Virtuelle Temperatur

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Die virtuelle Temperatur (Formelzeichen: ) ist ein Temperaturmaß, das in der theoretischen Meteorologie und in numerischen Wettermodellen Anwendung findet. Es ist diejenige Temperatur, die trockene Luft haben müsste, um die gleiche Dichte wie feuchte Luft bei einer niedrigeren Realtemperatur und gleichem Druck zu besitzen. Die virtuelle Temperatur eines Luftpakets ist keine real zu beobachtende Größe und stets höher als dessen tatsächlich messbare Temperatur.

Motivation und Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vorbetrachtung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da Wasserdampf eine molare Masse von nur circa 18,01528 g/mol besitzt, trockene Luft hingegen rund 28,9644 g/mol, ist Wasserdampf etwa 0,622-mal so schwer wie trockene Luft gleicher Teilchenzahl. Dies bedeutet jedoch auch, dass feuchte Luft leichter als trockene Luft bei gleicher Teilchenzahl ist, da sich die einzelnen Gase unabhängig voneinander nach dem Dalton-Gesetz zu einem Gasgemisch zusammensetzen. Die Wasserdampfkapazität der Luft ist hierbei in warmer Luft größer als in kalter Luft. Das Verhalten idealer Gase wird mit deren Zustandsgleichung durch die abhängigen Größen Druck, Volumen, Stoffmenge und Temperatur beschrieben. Im untersten Bereich der Erdatmosphäre, der sogenannten Troposphäre, nimmt die Temperatur mit einem breitengradabhängigen atmosphärischen Temperaturgradienten bis in eine Höhe von 8 bis 15 km ab. Dieser Gradient ist vom Wasserdampfgehalt der Luft abhängig, denn je mehr Wasserdampf in der Luft vorliegt, desto mehr wird die Wärmeabstrahlung Erde durch die Kondensationsenergie des Wassers (die Energie, die beim Kondensieren eines Gases frei wird) ausgeglichen. Würde kein Wasserdampf in der Atmosphäre existieren, so würde die Temperatur mit dem vergleichsweise hohen trockenadiabatischen Temperaturgradienten mit der Höhe abfallen und wäre hierbei auch identisch mit der virtuellen Temperatur. In der Realität hingegen ist fast immer Wasserdampf vorhanden, weshalb man auch von einem etwas geringeren feuchtadiabatischen Temperaturgradienten spricht. Der molare Wasserdampfanteil variiert, abhängig von Wetter und Klima, zwischen nahe 0 und bis zu etwa 4 Prozent (dies darf nicht mit der relativen Luftfeuchte verwechselt werden). Je geringer der Wasserdampfanteil der Luft, desto geringer ist der Unterschied zwischen beiden Gradienten und desto näher liegen reale und virtuelle Temperatur beieinander.

Virtuelle Temperatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die für die virtuelle Temperatur vorausgesetzte Bedingung ist die gleiche Dichte der realen feuchten Luft und der fiktiven trockenen Luft ohne jeglichen Wasserdampf. Die trockene Luft kann hierbei nur die gleiche Dichte wie leichtere feuchte Luft besitzen, wenn man diese erwärmt bzw. entlang des Temperaturgradienten absenkt, was einer Höhenminderung gleichkommt. Stellt man sich also als Gedankenexperiment ein trockenes Luftpaket vor und senkt dies langsam ab, so gibt es eine Höhe, bei der die Dichte der trockenen Luft gleich der Dichte der feuchten Luft wäre. Die über den Temperaturgradienten aus dieser Höhe berechnete Temperatur bezeichnet man als virtuelle Temperatur. Daraus folgt auch, dass sich feuchte Luft genauso verhält wie trockene Luft der virtuellen Temperatur und man so über den Umweg ihrer Berechnung die auf trockene Luft eingerichteten Standardformeln benutzen kann, ohne in diesen die reale Luftfeuchtigkeit berücksichtigen zu müssen. Man kann auf diesem Wege also die Gleichungen der Meteorologie um eine Zustandsgröße reduzieren und sie dadurch spürbar vereinfachen.

Verallgemeinerte virtuelle Temperatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Troposphäre und der unteren Stratosphäre ist die Zusammensetzung der Luft, vom Wasserdampfgehalt abgesehen, nahezu konstant. In mehr als 80 Kilometer Höhe beginnt das Gasgemisch sich zu entmischen, und durch Photodissoziation infolge energiereicher solarer Strahlung werden diatomare Gase wie Sauerstoff und Stickstoff teilweise in den atomaren Zustand versetzt. Hinzu kommt der erhöhte Ozongehalt in der mittleren und oberen Stratosphäre. Dies führt zu einer Veränderung der (über alle Bestandteile gemittelten) Molekularmasse der Luft. Diese kann auf gleiche Weise wie die Änderung des Wasserdampfgehaltes durch eine, gelegentlich auch mit TM bezeichnete, verallgemeinerte virtuelle Temperatur dargestellt werden.

Berechnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Wolkenlose Bedingungen (nur Wasserdampf):

Bewölkte Bedingungen (neben Wasserdampf werden auch Flüssigwasser und Eis berücksichtigt):

Einzusetzen sind folgende Größen:

  • : Temperatur in K
  • : Verhältnis der spezifischen Gaskonstanten von Wasserdampf und trockener Luft
  • : spezifische Luftfeuchtigkeit in kg/kg
  • : Wasserdampfmischungsverhältnis
  • : Flüssigwassermischungsverhältnis
  • : Dampfdruck in Pa
  • : Luftdruck in Pa

Herleitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zunächst werden die Gleichungen für die Dichten des Wasserdampfs, der trockenen und der feuchten Luft aufgestellt:

Die virtuelle Temperatur ist definiert als die Temperatur, die trockene Luft haben müsste, damit sie die gleiche Dichte wie die feuchte Luft hat:

Dies kann mit Gleichung 2.3. gleichgesetzt und nach der virtuellen Temperatur aufgelöst werden:

Wenn man definiert und die Beziehung verwendet, folgt mit :

und daraus Gleichung 1.2.; weiter folgt Gleichung 1.1. über die Beziehung .

Gleichung 1.3. ergibt sich aus Gleichung 2.5. unter Verwendung von für .

Will man bei der Dichte der feuchten Luft auch die Masse von flüssigem Wasser und Eis berücksichtigen, kann man z. B. Gleichung 2.1. wie folgt modifizieren:

Analog zur obigen Herleitung ergibt sich damit als modifizierte Gleichung 2.6.

und weiter Gleichung 1.4.

Neben den oben genannten werden folgende Größen verwendet:

Daraus ergibt sich .

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Hantel: Einführung Theoretische Meteorologie. Springer, Berlin/Heidelberg 2013.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]