Verein für landwirtschaftliche Berufsausbildung

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Der Verein für landwirtschaftliche Berufsausbildung war eine rechtsradikale Tarnorganisation, die in der Frühphase der Weimarer Republik von Herbst 1921 bis Herbst 1922 als Nachfolgeorganisation des Freikorps Roßbach bestand. Die Organisation ist heute vor allem noch deshalb bekannt, da einige ihrer Angehörigen, darunter der spätere De-facto-Stabschef von Adolf Hitler, Martin Bormann, sowie der spätere Kommandant des Vernichtungslagers Auschwitz, Rudolf Höß, nach der offiziellen Auflösung, bei faktischem Noch-Weiterbestehen des Vereins, den Fememord von Parchim begingen, bei dem sie ein Vereinsmitglied als vermeintlichen Verräter umbrachten.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Herbst 1921 entschied die Reichsregierung sich in der Absicht, die Befriedung der unruhigen innenpolitischen Verhältnisse, die seit dem Ende des Ersten Weltkriegs in Deutschland bestanden, voranzutreiben, die letzten zu dieser Zeit noch verbliebenen Freikorps, die als große, rechtsradikal eingestellte, paramilitärisch organisierte und gewaltbereite Organisationen erheblich zur politischen Unsicherheit, die von 1919 bis 1921 in Deutschland bestand, beigetragen hatten, zwangsweise aufzulösen. Am 24. November 1921 wurde infolgedessen die „Bekanntmachung, betreffend die Auflösung der Organisationen Roßbach, Hubertus, Aulock, Heydebreck und Oberland“ im Reichsgesetzblatt (RGBl. 1921 II, S. 1370) veröffentlicht.

Das Freikorps Roßbach, das weithin als das stärkste und aktivistischste der 1921 noch verbliebenen Freikorps galt, reagierte auf den ihm von der Staatsmacht aufgenötigten Zwang sich – zumindest formal und nach außen – aufzulösen, indem es eine Reihe von Ersatzorganisationen schuf. Diese dienten dem Zweck, die Mitglieder des aufgelösten Freikorps in organisierter Form zusammengehalten, um sie weiterhin zur Verfügung zu haben, um diese in dem Fall, dass sich in der näheren Zukunft eine Situation einstellen sollte, in der es wäre, eine in Bereitschaft liegende Truppe mit einer Aussicht auf Erfolg zu politischen bzw. militärischen Aktionen gegen den bestehenden Staat einzusetzen, zu entsprechenden Aktionen einsetzen zu können.

Eine dieser Ersatzorganisationen war der Verein für landwirtschaftliche Berufsbildung. Dieser wurde am 15. Dezember 1921 als "eingetragener Verein" in Wismar gegründet. Die Gründung war zuvor während einer in Berlin abgehaltenen Versammlung von Arbeitgebern aus Mecklenburg, Pommern, Mittel- und Oberschlesien beschlossen worden. Im Rahmen des neuen Vereins wurden Mitglieder des bisherigen Freikorps Roßbach bzw. der Arbeitsgemeinschaft Roßbach im landwirtschaftlichen Bereich, zumeist auf Gütern in Mecklenburg, Pommern und Schlesien als Landarbeiter oder landwirtschaftliche Auszubildende beschäftigt.

Der Verein, an dessen Spitze ein Vorstand mit einem Direktor, war insbesondere im Gebiet der Provinz Mecklenburg aktiv. Eine weitgehend analoge Gründung, die Roßbach in der Provinz Schlesien schuf, war der Verein schlesischer Landwirte zur Ausbildung einheimischer Arbeiter zur Landarbeit als Ersatz für ausländisch Schnitter.

Das Gesamtgebiet, in dem die Mitglieder des Vereins ihren Wohnsitz hatten, wurde in Bezirke eingeteilt, wobei an der Spitze der einzelnen Bezirke ein Bezirksvorstand stand.

Der Verein widmete sich neben seiner nominellen Tätigkeit, also der Ausbildung von Personen für die Arbeit in der Landwirtschaft, der Sicherung von Grundbesitzern und ihrem Eigentum und dem Schutz landwirtschaftlicher Betriebe gegen störende Eingriffe. Durch ein einmütiges Zusammenarbeiten des Vereins bzw. der von ihm gestellten Arbeiter mit den Gutsbesitzern, auf deren Gütern die Arbeitergruppen des Vereins untergebracht wurden, sollte dazu beigetragen werden, die Ernährung der deutschen Bevölkerung vom Ausland unabhängig zu machen und so zur Schaffung der Grundlage für eine Stärkung der deutschen Landwirtschaft und damit der Stärkung des Reiches als Ganzes und zur Sicherung des Bestandes des Reiches beizutragen. In der Praxis bekämpften die Mitglieder des Vereins als Schutztruppe und Ersatzarbeitskräfte insbesondere streikende oder aufbegehrende Arbeiter. Den Vereinsmitgliedern war gemäß den Statuten die Beteiligung an Streiks verboten bzw. war das Streikrecht innerhalb der Organisation aufgehoben.

Sonntags veranstalteten die Gruppen des Vereins zumeist sogenannte „Sportfeste“, die als Deckmantel für militärische Übungen dienten, die darauf abzielten, die Mitglieder für Einsätze brauchbarer zu machen.

Im November 1922 wurde der Verein schließlich durch die Regierung des Landes Mecklenburg-Schwerin durch eine Bekanntmachung vom 21. November 1922 (Bekanntmachung vom 21. November 1922, betreffend Auflösung des Vereins für landwirtschaftliche Berufsausbildung) verboten. Grundlage des Verbots war der §1 des Gesetzes zur Durchführung der Artikel 177/178 des Friedensvertrages vom 22. März 1922 (RGBl. S. 235). Die Für-Aufgelöst-Erklärung durch das Mecklenburg-Schwerinsche Ministerium des Innern erfolgte mit Zustimmung der Reichsregierung. Personen, die sich an dem aufgelösten Verein als Mitglieder Beteiligten wurden mit bis zu 50.000 Reichsmark oder mit Festungshaft bis zu 3 Monaten oder Gefängnis bedroht.

Der Verein setzte seine Tätigkeit nach der offiziellen Auflösung noch eine Weile de facto als "Abwicklungsstelle" fort. Dabei arb die Abwicklungsstelle beständig neue Arbeitskräfte an und brachte sie auf mecklenburgischen Gütern unter. Diese Kräfte wurden ihr von der Zentrale der Roßbach-Organisationen in Berlin-Wannsee vermittelt.

Nach dem Verbot des Vereins traten viele Roßbach-Anhänger, die dem Verein bisher angehört hatten, im Herbst 1992 in andere Roßbach-Organisationen ein oder sie gingen zur NSDAP und ihrem Straßenkampfverband, der SA, über.

Bekannte Mitglieder[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Martin Bormann (1900–1945), Funktionär der NSDAP
  • Bruno Fricke (1900–1985), politischer Aktivist (NSDAP, Schwarze Front)
  • Rudolf Höß (1901–1947), SS-Obersturmbannführer, Kommandant des Konzentrationslagers Auschwitz
  • Walter Kadow

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Manfred Deselaers: "Und Sie hatten nie Gewissensbisse?" Die Biografie von Rudolf Höss, Kommandant von Auschwitz, und die Frage nach seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, 2001.