöse Dogmen kritisierte und als Feind des Klerus lange im Exil lebte. Seine Ghaselen und Vierzeiler wurden in ganz Turkestan mündlich überliefert. Als Häretiker wurde er zum Tode verurteilt und hingerichtet.[8] Seinen Namen trug während der sowjetischen Zeit eine satirische Zeitung, die gegen die religiöse Vorurteile und den islamische Traditionalismus kämpfte.

Volksepik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zur Heldenepik der usbekischen Nomaden gehören das Epos Rawschan und die Märchen Bektemir Botir, Kiron Botir und Said Botir, in denen oft Pferde eine große Rolle spielen, die teils mit wunderbaren Eigenschaften ausgestattet sind. Die Märchen der Oasenbewohner sind sprachlich oft ausgefeilter und gefühlvoller als die der Nomaden, die Gestalten erscheinen individueller. In diesen Märchen wird der persische Einfluss deutlich, sie handeln oft von grausamen Herrschern oder zeigen die Strenge der islamische Moral, wenn z. B. ein Mann versehentlich das Gesicht einer verschleierten Frau zu sehen bekommt.[9] Alle sind voller stereotyper Wendungen. Es gibt übrigens kaum Märchen, in denen das Böse den Sieg davonträgt. Auch ungerechte Herrscher werden durch die Helden zur Gerechtigkeit bekehrt, und Ungeheuer, die ganze Völker verschlingen, geben diese wieder frei, wenn sie von den Helden besiegt werden. Die Seidenstraße verknüpfte Turkestan bis zum 14. Jahrhundert mit zahlreichen Kulturkreisen. Über diese Route wie auch über die Wanderungen der Nomadenstämme diffundierten volkstümliche Legenden und Heldenepen aus anderen Regionen, die auch in Usbekistan beliebt waren. Dazu gehört das im gesamten turksprachigen Raum und bis weit nach Sibirien in vielen Versionen verbreitete Versepos von Alpomish[10] und seiner Braut Balchin, das vor dem 9. Jahrhundert im Altaigebirge entstanden war und seine endgültige Form im 14. bis 17. Jahrhundert erhielt. Seine usbekische Version von Fazil Yuldashogli (Fozil Yoʻldosh oʻgʻli, 1872–1955) ist mit 14.000 Versen die längste Variante. Fozil, der berühmteste Vertreter der Sängerschule von Bulungʻur bei Samarkand, war Analphabet und Leninpreisträger, er hatte 40 Dastane (Erzählungen, Epen) in seinem Repertoire.[11]

In Turkestan verbreitet waren auch das persische Versepos über den Prinzen Siyawasch, der Mythos vom Krieg zwischen Alp Er Tunga und dem iranischen Helden Rüstem und von der jungen schönen mit Zauberkärften begabten Pari (Mythologie) und den bösen Diws mit schrecklichem Aussehen verbreitet. Hinzu kamen Märchen und humoristischen Anekdoten aus dem arabischen Raum wie die über Nasreddin Afandi, der die Reichen und Mächtigen überlistet. Viele Werke der Folklore wurden von Klassikern der usbekischen Literatur gesammelt und bearbeitet, so die türkische Erzählung von Tahir und Zuhra, die iranische Dreiecksgeschichte von Fahrhad, Chosrau und Shirin oder die aus der arabischen Welt stammende Geschichte des Liebespaars Leyli und Mezhnun, die Eric Clapton in seinem Song Layla aufgriff.

Die Trennung zwischen mündlicher Volksdichtung und schriftlicher Dichtung ist nicht immer leicht möglich. Viele Sänger waren des Lesens und Schreibens kundig. Zu den ersten Forschern, die die Märchen aus Turkestan dokumentierten, gehörte Gustav Jungbauer.[12] Bereits in der Sowjetzeit erschienen 40 Bände mit Volkserzählungen und -liedern.[13] Die russischen Übersetzungen versuchen die künstlerische Qualität der Texte nachzubilden, entfernen sich dabei aber oft vom Text.

Literatur in den Khanaten Kokand und Chiwa[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Während nach 1600 das politische Erbe der Tschagataier in Buchara und Samarkand verfiel, erstarkte seit dem frühen 18. Jahrhundert das Khanat Kokand. Dort erlebte die tschagataische Literatur im ersten Drittel des 19. Jahrhunderts unter Muhammad Umar Khan, der selbst Dichter war, eine späte Blüte. Umar Khan versammelte Dichter an seinem Hof, darunter den Satiriker Muhammad Sharif Gulkhani (1770er Jahre–1827). Umars Frau Nadira (1792–nach 1842) verfasste Hemistichien in persischer und usbekischer Sprache. Die Lyrikerin Uvaisi (ca. 1780–1845) leistete ebenfalls einen Beitrag zur usbekischen Frauenliteratur. Als Vorläufer eines sozialkritischen Realismus kann Muhammad Aminxoʻja Mirzaxoʻja oʻgʻli Muqimiy (1850–1903) gelten.

In der Folge stieg der Einfluss der aserbaidschanischen Literatur und darüber vermittelt der osmanischen Literatur auf die turkestanischen Khanate. Zögerlich wurde auch die Tür zum Westen geöffnet, wobei der konservative Klerus Widerstand leistete. Um 1850 setzten die russischen Kolonisierungsbestrebungen ein, bis Kokand 1876 von Russland annektiert wurde.[14]

In Chiwa kam es ebenfalls zu einer Spätblüte der tschagataischen Literatur. Hier orientierte sich Agakhi (1809–1874). Muhammad Reza Agachi, ein Bewunderer Mir ʿAli Schir Nawāʾis, orientierte sich am Werk der klassischen tschagataischen Dichter. Mit ihm endete diese Tradition. Das Khanat Chiwa wurde 1873 russisches Protektorat.

Dschadidismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter dem Einfluss der Revolution von 1905 setzte eine Erneuerungsbewegung usbekischer Intellektueller ein. Dichter, Journalisten, Regisseure und Schauspieler setzten sich für kulturelle und politische Reformen der feudalen und klerikalen Strukturen Zentralasiens in der Gemeinschaft aller Turkvölker ein. Diese Reformbewegung knüpft an den Dschadidismus an, der von den tatarischen Regionen Russlands ausging. Zu den radikaleren Neuerern gehörten Zokirjon Furqat (1858–1909), der sich am Westen und an Russland orientierte, sowie Siddiqiy Ajziy (1864–1927), der wie die meisten Dschadidisten auch in persischer Sprache dichtete. Hamza Hakimzoda Niyoziy (1889–1929), Dichter, Prosaautor und Komponist, verfasste moderne Dramen in usbekischer Sprache. Weitere Vertreter des Dschadidismus waren Abdulhamid Sulaymon oʻgʻli Yunusov (Pseudonym: Choʻlpon – „Morgenstern“), der als Autor der ersten 1914 veröffentlichten usbekischen Kurzgeschichte gilt, Mahmudxoʻja Behbudiy, der 1911 das Stück Pdadkush (Der Vatermörder) in Taschkent auf die Bühne brachte und 1919 von Anhängern des Emirs von Buchara ermordet wurde, und der gesellschaftskritische Dichter, Satiriker, Lehrer und Sufi Muhammadsharif Soʻfizoda (1869–1937), dessen Spuren sich während des Großen Terrors unter Stalin verlieren. Die Dschadidisten, zu denen auch Munavvar Qori Abdurashidxon oʻgʻli und Abdulla Avloniy (1874–1934) zählten, waren vor allem pädagogisch und publizistisch tätig. In ihren Schriften strebten sie einen Kompromiss zwischen den traditionellen sozialethischen Ideen des Islam und den überfälligen technischen und sozialen Reformen an.

Abdurauf Fitrat auf einer 1996 zu seinem 110. Geburtstag herausgegebenen Briefmarke

Nach der Oktoberrevolution kam es zum Richtungsstreit zwischen den Intellektuellen ganz Turkestans. Nationalistische Akteure sahen in einer autonomen Republik Turkestan Möglichkeiten für größere nationale Autonomie und tiefgreifende Änderungen nach westlichem Vorbild, andere folgten den Ideen der pantürkischen Bewegung, die eine einheitliche turksprachige zentralasiatische Republik anstrebten. Diese wurde jedoch von den Sowjets 1924 aufgelöst zugunsten mehrerer Teilrepubliken.

Eine Gruppe des linken Flügels wollte trotz ihrer Sympathien für die Revolution an der sprachlichen und kulturellen eigenständigen Tradition des Dschadidismus festhalten.[15] Dazu gehörte Choʻlpon ebenso wie Abdurrauf Fitrat, der sich nach Aufenthalten in der Türkei um 1909 dem Dschadidismus zuwandte. In seinen Prosawerken, die er zunächst noch auf Persisch verfasste, kritisiert er die feudalen Verhältnisse des Emirats Buchara. Er schrieb zahlreiche Theaterstücke, die vorzugsweise das Leben der großen Khane der Timuriden und Schaibaniden behandelten, sowie wissenschaftliche Monographien. Nach dem Sturz des Emirats übernahm Fitrat verschiedene Ministerposten in der Regierung der kurzlebigen Volksrepublik Buchara. Nach deren Auflösung wurde Fitrat nach kurzem Exil in Moskau Hochschullehrer in der 1925 gegründeten Usbekischen Sowjetrepublik. Auch der zweisprachige Tadschike Sadriddin Aini (1878–1954), der zum linken Flügel des Dschadidismus gehörte und an der Revolution gegen den Emir von Buchara teilnahm, gilt als Mitbegründer der usbekischen Sowjetliteratur.

Die Sowjetzeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis 1920 dominierte im heutigen Usbekistan eine türkisch-persisch-arabische Mischsprache mit vielen lokalen Dialekten als Umgangssprache. Sie enthielt neben den arabischen und persischen Lehnswörtern auch Beimischungen des Tatarischen. Einig waren sich die Neuerer in der Zurückweisung der persisch-arabischen Schrift, die die Phonetik der Turksprachen nur unzureichend abbildete und 1923 durch die lateinische abgelöst wurde. Seit den 1920er Jahren wurde ein von Arabismen gereinigtes Usbekisch als Schulsprache eingeführt. Damit starb auch das Tschagataische als Literatursprache. Gleichzeitig wurde jedoch die nationale Identität durch die Erschließung des volkstümlichen Kulturguts gestärkt.

Die anfängliche Förderung der jungen usbekischen Literatur wurde bald durch die Kontrollbedürfnisse der Partei und die Zensur gehemmt. Der 1934 gegründete usbekische Schriftstellerverband wurde schnell gleichgeschaltet. Im Zuge der Sowjetisierung wurde 1937/38 die kyrillische Schrift mit Sonderzeichen eingeführt, was der usbekischen Phonetik allerdings durchaus angemessen war. –eratur.[16]

Qodiriy auf einer usbekischen Briefmarke aus dem Jahr 2004

Abdulla Qodiriy (1894–1938) war zu Beginn seiner schriftstellerischen Tätigkeit vom Dschadidismus beeinflusst und ging als erster usbekischer Romancier in die Literaturgeschichte ein. Ab 1923 war er Redakteur der Satirezeitschrift Mushtum. Sein Roman Oʻtkan Kunlar, eine traurige Liebesgeschichte in einer feudalen Gesellschaft vor dem Hintergrund der russischen Kolonialherrschaft, erschien zunächst als Fortsetzungsroman in Zeitschriften und wurde anschließend in Buchform populär. Damit wurde er zum Vorbild für die historische Romanliteratur.[17] Das Buch erschien 2020 auch in deutscher Sprache unter dem Titel Die Liebenden von Taschkent.[18]

Zu den wichtigsten usbekischen Theaterautoren der Sowjetzeit gehört Komil Yashin (1909–1997), der vor allem politische Stücke, Musicals und Libretti für Opern schrieb. Muso Toshmuhammad oʻgʻli (1905–1968) mit dem Künstlernamen Aibek (Oybek) und Askad Mukhtar (1920–1997)[19] waren Lyriker, Romanautoren und Übersetzer. Abdulla Qahhor (1907–1968) veröffentlichte 1936 in der Zeitschrift Mushtum eine Satire über den Kampf der Bauern gegen die übergriffige zaristische Bürokratie, die sich über die muslimischen Gesetze hinwegsetzte, was auch als Warnung vor der Missachtung lokaler Strukturen durch die sowjetische Bürokratie gelesen werden konnte.[20] Der wie viele andere Autoren aus ärmlichen Verhältnissen stammende Gʻafur Gʻulom (1903–1966), dessen Vater schon begeistert Gedichte las, wurde als Lyriker, Erzähler, Übersetzer und später als Verfasser von Propagandagedichten im Zweiten Weltkrieg bekannt. Zu Lebzeiten und postum in der Sowjetunion hochdekoriert, wird er auch noch im heutigen Usbekistan geehrt.

Fitrat galt zunächst als fortschrittlicher Wegbereiter des sozialistischen Realismus, wurde jedoch 1937 als „Nationalist“ Opfer der Stalinschen Verfolgung. Auch andere Vertreter des Dschadadismus wurden als bürgerliche Nationalisten oder Trotzkisten verfolgt und fielen 1937/38 Säuberungen und Denunziationen zum Oper, so So’fizoda, Quodiriy und Abdulhamid Sulaymon oʻgʻli Yunusov, der 1893 schon einmal unter dem Zaren zum Tode verurteilt worden war. Ihre Werke wurden verboten. In den 1950er und 1960er Jahren wurden die Autoren weitgehend rehabilitiert, ihre Bücher jedoch nicht immer unzensiert gedruckt.

Der international bekannte Regisseur, Drehbuchautor und Erzähler Uchkun Nazarov (1934–2016) setzte sich kritisch mit den gesellschaftlichen Realitäten und Moralvorstellungen auseinander, wobei er Frauenschicksale in den Mittelpunkt stellte. Unter anderem thematisierte er die Perspektivlosigkeit usbekischer Arbeitsmigrantinnen in Russland.

In den 1980er Jahren setzte eine neue Zensurwelle ein, die u. a. die Werke des erfolgreichen Lyrikers und Erzählers Yodgor Obid (* 1940) aus Taschkent betrafen, der 1997 auch das unabhängige Usbekistan verlassen musste.

Nach der Unabhängigkeit 1991[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Unabhängigkeit wurde eine gewisse Kontinuität im Literaturbetrieb Usbekistans gewahrt. Insbesondere die Präferenz für den sozialistischen Realismus und historische Stoffe blieb erhalten. Folkloristische und klassische Traditionen wurden zwecks Identitätsbildung des jungen Staates gut gepflegt.

Abdulla Oripov (2018)

Der an klassischen Vorbildern geschulte Dichter Abdulla Oripov (1941–2016) und der Dichter, Dramatiker, Übersetzer und Politiker Erkin Vohidov (1936–2016) erhielten die Auszeichnung Held Usbekistans.

Doch litt unter dem diktatorischen Regime und nach der Niederschlagung von Bürgerrechtsbewegungen die Produktivität unabhängiger Künstler. Einige Autoren wurden inhaftiert, die Zensur wurde verschärft. Nazarov konnte nur noch einen zur Sowjetzeit begonnenen Roman beenden und danach nichts mehr publizieren. Er beklagte den „Tod der usbekischen Literatur“.[21] Emin Usmon (1945–2011) starb im Gefängnis. Yodgor Obid prägte für die aktuelle Situation den Begriff „Baschismus“ (aus Bolschewismus und Faschismus).

Xosiyat Rustamova (* 1971) ist als Lyrikerin, Prosaautorin und Übersetzerin auch im Nachbarland Aserbaidschan literarisch aktiv. Sie verfasst auch Drehbücher. Oybek Ostanov (* 1982) studierte in Deutschland, übersetzte usbekische Werke ins Deutsche und trat auf Lesereisen in Deutschland auf.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Karl Heinrich Menges: Die turksprachlichen Literaturen außerhalb der Türkei. Überarbeitet und ergänzt von Sigrid Kleinmichel. In: Kindlers Neues Literatur-Lexikon, hrsg. von Walter Jens, Bd. 20, München 1996, S. 602 ff.
  • Karl Reichl: Das usbekische Heldenepos Alpomish. Einführung, Text, Übersetzung, Harrassowitz, Wiesbaden 2001.
  • Usbekische Märchen, hrsg. u. übers. von Karl Reichl. Brockmeyer, Bochum 1978.
  • Der halbe Kicherling: Usbekische Märchen, hrsg. u. übers. von Jakob Taube. Reclam, Leipzig 1990.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Chagatay language and literature in Encyclopaedia Iranica
  2. https://www.britannica.com/art/Uzbek-literature
  3. Menges, Kleinmichel 1996, S. 602–604.
  4. Chaghatay language and literature in Encyclopaedia Iranica
  5. Taubes, Nachwort zu Usbekische Märchen, 1990, S. 213.
  6. Menges, Kleinmichel 1996, S. 604 f.
  7. Menges, Kleinmichel 1996, S. 605.
  8. Menges, Kleinmichel 1996, S. 606.
  9. Taubes, Nachwort zu Usbekische Märchen, 1990, S. 208 ff.
  10. Reichl 2001
  11. Reichl 2001, S. 78.
  12. Gustav Jungbauer (Hrsg.): Märchen aus Turkestan und Tibet. Jena 1923.
  13. Tahir Qahhar, William Dirks: Uzbek Literature, in World Literature Today, Vol. 70, 1996, No. 3, (Literatures of Central Asia), S. 611–618, hier: S. 611.
  14. Menges, Kleinmichel 1996, S. 606.
  15. Menges, Kleinmichel 1996, S. 607.
  16. Menges, Kleinmichel 1996, S. 607.
  17. Abdulla Qodiriy auf dagyeliverlag.com
  18. Rezension auf perlentaucher.de
  19. Askad Mukhtar auf goodreads.com
  20. Paolo Sartori: Visions of Justice: Sharīʿa and Cultural Change in Russian Central Asia. Einleitung. Brill, 2017.
  21. Uchqun Nazarov auf dagyeliverlag.com