Folpet

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Strukturformel
Strukturformel von Folpet
Allgemeines
Name Folpet
Andere Namen

N-(Trichlormethylthio)phthalimid

Summenformel C9H4Cl3NO2S
Kurzbeschreibung

weißer bis gelblicher Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 133-07-3
EG-Nummer 205-088-6
ECHA-InfoCard 100.004.627
PubChem 8607
ChemSpider 8288
Wikidata Q426485
Eigenschaften
Molare Masse 296,56 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

1,72 g·cm−3[1]

Schmelzpunkt

177 °C (Zersetzung)[1]

Dampfdruck

0,0013 Pa (20 °C)[2]

Löslichkeit
Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung aus Verordnung (EG) Nr. 1272/2008 (CLP),[4] ggf. erweitert[1]
Gefahrensymbol Gefahrensymbol Gefahrensymbol

Achtung

H- und P-Sätze H: 317​‐​319​‐​332​‐​351​‐​400
P: 201​‐​261​‐​273​‐​280​‐​304+340+312​‐​391[1]
Toxikologische Daten
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet.
Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen (0 °C, 1000 hPa).

Folpet ist ein Wirkstoff zum Pflanzenschutz und eine chemische Verbindung aus der Gruppe der Phthalimide, Sulfenamide und organischen Chlorverbindungen.

Gewinnung und Darstellung

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Folpet kann durch Reaktion von Trichlormethansulfenylchlorid (Perchlormethylmercaptan) mit dem Natriumsalz von Phthalimid in einem kalten wässrigen System oder mit Kaliumphthalimid in organischen Lösungsmitteln hergestellt werden.[3]

Folpet ist ein brennbarer, nicht flüchtiger, weißer bis gelblicher Feststoff, welcher praktisch unlöslich in Wasser ist.[1]

Verwendung und Zulassung

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Folpet wird als Fungizid in Pflanzenschutzmitteln verwendet.[1] In Deutschland, Österreich und der Schweiz sind Pflanzenschutzmittel mit diesem Wirkstoff zugelassen, meist gegen Pilzkrankheiten im Weinbau (z. B. Folpan).[5]

Folpet ist in der EU seit 2015 als Biozid der Produktart 6 genehmigt.[6] Es kommt zum Beispiel bei der Konservierung von Farben zum Einsatz. Außerdem wurde es für die Produktarten 7 (Beschichtungsschutzmittel) und 9 (Schutzmittel für Fasern, Leder, Gummi und polymerisierte Materialien) genehmigt.[7][8]

Folpet ist vermutlich karzinogen. Aus Gründen der Anwendersicherheit (Einatmen von Staub beim Einfüllen) wurde 1986 die Zulassung nicht verlängert[9] und Folpet erst deutlich später als Wasserdispergierbares Granulat (WDG) wieder zugelassen.

20-fache Erhöhung der zulässigen Rückstandshöchstmenge im Obstanbau

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Ursprünglich waren Pflanzenschutzmittel mit dem Wirkstoff Folpet gemäß der europäischen Pflanzenschutzmittelverordnung in Deutschland nur zur Anwendung im Hopfen- und im Weinbau erlaubt.[10] Wurden diese Mittel im Weinbau eingesetzt, durften die behandelten Trauben gemäß der europäischen Verordnung über Höchstgehalte an Pestizidrückständen maximal einen Rückstand von 0,3 Milligramm Folpet pro Kilogramm Kernobst enthalten.[11]

Im Sommer 2024 stellte die Bundesfachgruppe Obstbau, die berufsständische Vertretung der deutschen Erwerbsobstbauern, den Antrag auf Erlass einer sogenannten Notfallzulassung, da sie die Kernobst-, vor allem die Apfelernte in der Bodensee-Region bedroht sah. Aufgrund langanhaltender Regenfälle hatten sich hier die Sporen des Apfel-Schorfpilzes Venturia inaequalis stark verbreitet. Er kann auf dem Obst leicht gewölbte, dunkelgrüne oder braune Flecken hervorrufen. Diese können rissig werden, was dann zu einer Verringerung der Lagerdauer des Obsts führt.

Grundsätzlich kann dieser Pilzbefall auch mit dem Wirkstoff Captan bekämpft werden. In der Bodenseeregion ist dies aber nur so lange möglich, wie sichergestellt werden kann, dass dieses Mittel nicht auf benachbarte Hopfenfelder abdriftet. Dies würde den Export des Hopfens in all jene Länder gefährden, die hinsichtlich des Captans eine Nulltoleranz-Schwelle eingeführt haben. Zu diesen Ländern zählen unter anderem die wichtigen Exportnationen USA und Japan.

Das zuständige BVL kam dem Antrag nach und erteilte die beantragte Notfallzulassung. Aufgrund derselben durften Kernobstbetriebe in den Landkreisen Bodenseekreis, Ravensburg und Lindau vom 18. Juli 2024 bis 14. November 2024 6.750 kg Folpet auf einer Fläche von 1.500 ha ausbringen.[12]

Da das Mittel damit in großer bis sehr großer zeitlicher Nähe zur Obsternte ausgebracht werden durfte, war von vornherein zu erwarten gewesen, dass das hier geerntete Obst weit mehr Folpet enthalten würde, als nach der Europäischen Rückstandshöchstmengen-Verordnung erlaubt. Um die Verkehrsfähigkeit des Obstes, zumindest innerhalb Deutschlands, dennoch sicherzustellen, wurde daher zugleich eine nationale Erhöhung der zulässigen Rückstandshöchstmenge Folpet in Kernobst beantragt. Auch diesem Antrag kamen die zuständigen Behörden nach und erhöhten den maximal zulässigen Rückstandshöchstgehalt an Folpet auf 6 Milligramm pro Kilogramm Kernobst.

Bereits die Ankündigung dieser zwanzigfachen Erhöhung des maximalen Grenzwerts rief massive Kritik von Umweltverbänden hervor. So sprach sich etwa der BUND bereits bei Vorlage des Verordnungs-Entwurfs „aufs Schärfste“ gegen die Erteilung der Notfallzulassung aus. Er verwies darauf, dass das Mittel nicht nur für Menschen, sondern auch für zahlreiche weitere Organismen gefährlich sei, wohingegen der Verzehr von verschorftem Obst keineswegs gefährlich, sondern nur eine ästhetische Beeinträchtigung sei. Die massive Grenzwerterhöhung sei „katastrophal für Verbraucher*innen, die Biodiversität in der Region und auch für die Obstbäuer*innen“; auch sei sie „vertrauensschädigend für Verbraucher*innen, denn gerade Äpfel sind ein Symbol für gesunde Ernährung und werden auch intensiv von Kindern konsumiert“.[13] Im Übrigen forderte er: „Notfallzulassungen und Grenzwerterhöhungen für gefährliche Pestizide müssen gestoppt werden“.[14]

Das Umweltinstitut München bemängelte, Pestizid-Notfallzulassungen könnten keinesfalls die richtige Antwort auf die Klimakrise darstellen, aufgrund derer zukünftig noch weitaus häufiger mit der Verbreitung von Schadorganismen zu rechnen sei. Es wies ferner darauf hin, dass der Wirkstoff Folpet sehr giftig für Wasserorganismen sei und nicht nur im Verdacht stehe, Krebs zu erzeugen, sondern dass er ausserdem neurotoxisch sei und die Parkinson-Krankheit auslösen könne. Es kritisierte, dass mit dieser Zulassung fragwürdige Prioritäten in der konventionellen Landwirtschaft und im Handel gesetzt würden.[15]

Am 16. August 2024 erhöhte das BVL den maximal zulässigen Rückstandshöchstgehalt an Folpet im Wege einer nationalen Ausnahmeverordnung auf 6 Milligramm pro Kilogramm Kernobst.[16] Da der europäische Grenzwert weiterhin bei 0,3 Milligramm Folpet pro Kilogramm Kernobst lag, war deutsches Kernobst mit höheren Rückstandsmengen auf dem europäischen Markt ausserhalb Deutschlands nicht verkehrsfähig.

In der Presse wurde daraufhin über „giftige Schneewittchen-Äpfel“ aus der Bodensee-Region berichtet.[17][18][19][20]

Diese Darstellungen wurden von den Obstbauern der Region als überzogen und falsch zurückgewiesen. Sie kritisierten auch bereits die Darstellungen der Umweltverbände als übertrieben.[21]

Kurz nach Erteilung der Notfallzulassung teilte die Arbeitsgemeinschaft der Erzeugerorganisationen und Obstbauvereine am Bodensee mit, Folpet werde nun doch nicht im ursprünglich beabsichtigten Umfang eingesetzt. Einerseits hätten die Regenfälle nachgelassen, die Pilzbehandlung sei daher nicht mehr so dringend. Andererseits hätten verschiedene Großkunden die Abnahme der Äpfel mit dem deutlich erhöhten Pestizidrückstand abgelehnt.[22]

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g h i j k Eintrag zu Folpet in der GESTIS-Stoffdatenbank des IFA, abgerufen am 20. Januar 2022. (JavaScript erforderlich)
  2. Donald Mackay, Wan Ying Shiu, Kuo-Ching Ma, Sum Chi Lee: Handbook of physical-chemical properties and environmental fate for organic chemicals, Vol. IV, 2nd Edition, CRC Press, 2006, ISBN 978-1-56670-687-2, S. 4065.
  3. a b Eintrag zu Folpet in der Hazardous Substances Data Bank (via PubChem), abgerufen am 27. Juli 2012.
  4. Eintrag zu N-(trichloromethylthio)phthalimide im Classification and Labelling Inventory der Europäischen Chemikalienagentur (ECHA), abgerufen am 1. Februar 2016. Hersteller bzw. Inverkehrbringer können die harmonisierte Einstufung und Kennzeichnung erweitern.
  5. Generaldirektion Gesundheit und Lebensmittelsicherheit der Europäischen Kommission: Eintrag zu Folpet in der EU-Pestiziddatenbank; Eintrag in den nationalen Pflanzenschutzmittelverzeichnissen der Schweiz, Österreichs (Eingabe von „Folpet“ im Feld „Wirkstoff“) und Deutschlands, abgerufen am 12. März 2016.
  6. Durchführungsverordnung (EU) 2015/1757 der Kommission vom 28. September 2015 zur Genehmigung von Folpet als Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktart 6
  7. Durchführungsverordnung (EU) 2015/1758 der Kommission vom 28. September 2015 zur Genehmigung von Folpet als alter Wirkstoff zur Verwendung in Biozidprodukten der Produktarten 7 und 9
  8. Information on biocides. ECHA, abgerufen im Jahr 2023.
  9. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Frau Hönes, Werner (Dierstorf) und der Fraktion DIE GRÜNEN – Drucksache 10/5953 – Nichtverlängerung der Zulassung von 36 Pflanzenschutzmitteln mit den Wirkstoffen Captan, Captafol und Folpet (22. September 1986).
  10. EU Pesticides database. EU, abgerufen im Jahr 2024.
  11. Verordnung (EG) Nr. 396/2005 über Höchstgehalte an Pestizidrückständen in oder auf Lebens- und Futtermitteln pflanzlichen und tierischen Ursprungs
  12. Notfallzulassung des BVL
  13. BUND Stellungnahme. BUND, abgerufen im Jahr 2024.
  14. Giftige Äpfel. BUND, abgerufen im Jahr 2024.
  15. Bodensee-Äpfel: Grenzwert des Pestizids Folpet massiv erhöht. Umweltinstitut München, abgerufen im Jahr 2024.
  16. Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt
  17. Das müssen Sie über die giftigen „Schneewittchen-Äpfel“ wissen. Focus, abgerufen im Jahr 2024.
  18. Dringende Warnung vor „Schneewittchen-Äpfeln“ – Was steckt dahinter? HNA, abgerufen im Jahr 2024.
  19. Warnung vor „Schneewittchen-Äpfeln“ – und was Bier damit zu tun hat. Stuttgarter Zeitung, abgerufen im Jahr 2024.
  20. 20fach höhere Pestizidwerte Krebs und Parkinson durch „Schneewittchen-Äpfel“? Organisationen warnen vor Obst aus Süddeutschland. nordbayern, abgerufen im Jahr 2024.
  21. Wieder Ärger um Bodensee-Äpfel: „Außen schick, innen giftig“. Schwäbische, abgerufen im Jahr 2024.
  22. Bodensee-Äpfel: Grenzwert des Pestizids Folpet massiv erhöht. Umweltinstitut München, abgerufen im Jahr 2024.