Der Wahlkreis war stark industrialisiert und eine Parteihochburg der SPD Reuß älterer Linie. Er gehörte zu den Reichstagswahlkreisen mit den wenigsten Wählern.
Wilhelm Blos gewann sowohl den Wahlkreis Braunschweig-Stadt als auch den Wahlkreis Reuß älterer Linie. Er nahm das Mandat in Braunschweig an. Am 27. Dezember 1884 fand die Nachwahl wegen der Nichtannahme von Wilhelm Blos statt:
Bei der Reichstagswahl 1890 einigten sich die Kartellparteien (NLP und Konservative) auf einen Wahlkreiskandidaten der DRP, den Buchdruckereibesitzer Otto Henning. Es kam dennoch zu einer Spaltung des bürgerlichen Lagers, das die "Landeszeitungspartei" den Kammergutspächter Moritz Werner als Kandidaten aufstellte. Es fand nur ein Wahlgang (20. Februar 1890) statt. Die Zahl der abgegebenen Stimmen betrug 11.496, die Wahlbeteiligung 83,8 %. 11.456 Stimmen waren gültig.
Die NLP wollte als Kandidaten den Kaufmann Weinmann aufstellen, konnte sich bei den Verhandlungen der Kartellparteien aber nicht durchsetzten. Kompromisskandidat wurde der Landgerichtspräsident Hofmann. Es fand nur ein Wahlgang (15. Juni 1893) statt. Die Zahl der abgegebenen Stimmen betrug 10.711, die Wahlbeteiligung 76,5 %. 10.682 Stimmen waren gültig.
Die Kartellparteien einigten sich erneut auf Heinrich Hofmann als Kandidaten. Gegen den Willen des nationalliberalen Wahlkreisvereins kandidierte das NLP-Mitglied Löbich; diese Kandidatur blieb aber bedeutungslos. Auf der agrar-antisemitischen Seite einigten sich die Christlich Soziale Partei, die Deutsch Soziale Reformpartei und der Bund der Landwirte auf die Kandidatur von Franz Wagner (CS). Es fand nur ein Wahlgang (16. Juni 1898) statt. Die Zahl der abgegebenen Stimmen betrug 11.546, die Wahlbeteiligung 77,0 %. 11.500 Stimmen waren gültig.
Julius Arnold wurde bei der Reichstagswahl 1903 von NLP, Konservativen, FVP, DS und dem BdL unterstützt, konnte das Mandat aber dennoch nicht erobern. Es fand nur ein Wahlgang (16. Juni 1903) statt. Die Zahl der abgegebenen Stimmen betrug 13.626, die Wahlbeteiligung 89,4 %. 13.550 Stimmen waren gültig.
Auch bei der Reichstagswahl 1907 einigten sich alle Parteien außer der SPD auf einen "regierungsfreundlichen" Kandidaten. Dieser konnte sich in der aufgeheizten Stimmung der "Hottentottenwahlen" auch bei Rekordwahlbeteiligung durchsetzen. Es fand nur ein Wahlgang (25. Januar 1907) statt. Die Zahl der abgegebenen Stimmen betrug 15.035, die Wahlbeteiligung 95,1 %. 14.938 Stimmen waren gültig.
Bei der Reichstagswahl 1912 sollte Erich Burchardt der gemeinsame Kandidat der liberalen und konservativen Parteien werden. Allerdings hatten NLP und VoVP ein übergeordnetes Wahlabkommen für Thüringen geschlossen, demnach die FoVP im Wahlkreis 371 auf eine Sonderkandidatur verzichten wollte und dafür die Kandidatur hier erhalten sollte. Daher hielt die FoVP an ihrem Kandidaten Walther Matheus fest. Es fand nur ein Wahlgang (12. Januar 1912) statt. Die Zahl der abgegebenen Stimmen betrug 16.765, die Wahlbeteiligung 94,0 %. 16.677 Stimmen waren gültig.
Kandidat
Partei
Stimmen
in %
Anmerkungen
Karl Hermann Förster
SPD
8537
54,5
0
Erich Burchardt
NLP
3802
24,3
Greizer Gymnasialprofessor als Vertreter des Vaterländischen Vereins
Nach dem Tod von Karl Hermann Förster war eine Nachwahl notwendig. Das früherer Bündnis aus Liberalen und Konservativen endete. National- und Linksliberale einigten sich auf den späteren Reichskanzler Stresemann, die Konservativen, der Bund der Landwirte und die DSP unterstützen den Antisemiten Lattmann. Es fand nur ein Wahlgang (19. Dezember 1912) statt.
Christian Espig: Die "Soziale Morphologie" als methodischer Zugang einer lokalen Religionswissenschaft am Beispiel des Fürstentums Reuß ä.L., Diss. 2016, S. 162 ff., Digitalisat
Carl-Wilhelm Reibel: Handbuch der Reichstagswahlen 1890–1918, 2. Halbband, 2007, ISBN 978-3-7700-5284-4, S. 1467–1470.