Verkehrsamt der verwüsteten Gebiete in Westflandern

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Verkehrsamt der verwüsteten Gebiete in Westflandern
Exploitation des Transports des Régions Dévastées, ETRD
Strecke der Verkehrsamt der verwüsteten Gebiete in Westflandern
Feldbahnnetz in den verwüsteten Gebieten von Westflandern, Dez. 1919
Streckenlänge:700 km
Spurweite:600 mm (Schmalspur)

Das Verkehrsamt der verwüsteten Gebiete in Westflandern (flämisch: Vervoerdienst der Verwoeste Gewesten, französisch: Exploitation des Transports des Régions Dévastées, ETRD) betrieb in der Nachkriegszeit des Ersten Weltkriegs in Westflandern 260 Straßenfahrzeuge und ein 700 km langes Feldbahnnetz mit einer Spurweite von 600 mm.[1][2][3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Wiederaufbau der während des Ersten Weltkriegs zerstörten Gebiete in Westflandern war der Transport von Baumaterial keine leichte Aufgabe, da die zerstörte Infrastruktur viele Probleme verursachte. Um dies zu lösen, hat der staatliche Dienst der Verwoeste Gewesten (DVG) das Verkehrsamt der verwüsteten Gebiete in Westflandern eingerichtet, das auf französisch Exploitation des Transports des Régions Dévastées, ETRD genannt wird.

Das Transportamt übernahm im Herbst 1919 das von britischen und belgischen Streitkräften errichtete Feldbahnnetz vom Kriegsministerium. Es hatte seinen Sitz in Roeselare und Zweigstellen in Vlamertinge, Veurne, Sint-Idesbald und Menen. Es war vom 9. April 1919 bis zum 19. August 1926 tätig und unterstand nacheinander dem Innenministerium, dem Ministerium für Staatsverwaltung (dem späteren Wirtschaftsministerium) und dem Landwirtschaftsministerium.[4][Anm. 1][5]

Das Transportamt verlieh Fahrzeuge und Ausrüstung an Organisationen und Privatpersonen.[3] Es stellte ab Januar 1920 den Ziegelherstellern Decauville-Material zur Verfügung, wenn diese sich diesbezüglich an den Vorstand des Transportdienstes (ETRD) in der Spanjestraat 56 in Roeselare wandten.[5] Auf dem Höhepunkt seiner Tätigkeit besaß es 87 Dampf- und 69 Motorlokomotiven, 1974 Feldbahnwagen und ein 700 km langes Netz von Feld- und Schmalspurbahnen sowie Decauville-Gleisjochen.

Landkarte der verwüsteten Gebiete, 23. Januar 1920[Anm. 2][6]

Im Herbst 1919 verfügte das Transportamt bereits über 260 Lastwagen und Zugmaschinen für den Straßentransport. Trotz dieser Bemühungen führten die zerstörte Infrastruktur und das riesige Transportaufkommens zu Herausforderungen, unter anderem mussten zwischen dem 1. Januar 1920 und dem 30. Juni 1922 z. B. sechs Milliarden Ziegelsteine geliefert werden.[1] In einem Schreiben vom 25. Mai 1922 forderte der Transportdienst das Bauunternehmen Batteauw, Van Overmeire & Devos aus Oudenaarde auf, die von ihm gepachtete Decauville-Bahn auf einer neuen Trasse zu verlegen, da der britische Militärfriedhofsdienst den Soldatenfriedhof Bedford House dauerhaft anlegen wollte, wobei die Bahnlinie ein Hindernis darstellte.[7]

Im Januar 1925, als der Wiederaufbau fast abgeschlossen war, wurde die Ausrüstung an die Armee und andere Interessenten weiterverkauft, da sich die örtlichen Bauunternehmer über unlauteren Wettbewerb beschwerten. Mehrere Gemeinden haben durch die Vermittlung des Transportamts Decauville-Gleise und -Wagen erhalten.[3]

Schienenfahrzeuge[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Dampflokomotiven[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antrieb Hersteller Leistung Herkunft Anzahl
Dampf Deutsche 30 PS Beschaffungsamt (Inzamelingsdienst) 29
Dampf Péchot 30 PS Belgische Armee 3
Dampf Baldwin 45 PS Belgische Armee 2
Dampf Baldwin 45 PS Britische Armee 24
Dampf Cooke 45 PS Britische Armee 12
Dampf Barclay 20 PS Britische Armee 17
Summe: 87

Motorlokomotiven[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antrieb Hersteller Leistung Herkunft Anzahl
Benzol/Benzin Overland 15 PS Belgische Armee 5
Benzol/Benzin Simplex 20 PS Belgische Armee 2
Benzol/Benzin Simplex 20 PS Britische Armee 37
Benzol/Benzin Simplex 40 PS Britische Armee 2
Benzol/Benzin Simplex 40 PS Belgische Armee 8
Benzol/Benzin Benzin-elektrisch 45 PS Britische Armee 15
Summe: 69

Güterwagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft Nutzlast pro Wagen Anzahl Gesamtnutzlast
Beschaffungsamt (Inzamelingsdienst) und Belgische Armee 1 t 250 250 t
Beschaffungsamt und Belgische Armee 2 t 75 150 t
Beschaffungsamt und Belgische Armee 3,5 t 109 380 t
Beschaffungsamt 3,5 t 111 388 t
Beschaffungsamt 5 t 359 1795 t
Britische Armee 3,5 t 188 658 t
Britische Armee 9 t 11 99 t
Britische Armee 9 t 746 6714 t
Belgische Armee 8 t 21 168 t
Belgische Armee 9 t 50 450 t
Summe: 1974 11.352 t

Tankwagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Herkunft Volumen pro Wagen Anzahl Gesamtvolumen
Belgische Armee 8000 ℓ 2 16.000 ℓ
Britische Armee 6500 ℓ 16 104.000 ℓ
Beschaffungsamt 5000 ℓ 36 180.000 ℓ

Gleise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Inventur vom Oktober 1920 wurden folgende Streckenlängen aufgelistet:[5]

  • In Betrieb befindliche Strecken: 445 km
  • Vermietete Strecken: 120 km
  • Zu demontierende Strecken: 100 km
  • Neu zu verlegende Strecken: 14 km
  • Gleise auf Lager auf dem Lagerplatz: 21 km
    • Summe: 700 km

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Da die verfügbaren Fahrzeuge von mehreren Dienststellen intensiv genutzt wurden, konnten nur einige wenige für den Transport von Baumaterialien auf den Decauville-Bahnen, die in der Region in großer Zahl vorhanden waren, eingesetzt werden. Anträge mussten bis Ende Dezember 1919 bei Oberst Deridder, der sein Büro im Oberkommissariat in der Langstraat 17 in Brügge hatte, und bei den beigefügten Königlichen Hochkommissaren gestellt werden.
  2. Die Karte vom 23. Januar 1920 zeigt die Abgrenzung der stark betroffenen „verwüsteten Gebiete“ und die am stärksten zerstörten Flächen (in dunkelgrau), die der Staat im Hinblick auf ihre Wiederherstellung enteignen wollte. Das Gesetz zur Wiederherstellung der Landwirtschaft (15. November 1919) galt nur innerhalb der abgegrenzten Gebiete (verwoeste gewesten). Dieses Gebiet zwischen der Nordseeküste und der belgisch-französischen Grenze bei Komen lag vollständig in der ehemaligen Frontzone und umfasste etwa 55.000 ha, d. h. die im Ersten Weltkrieg am stärksten betroffenen landwirtschaftlichen Gebiete.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Toovwerk. De wederopbouw van hoeves in de Verwoeste Gewesten van West-Vlaanderen. Januar 2021. Auch als Digitalisat und als PDF-Datei abrufbar. S. 44, 45.
  2. Frank Becuwe, Vincent Debonne und Pol Vanneste: Toovwerk. Het verhaal van de wederopbouwhoeves in de Verwoeste Gewesten van West-Vlaanderen. Auch als Digitalisat abrufbar. S. 29.
  3. a b c Claudia Houben: De wederopbouw van hoeves in de Westhoek na de Eerste Wereldoorlog. Een onderzoek naar de wederopbouwactiviteiten door de Dienst der Verwoeste Gewesten in Kemmel en Esen. Mai 2017. S. 25.
  4. Vlaams Architectuur Instituut: Actoren – Dienst der Verwoeste Gewesten.
  5. a b c Ministerie van Binnenlandse Zaken: Beknopte bekendmaking nopens den Dienst der verwoeste gewesten. Siehe auch Europeana. S. 186 und S. 288 vom 15. Dezember 1919, sowie S. 3 (Bericht aan de steenbakkersbazen) sowie S. 69 und S. 155 vom Januar 1920 und S. 626 vom Oktober 1920.
  6. Centrum Agrarische Geschiednis: Afbakening van de zwaar getroffen “verwoeste gewesten”
  7. Algemeen Rijksarchief Brussel, Dienst der Verwoeste Gewesten, Nr. 4105.

Koordinaten: 50° 56′ 46,8″ N, 3° 8′ 3″ O