Viertelsmeister

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Viertelsmeister oder Viertelmeister, auch Gassenmeister[1] oder Vierer[2], waren ab 1303[3] bis 1837[4] Helfer der Exekutive und Judikative und eine früheste Form von Demokratie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.

Amt und Aufgaben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Viertelsmeister oder Viertelmeister (deren Amthäuser als Viertelhäuser bezeichnet werden[5]) waren meist angesehene, gewählte Persönlichkeiten,[6] welche über lokale Orts- und Bürgerkenntnisse verfügten, um in Stadt- oder Landvierteln folgende Aufgaben zu übernehmen:

  • Vertretung der Rechte der Bürger im Stadtviertel und Anhörung vor Ratsentscheidungen[7]
  • Aufsicht über das Gemeindegut
  • Unterstützung der Landesgewalt und der Polizei bei der Ausübung ihres Gewaltmonopoles[8]
  • Erstellung von Bevölkerungslisten
  • Unterstützung von Wahlen[9]
  • Ausübung von polizeilichen Aufgaben[10]
  • Kontroll- und Meldepflicht über die Tätigkeit von Seuchen- und Quarantänebeamten[11]
  • Gerichtsschöppen[12]
  • Kommandant des Volksaufgebotes[13]
  • Organisation der Wachen auf der Stadtmauer[14]
  • Verteidigung der Stadtmauer des Stadtviertels[15]
  • Leitung des Aufgebotes zur Brandbekämpfung[3]
  • Aufbewahrung von Löschgeräten[3]
  • Quartiermeisterei[16]
  • Aufsichtspflicht über Schichtmeister im sächsischen Silberbergbau[17]

Stellung der Viertelsmeister innerhalb des lokalen Herrschaftssystems[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Viertelsmeister standen den Interessen der Ratsvertreter als Vertreter der Bürgerschaft[18] gegenüber.[19] Die Stadträte sahen oft in der Bestellung von Viertelsmeistern eine Beeinträchtigung ihrer selbstherrlichen Stellung und wehrten sich gegen die Wahlen.[20] Trotz der gewählten Interessenvertretung wurden die Viertelsmeister von der Bevölkerung als Teil des herrschenden Systems verstanden und Ziel von Übergriffen aus der Bevölkerung[21] oder seitens des Staates.[22] Das Wahlamt wurde für eine bestimmte Zeit ausgeübt, in der Regel ein[23] bis drei[12] Jahre. Oft wurde das Amt von ortsansässigen Handwerkern bekleidet und Viertelsmeister waren nicht selten Zunftmeister.[7][24] Die Wahl und Funktion von Viertelsmeistern war nicht nur auf die Städte beschränkt, sondern fand auch im ländlichen Gebiet Anwendung, zum Beispiel in Schrebitz. Nach den revolutionären Unruhen von 1848 und 1849 wurde das Amt des Viertelsmeister in das eines Bezirksmeisters umgewandelt.[25]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Karlheinz Blaschke: Dorfgemeinde und Stadtgemeinde in Sachsen zwischen 1300 und 1800. Wissenschaftsverlag Oldenbourg, 1991

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Friedrich Gerhardt: Geschichte der Stadt Weißenfels a. S. mit neuen Beiträgen zur Geschichte des Herzogtums Sachsen-Weißenfels. Verlag R. Schirdewahn, Weißenfels 1907, S. 141, 226, 304; archive.org
  2. Thomas Kern: Geschichte der Stadt Kaub von 1350–1600. webdesign-kaub.de (Memento vom 27. November 2015 im Internet Archive) abgerufen am 1. Februar 2010.
  3. a b c Ernst Pitz: Schrift- und Aktenwesen der städtischen Verwaltung im Spätmittelalter. Stadtarchiv Köln, Verlag P. Neubner, Köln 1959, S. 227, 228, 299 (Mitteilungen aus dem Stadtarchiv von Köln, Band 45); books.google.de
  4. Unser Rathaus. (Memento vom 13. November 2010 im Internet Archive) Gemeinde Hohenstein Ernstthal; abgerufen am 1. Februar 2010.
  5. Wolfgang Schneider: Volkskultur und Alltagsleben. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. 4 Bände. Band I-III/2. Theiss, Stuttgart 2001–2007, Band 1 (2001): Von den Anfängen bis zum Ausbruch des Bauernkriegs. ISBN 3-8062-1465-4, S. 491–514 und 661–665, hier: S. 501 und 663.
  6. „wofür hinlänglich qualifizierte Subjecte auszuersehen sind“. Wie in Pirna die Feudalverhältnisse aufgehoben wurden. (Memento vom 19. Mai 2011 im Internet Archive) geschichte-pirna.de; abgerufen am 1. Februar 2010.
  7. a b Helmut Bräuer Wider den Rat. Leipziger Universitätsverlag, Leipzig 1999, ISBN 3-933240-60-3, S. 57 (Zwickauer Arbeits- und Forschungsberichte, ) Band 1; books.google.de
  8. J. G. Krünitz: Oekonomische Encyklopädie, 1773–1858; uni-trier.de
  9. Viertelsmeister. 1). In: Heinrich August Pierer, Julius Löbe (Hrsg.): Universal-Lexikon der Gegenwart und Vergangenheit. 4. Auflage. Band 18: Türkisches Reich–Wechsler. Altenburg 1864, S. 579 (Digitalisat. zeno.org).
  10. Der Adelung. Grammatisch-kritisches Wörterbuch der Hochdeutschen Mundart. Band 4, Leipzig, 1801, S. 1211; zeno.org
  11. Christian Bergen (Hrsg.): Deß Raths zu Dreßden Ordnung. Wie bey ereignenden gefährlichen Seuchen und anderen ansteckenden Kranckheiten die Inwohner und Bürgerschafft hiesiger Churfl. Residenz-Stadt sampt denen hierzu bestalten Bedienten auff einen und den andern Fall sich zu verhalten. Bergen, Dreßden 1680, uni-halle.de
  12. a b Der Rat von Belgern. Belgern, stadtbelgern.de Stadt Belgern; abgerufen am 1. Februar 2010.
  13. R. Fürnkranz: Weinviertel. Fragen zur Geschichte des Weinviertels, der Dorfgemeinschaften, des Weinbaues, der Kellergassen. weinviertel.at (Memento vom 18. September 2013 im Internet Archive) abgerufen am 1. März 2010.
  14. Helmut Flachenecker: Eine geistliche Stadt. Eichstätt vom 13. bis zum 16. Jahrhundert. F. Pustet, 1988, ISBN 3-7917-1176-8, S. 226, books.google.de
  15. Genealogische Begriffe. Ahnenforschung Unger, 2005, ahnenforschung-unger.de abgerufen am 1. März 2010.
  16. Wilhelm Heinrich Riehl, Wilhelm Maurenbrecher: Historisches Taschenbuch. F. A. Brockhaus, Leipzig, 1854, Seite 159, books.google.de
  17. Adolf Laube: Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau von 1470 bis 1546. Band 22: Von Forschungen zur mittelalterlichen Geschichte. G. Heitz (Hrsg.). Leipzig 1974, books.google.de
  18. Ratsverwandte (sind) die buergerschaft, oder wenigstens ihre repraesentanten, ihre viertelsmeister, rathsverwandten oder zunftmeister Ratverwandte. In: Heidelberger Akademie der Wissenschaften (Hrsg.): Deutsches Rechtswörterbuch. Band 11, Heft 1/2 (bearbeitet von Heino Speer u. a.). Hermann Böhlaus Nachfolger, Weimar 2003, ISBN 3-7400-0991-8 (adw.uni-heidelberg.de).
  19. „erhob sich gelegentlich der Widerstand der Gemeinde. Sprecher dieses Widerstandes waren die Viertelsmeister“. Klaus Gerteis: Die deutsche Stadt in der Frühen Neuzeit. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt, S. 65–84, 176–182, ahg-ahaus.de (Memento vom 24. Januar 2013 im Internet Archive) abgerufen am 1. März 2010.
  20. Peter Blickle: Landgemeinde und Stadtgemeinde in Mitteleuropa: ein struktureller Vergleich R. Oldenbourg Verlag, München 1991, ISBN 3-486-55886-2, S. 138, books.google.de
  21. Kleinstaatliche Revolution in Sachsen 1830–31. Volksbewegung und Obrigkeiten. Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn 2001; fes.de abgerufen am 1. Februar 2010.
  22. Kurz zuvor waren nämlich die Viertelsmeister der Stadt eingesperrt worden, weil sie sich wegen der gerade herrschenden Teuerungswelle geweigert hatte, die Seelenregister für einen neue Abgabe, den Hebammengroschen, zu fertigen. klassik-stiftung.de (PDF) @1@2Vorlage:Toter Link/www.klassik-stiftung.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven) Weimarer Topographie. Eine Residenz im Wandel. abgerufen am 1. Februar 2010.
  23. vwg-kemberg.de (Memento vom 5. März 2016 im Internet Archive) Stadt Kemberg: Eine Zeitreise. Internetseite der Stadt Kemberg, abgerufen am 1. Februar 2010.
  24. Rudolf Schlögl: Interaktion und Herrschaft. Konstanz, 2004, gleich-lesen.de @1@2Vorlage:Toter Link/www.gleich-lesen.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im Mai 2019. Suche in Webarchiven) abgerufen am 1. Februar 2010.
  25. Waldemar Wucher: Reuss jüngere Linie in der Bewegung der Jahre 1848–49. Dissertationsarbeit, Universität Jena, 1926, S. 52.