Caspar Matthias Rodde

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Caspar Matthias Rodde, auch Kaspar Matthias Rodde (* 26. Augustjul. / 5. September 1689greg. in Narwa; † 5. Junijul. / 16. Juni 1743greg. ebenda)[1] war ein deutsch-baltischer evangelisch-lutherischer Geistlicher.

Caspar Matthias Rodde entstammte dem in Narwa ansässigen Zweig der Lübecker Kaufmannsfamilie Rodde. Er war ein Sohn des Kaufmanns und Ältermanns Johann Rodde und dessen Frau Elisabeth, geb. Poorten. Beide Eltern starben früh. Als Fünfzehnjähriger überlebte er die Belagerung und das Massaker von Narva 1704 im Großen Nordischen Krieg. Von 1704 bis 1708 wurde er von Pastor Heinrich Brüningk unterrichtet. 1708 wurde er mit anderen Einwohnern nach Wologda deportiert. 1711 kam er nach Moskau in das Haus des Vorstehers der dortigen deutschen lutherischen Gemeinde, des in Halle ausgebildeten Unternehmers Peter Müller, wo er dessen Kinder unterrichtete.

Rodde gehörte zu einer Gruppe von russischen Untertanen, die 1716 von Peter I. auf Einladung von August Hermann Francke zum Studium nach Halle an der Saale geschickt wurden.[2] In Halle schloss er sich dem Theologen und Slawisten Heinrich Milde (1676–1739) an; er beteiligte sich auch am Collegium Orientale Theologicum und lernte Arabisch bei Solomon Negri.[3] Er selber gab seinen Mitstudenten, darunter Johann Heinrich Callenberg, Unterricht in russischer Sprache.

Nach Abschluss seiner Studien erhielt er 1719 die Berufung zum Cabinettprediger des russischen Generals Adam Adamowitsch Weide. Daraufhin wurde er im Juli 1719 in Magdeburg von Joachim Justus Breithaupt examiniert und ordiniert. Über Lübeck und Reval kam er nach St. Petersburg. Nach nur einem halben Jahr starb der General.

Die Johanniskirche in Narwa (Anfang 20. Jahrhundert)

Rodde wurde vom Magistrat der Stadt Narwa zum Pastor der deutschsprachigen lutherischen Gemeinde berufen und blieb hier bis an sein Lebensende. Ende 1732 erhielt seine Gemeinde die seit 1708 leerstehende Johannis-Kirche zugesprochen (zerstört 1944). Nach einer Renovierung konnte Rodde sie 1734 wieder einweihen.[4]

Geprägt vom Halleschen Pietismus, entwickelte Rodde eine reiche Tätigkeit als Pastor, Übersetzer und Multiplikator. Er war Teil eines pietistischen Netzwerks im Russischen Reich und stand auch mit Vertretern der orthodoxen Kirche wie Theophan Prokopowitsch und Simon Kochanovskij in freundschaftlichem Kontakt. Zu seinen Übersetzungen ins Russische zählten der Kleine Katechismus Luthers, Johann Arndts Vier Bücher Von wahrem Christentum (nicht fertiggestellt) und Franckes Anfang der christlichen Lehre. 1729 wurde er korrespondierendes Mitglied der Londoner Society for Promoting Christian Knowledge (SPCK). Von ihr erhielt er Bibeln und Traktate in russischer Sprache sowie auch in arabischer Sprache für persische Kriegsgefangene aus dem Russisch-Persischen Krieg (1722–1723) in Russland. Rodde wurde zum wichtigsten Verbindungsglied der SPCK mit dem Russischen Reich.[5] Im Gegensatz zu anderen Pastoren in den Ostseegouvernements war er Vertretern der Herrnhuter Brüdergemeine gegenüber aufgeschlossen und freundlich. 1734 erhielt er das ehrenvolle Angebot, Bischof der lutherischen Kirche von Ingermanland zu werden, lehnte diese Berufung aber mit Rücksicht auf seine Gesundheit ab.[6]

In Narva bemühte sich Rodde um den Ausbau des Schulwesens. In der Schul- und Kirchenbibliothek von Narwa, die heute in der Estnischen Nationalbibliothek verwahrt wird, sind einige Werke aus seiner Bibliothek erhalten.[7] Seine reichhaltige Privatbibliothek wurde nach seinem Tod versteigert. Von seiner umfangreichen Korrespondenz ist außer in Halle nichts erhalten geblieben.

Caspar Matthias Rodde war dreimal verheiratet: zunächst ab 1721 mit Eva Maria Goette († 1727), dann mit Anna Elisabeth Kettlewel († 1734) und zuletzt mit Lucie Herbers. Jacob Rodde (1725–1789)[8], der als Sekretär des Rates und Übersetzer in Riga wirkte und eine russische Sprachlehre verfasste, war ein Sohn seines engen Verwandten (Cousin?) Caspar Adolf Rodde (1680–1731).[9]

  • Lebensbeschreibung Herrn Caspar Matthias Roddens, in: Acta historico ecclesiastica, oder gesammelte Nachrichten und Urkunden zu der Kirchengeschichte unserer Zeit. Band 3/1, Weimar: Hofmann 1753, S. 83–90
  • Michail Fundaminski: Caspar Matthias Rodde als Übersetzer und Verbindungsmann zwischen Halle und Rußland. In: Rainer Lächele (Hrsg.): Das Echo Halles: Kulturelle Wirkungen des Pietismus Tübingen: Bibliotheca Academica 2001, S. 359–374
  • Michail Fundaminski: The Communications Network of Halle Pietists in Russia. In: Pieter N. Holtrop, C. H. Slechte: Foreign Churches in St. Petersburg and Their Archives: 1703 - 1917. (= Brill's Series in Church History 29) Leiden: Brill 2007, ISBN 978-90-04-16260-0, S. (Digitalisat)

Einzelnachweise

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  1. Lebensdaten nach der zeitnahen Lebensbeschreibung Herrn Caspar Matthias Roddens, in: Acta historico ecclesiastica, oder gesammelte Nachrichten und Urkunden zu der Kirchengeschichte unserer Zeit. Band 3/1, Weimar: Hofmann 1753, S. 83–90; Baltische Historische Kommission (Hrsg.): Eintrag zu Rodde, Kaspar Matthias (1689-1743). In: BBLD – Baltisches biografisches Lexikon digital hat abweichend „* 1689-06-28 Narva; + 1743-06-09 ebd.“
  2. Michail Fundaminski: The Communications Network of Halle Pietists in Russi. In: Pieter N. Holtrop, C. H. Slechte: Foreign Churches in St. Petersburg and Their Archives: 1703 - 1917. (= Brill's Series in Church History 29) Leiden: Brill 2007, ISBN 978-90-04-16260-0, S. 119 (Digitalisat)
  3. Zu diesem siehe John-Paul A. Ghobrial: The Life and Hard Times of Solomon Negri: An Arabic Teacher in Early Modern Europe. In: The Teaching and Learning of Arabic in Early Modern Europe. 2017, S. 310–332 JSTOR
  4. The Church of St. John, Narva Museum, abgerufen am 20. Juni 2024
  5. became the Society's key link with Russia, Daniel L. Brunner: Halle Pietists in England: Anthony William Boehm and the Society for Promoting Christian Knowledge. (= Arbeiten zur Geschichte des Pietismus 29) Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1993, ISBN 9783525558133, S. 161
  6. So nach der Anmerkung in der Lebensbeschreibung Herrn Caspar Matthias Roddens, in: Acta historico ecclesiastica, oder gesammelte Nachrichten und Urkunden zu der Kirchengeschichte unserer Zeit. Band 3/1, Weimar: Hofmann 1753, S. 83–90
  7. Sirje Lusmägi: Die Bücher der Kirchenbibliothek zu Narva in der Estnischen Nationalbibliothek. In: Klaus Garber, Martin Klöker (Hrsg.): Kulturgeschichte der baltischen Länder in der Frühen Neuzeit. Tübingen: Niemeyer 2003 doi:10.1515/9783110950816, S. 105–128, hier S. 117f
  8. GND 133469727
  9. So nach dem Eintrag in der Erik-Amburger-Datenbank