Benutzer:Coater1234/Mehrfachbeschichtung

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Als Mehrfach- oder multiple Beschichtung (multilayer coating) wird in der Beschichtungsindustrie das Auftragen mehrerer dünner Schichten auf die Oberfläche eines Trägers (Substrat) bzw. Gegenstand bezeichnet. Die Schichten können einzeln oder gleichzeitig in unterschiedlichen oder identischen Stärken auf das Substrat appliziert werden.

Anwendungsbeispiele

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Durch die Beschichtung der Oberfläche steigt die Funktionalität eines Substrats. Die Verbesserung der Funktionalität ist vor allem im nanotechnologischen Bereich u. a. für optische Filme (z. B. OLEDs, Displaytechnologien) und im Bereich der Pharma- oder Medizintechnologie (z. B. Wundheilung, Krankenhaushygiene) sehr nützlich. Darüber hinaus werden Oberflächenveredelungen für Sicherheitstechniken (z. B. Ausweise, Kopierschutz) sowie zur Verbesserung energetischer Systeme (z. B. Barriereschichten) eingesetzt. Die Technologie der Mehrfachbeschichtung ist seit Jahrzehnten bekannt und erprobt. Die Firma Agfa hat am Standort Leverkusen im Jahr 1995 pro Tag eine Millionen Quadratmeter fotografische Papiere und eine Millionen Filmrollen mit diesen Verfahren hergestellt.

Nasschemischer Prozess

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Mehrschichtaufbau durch Applizieren von Einzelschichten

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Häufig wird ein Mehrschichtaufbau durch eine Abfolge mehrerer Beschichtungsvorgänge mit gängigen Beschichtungsaggregaten sowie entsprechenden Trocknungsphasen erreicht. Bei dieser Art der Herstellung können aber aufgrund der mehrfachen Trocknungsphasen erhebliche Beeinträchtigungen der Schichten auftreten, die ein Produkt unbrauchbar werden lassen. Gleiches gilt für die mehrfache Gefahr der Staubbelastung oder Verunreinigungen durch Umgebungsluft. Mögliche Beschädigungen der Beschichtung, wie auch des Substrates durch das mehrfache Hantieren sprechen ebenfalls gegen diese Form der Mehrfachbeschichtung.

Gleichzeitige Mehrfachbeschichtung

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Bei der gleichzeitigen Mehrfachbeschichtung können auch sehr empfindliche Materialien gut verarbeitet werden, da sie nur ein einziges Mal einer Trocknung unterzogen werden. Daher werden solche Beschichtungssysteme gerade in optisch höchst anspruchsvollen Bereichen (Fotografie, elektrochrome Schichten, optische Schichten), aber auch in puncto elektrische Leitfähigkeit (Photovoltaik, Displaytechnologie) oder Barrierewirkung (Verpackung, Photovoltaik, OLEDs) eingesetzt.

Kaskadengießer

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Datei:Kaskadengießer (1) klein.png
Der Kaskadengießer

Als Beispiel für ein simultanes Gießverfahren wird hier das Kaskadengießverfahren beschrieben. Bei dem Kaskadengießverfahren werden die Gießlösungen für die jeweiligen Schichten durch feine Schlitze des Gießers gedrückt und laufen eine schräge Ebene hinab, ohne sich dabei zu vermischen. Beim Kaskadengießer wird das Guß-Schichtpaket direkt an das Substrat übertragen, das in vertikaler Richtung transportiert wird.

Der Kaskadengießer beschichtet eine Oberfläche mit bis zu neun Schichten in vertikaler Ausrichtung. Hierbei ist es unerheblich aus welchem Material das Substrat besteht (Kunststoffe, Metall, Textil oder Papier). Allerdings empfiehlt sich eine möglichst homogene, gleichmäßige Unterlage zu wählen, um die Präzision der Beschichtung nicht durch Unebenheiten im Substrat zu verringern. Außerdem kann über das Verfahren des Kaskadengießers auch bei langsamen Geschwindigkeiten (20–250 m/min) gleichzeitig mehrschichtig appliziert werden. Der Viskositätsbereich liegt beim Kaskadengießer zwischen 1–250 mPa·s.

Ablauf des Gusses

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Datei:Detailansicht Gießkopf in zwei Schichten (1) klein.png
Detailansicht Gießkopf in zwei Schichten

Der Punkt 1 zeigt die Oberfläche des Gießkopfes bzw. der Laufstrecke der Gießlösung nach dem Austritt aus dem Gießschlitz der Kaskade. Die Oberfläche hat bereits einen entscheidenden Einfluss auf die gleichmäßige Verteilung der jeweiligen Flüssigkeit. Für die Qualität des Gusses kommt es auf die Breite des Spalts in Punkt 2 an, aus dem die Gießlösung austritt, wie auch auf die Oberflächenbeschaffenheit der Lösungen, die an dieser Stelle aufeinander treffen. Die jeweiligen Schichten müssen gemäß ihrer Oberflächenspannung, ihrer Oberflächenelastizität, wie aber auch ihrer rheologischen Parameter gut aufeinander abgestimmt sein, damit alle Lagen gleichmäßig verteilt bleiben.

Grundsätzlich muss die Summe aus der Oberflächenspannung und Oberflächenelastizität der oberen Schicht anders sein, als die der darunterliegenden Schicht. Diese Grundregel gilt für alle gleichzeitig aufzutragende Schichten, was wiederum teilweise erhebliche Anpassungen an den physikalischen Parameter der einzusetzenden Chemie bedeutet. Diese Änderung dürfen die Funktionsfähigkeit der Schicht nicht beeinträchtigen und bedürfen daher eines umfangreichen Wissens. Der Meniskus ist in der Detailansicht mit dem Punkt 3 gekennzeichnet. Er bildet mit der Brücke (Punkt 4) die entscheidende Verbindung mit dem Substrat. Hier entscheidet sich, ob das Schichtpaket vermischungsfrei an das Substrat übergeben werden kann. Als Wesentlich kann dabei der Anstellungswinkel des Substrates zum Gießer angesehen werden. Das folgende Schaubild veranschaulicht das notwendige Winkelverhältnis, das aber von Gießer zu Gießer unterschiedlich ist.

Datei:Winkeleinstellungen Substrat klein.png
Winkeleinstellungen Substrat
Datei:Theoretischer Aufbau Meniskus und Brücke klein.png
Theoretischer Aufbau Meniskus und Brücke

Um den Meniskus aber auch die unten liegenden Brücken stabil zu halten, muss unterhalb des Gießers, also zwischen Substrat und Gießkopf, ein Vakuum angelegt werden. Theoretisch müsste sich dann der in der nun folgenden Abbildung dargestellte Aufbau des Meniskus und der Brücke ergeben.

Die Oberflächenbeschaffenheit des Substrats

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Zuletzt ist noch die Oberflächenbeschaffenheit des Substrates selbst für die erfolgreiche Beschichtung von Bedeutung. Auch hier müssen physikalische Eigenschaften, wie zum Beispiel die Oberflächenspannung, genau passen, damit die Beschichtung bestmöglich durchgeführt werden kann. Oftmals empfiehlt sich der Einsatz einer Corona oder die Nutzung von substrierten Trägern. Zu beachten sind noch zwei entscheidende Dinge: Erstens müssen die jeweiligen Schichten so ausgewählt werden, dass sie weder chemisch noch physikalisch in Wechselwirkung treten. So sollte zum Beispiel kein anionisches System auf ein kationisches folgen. Im Zweifel muss eine Sperrschicht zwischen diesen Schichten (in dem Fall ein nicht-ionisches System) eingefügt werden. Zweitens ist der Trocknungsprozess gerade für mehrlagige Systeme entscheidend für die Qualität. Schichten, die in unterschiedlichen Lösemitteln gelöst sind, könnten zwar gleichmäßig gegossen werden, würdenwürden unterschiedlich schnell trocknen und den Schichtverband zerstören. Jede Schicht muss also zwangsläufig dasselbe Lösungsmittel bzw. Lösungsmittelgemisch enthalten. In der Praxis hat sich gezeigt, dass Wasser für Mehrfachbeschichtungen aufgrund seiner Oberflächenspannung das geeignetste „Lösemittel“ ist. Beinahe jede lösemittelbasierte Gießlösung kann von organischem Lösungsmittel auf ein wasserfestes System umgestellt werden. Bei wasserbasierter Trocknung sind neben der Temperatur noch die Luftgeschwindigkeit und die Umgebungsfeuchte relevant. Eine zu hohe Temperatur (>80 °C) oder eine zu hohe Luftgeschwindigkeit kann neben Verblasungen innerhalb der Schichten zu unterschiedlichen Trocknungszeiten der einzelnen Schichten führen und somit das Produkt unbrauchbar machen.

Bei einem Vorhanggießer werden mehrere Schichten gleichzeitig aus unterschiedlichen Schlitzen gedrückt, die dann als Schichtpaket über eine lange Phase laufen. Das Aggregat ist einige Zentimeter oberhalb des horizontal verlaufenden Substrates angebracht, wodurch es das Substrat nicht berühren kann. Geringe Schichtdicken von unter 0,3 µm sind möglich, wie auch sehr schnelle Geschwindigkeiten von weit über 600 m/min. Der Viskostitätsbereich liegt meist bei 10 bis 750 mPa·s. Der Vorhanggießer ist vornehmlich bei hohen Geschwindigkeiten (> 250 m/min) einzusetzen, da dünne Schichten auch durch die Verstreckung der Beschichtungschemie erreicht werden. Der Geschwindigkeitsunterschied zwischen den Pumpen und dem Substrat ist erheblich und stellt somit besondere Ansprüche an das Fließverhalten der verwendeten Gießlösungen.

Vorteile des simultanen Gießverfahrens

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Innerhalb simultan gegossener Mehrschichtensysteme gibt es keine Staubbelastung oder Verunreinigungen durch die Umgebungsluft, da die Schichten übereinander laufen. Wenn das Paket einmal geschlossen ist, können keine Partikel mehr in das System eindringen. Dadurch, dass das Substrat nur einmal einem Beschichtungsvorgang unterzogen wird, verringert sich auch die Schmutzbelastung oder die mögliche Beschädigung des fertigen Produktes durch die Handhabung. Dies ist gerade für hochwertige Produkte, wie z. B. für Produkte in der Medizin (transdermale Systeme, Diagnostik) oder für Produkte im Bereich der Sicherheitssysteme (Identifikation, Kopierschutz) von großem Vorteil. Simultane Gießverfahren sind meist sehr lohnenswert, da sich die Energiekosten reduzieren und durch die einmalige Trocknungsphase eine Zeitersparnis entsteht, sodass langfristig von einer geringen mechanischen Beanspruchung auszugehen ist.

Wirklich dünne Schichten (5–200 nm) werden hauptsächlich über Prozesse der chemischen (CVD) und physikalischen Gasphasenabscheidung (PVD) realisiert.

Hier wird der Einsatz von unterschiedlichen Pulverschichten zu erwähnen sein, die durch spezielle Trocknungs- und Sintertechnik mit einander verschmolzen werden.

  • Moritz Graf zu Eulenburg: Die Funktionsfähigkeit des Kaskadengießers am Beispiel der Produktion von Leuchttextilien. In: Coating International. Band 5, 2012, S. 5.
  • Moritz Graf zu Eulenburg: Leuchttextilien durch simultane Mehrfachbeschichtung. In: Textilveredelung. Band 3/4, 2012, S. 13.