Wikipedia:GLAM/GLAMhybrid/PKC 2023 03 23/Dokumentation/Jüdisches Leben in der NS-Zeit in Freudental

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Das jüdische Leben in der NS-Zeit in Freudental war geprägt durch die Verfolgung der zahlreichen Jüdinnen und Juden bis ins Jahr 1942. Anschließend galt das Dorf als „judenrein“.

Akzeptanz des staatlichen Antisemitismus nach Hitlers Machtergreifung[Quelltext bearbeiten]

Gedenktafel „Jüdische Bürger Freudentals 1933–1942“

Die Gemeinde Freudental hatte im Januar 1933 laut Aufzeichnung 560 Einwohner, darunter 70 jüdischen Glaubens. Es ist bekannt, dass Freudental sechs Parteigenossen aus der NSDAP hatte. In deren Stammlokal Hirsch waren Juden unerwünscht. Von den Vorgängen am 30. Januar 1933 in Berlin nahmen die Freudentaler wenig Notiz. Deutlich wurde die Machtübernahme Hitlers in der Gemeinderatssitzung am 28. März 1933. Im Protokoll heißt es: „Der gesamte Gemeinderat ist sich einig in dem Gedanken der Treue zur Regierung, der restlosen und opferbereiten Pflichterfüllung zum Segen unseres Vaterlandes.“[1] Danach folgten Umbenennungen von Straßennamen. So wurde beispielsweise die „Judengasse“[1] in die heutige „Strombergstraße“[1] umbenannt.

Nach dem Gleichschaltungsgesetz wurde am 5. März 1933 der bisherige Gemeinderat aufgelöst und das neue Gremium bestand mit allen sechs Sitzen aus der NSDAP. Im darauffolgenden Sommer mussten alle Gemeindebediensteten im Rahmen des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums ihre „arische Abstammung“[1] nachweisen. Endgültig beseitigt wurde die demokratische Staatsordnung mit der Einführung des Führereides auf Adolf Hitler. Demgemäß schwor der Freudentaler Gemeinderat am 11. Oktober 1934: „Ich schwöre: Ich werde dem Führer des Deutschen Reiches und Volkes, Adolf Hitler, treu und gehorsam sein, die Gesetze beachten und meine Amtspflichten gewissenhaft erfüllen, so wahr mir Gott helfe.“[1]

Diskriminierung aus der Öffentlichkeit[Quelltext bearbeiten]

Beispiel Moritz Herrmann[Quelltext bearbeiten]

Moritz Herrmann, ein Jude, wurde laut Familienaufzeichnung Landwirt in Freudental, da sein Vater Abraham Herrmann sich seinem Studienwunsch verschlossen hatte. Im Jahre 1899 hatte er, im örtlichen Grundbuch noch als lediger „Handelsmann“[2] aufgeführt, seine ersten beiden Äcker gekauft, 1902 waren dort drei weitere hinzugekommen. Moritz Herrmanns berufliches Fortkommen scheint dies so wenig beeinträchtigt zu haben wie der Erste Weltkrieg und die wirtschaftlichen und sozialen Verwerfungen danach: 1919 konnte er seinen Betrieb durch den Kauf mehrerer Äcker und Obstwiesen in Kleinsachsenheim beträchtlich vergrößern. Sein Fleiß und seine Sparsamkeit waren in Freudental ortsbekannt; auf diese typisch schwäbischen Tugenden berief sich Moritz Herrmann selbst noch 1942, unmittelbar vor der Deportation, in verzweifelten Schilderungen seiner Situation.

Reichspogromnacht[Quelltext bearbeiten]

Wie in vielen ländlichen Gegenden fand die Schändung auch in Freudental erst am Vormittag des 10. Novembers statt, da sich die SA zunächst auf die Städte konzentrierten.[3] Ungefähr zwanzig Autos von Richtung Ludwigsburg fuhren durch Freudental, bevor sich die Insassen dieser vor dem Freudentaler Rathaus aus den Autos begaben. Von dort aus marschierten sie gemeinsam mit dem damaligen Bürgermeister Schwartz sowie einem Polizeidiener zur Synagoge und zur jüdischen Schule.[4] Charakteristisch für die von langer Hand geplante Maßnahme der NSDAP war die Tatsache, dass man in Freudental davon absah, die Synagoge in Brand zu setzen. Hiervon ist man lediglich abgekommen, um die angrenzenden Häuser nicht zu gefährden. Ehemalige Anwohner beschreiben die damalige Situation wie folgt: „Die konnten sie nicht anzünden, weil ringsum doch die alten Gebäude standen“[5] und „[…] das haben die ja selber eingesehen, dass da ja das ganze Eck abbrennt“[5]. Die eingetroffenen SA-Männer plünderten die Synagoge Freudental sowie die jüdische Schule. Die dort lebenden Juden mussten die Kultgegenstände selbst auf einen Anhänger laden, der zum Sportplatz fuhr.[6] Die Anwohnerin Karoline Z. erinnert sich: „Als die Synagoge zerstört wurde, war ich auf dem Feld und dachte 'Was ist denn in Freudental los? Ein Geschrei […]. Da ist alles zerstreut gewesen, die Schulbücher […], das Gestühl und die Sache, die in der Synagoge waren, wurden alle herausgetragen und auf einen Wagen geworfen. Das musste die Juden machen, die da waren. […] Und da war ein Judenbub dabei, er ist 16 Jahre als gewesen, so ein schmaler Bub und der konnte nicht so schnell arbeiten, wie die Kerle da verlangt haben und dann haben sie ihm so ins Gesicht geschlagen, dass ihm das Blut gelaufen ist“[7]. Am Rande eines Feldstückes am Ende des Ortes Freudental wurden alle Kultgegenstände aus der Synagoge angezündet, während die jüdischen Anwohner um die Flammen herum knien und „An allem sind wir Juden schuld“[8] rufen mussten.

Einzelnachweise[Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e Theobald Nebel: Die Geschichte der Freudentaler Juden. Historischer Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg e.V., Ludwigsburg, S. 89 f.
  2. Steffen Pross: Später erhielt ich noch zwei Karten aus Theresienstadt. Freudentaler Adressbuch 1933. In: Freudentaler Blätter. Band 1. Pädagogisch-Kulturelles Centrum/ Ehemalige Synagoge Freudental, Freudental 2011, ISBN 978-3-9809962-5-9.
  3. Die Synagoge. Gemeinde Freudental, abgerufen am 23. März 2023.
  4. Steffen Pross: Freudental ’38. Eine Ermittlung. Pädagogisch-Kulturelles Centrum Ehemalige Synagoge Freudental, Freudental 2009, ISBN 978-3-9809962-3-5, S. 38.
  5. a b Steffen Pross: Freudental ’38. Eine Ermittlung. Pädagogisch-Kulturelles Centrum Ehemalige Synagoge Freudental, Freudental 2009, ISBN 978-3-9809962-3-5, S. 36.
  6. Gemeinde Freudental: Die Synagoge. In: Freudental. Abgerufen am 22. März 2023.
  7. Steffen Pross: Freudental ’38. Eine Ermittlung. Pädagogisch-Kulturelles Centrum Ehemalige Synagoge Freudental, Freudental 2009, ISBN 978-3-9809962-3-5, S. 38 f.
  8. Steffen Pross: Freudental ’38. Eine Ermittlung. Pädagogisch-Kulturelles Centrum Ehemalige Synagoge Freudental, Freudental 2009, ISBN 978-3-9809962-3-5, S. 40.


Kategorie:Judentum in Freudental Kategorie:Judenverfolgung im Deutschen Reich (1933–1945)