Samaneh Atef

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Samaneh Atef (persisch سمانه عاطف; * 1989 in Bandar Abbas) ist eine iranische autodidaktische Künstlerin, deren Werk sich der Art brut zurechnen lässt.

Samaneh Atef wurde 1989 in Bandar Abbas geboren und wuchs mit drei Geschwistern auf. Als Kind litt sie unter den häufigen Ortswechseln[1] und Abwesenheiten ihres Vaters, der Offizier der Marine war. Obwohl sie Kunst studieren oder eine Ausbildung zur Grafikerin machen wollte, studierte sie den Erwartungen ihrer Familie folgend ab 2009 in Lahidschan an der Islamischen Azad-Universität Lāhīdschān Informatik, gab daneben Computerunterricht, um finanziell unabhängig zu werden und zeichnete viel. Ihr Leben war von den Einschränkungen, denen Frauen im Iran unterliegen, geprägt und nachdem eine Liebesbeziehung an den kulturellen Konventionen ihres Umfelds gescheitert war und ein naher Freund Suizid beging, entwickelte sie Depressionen,[2] Ängste, Gefühle der Einsamkeit und Isolation und chronische, unbestimmte körperliche Schmerzen, hörte aber nie auf zu zeichnen.[3] Sie drückte damit ihre Gefühle, aber auch Kritik an der iranischen Gesellschaft und der Rolle der Frau aus.[4] Nach Abschluss des Studiums in „Software Technology Engineering“ arbeitete sie als Informatikerin[5] und widmete sich ab etwa 2014/2015 ernsthaft der Malerei.[6]

Ihre Bilder verbreitete Samaneh Atef über das Internet, was ihr Zugang zu Ausstellungen im Ausland eröffnete. 2016 reiste sie erstmals aus dem Iran aus, um an einer Ausstellung im Museum für naive und marginale Kunst (MNMA) in Serbien teilzunehmen. Da der Inhalt und die Themen ihrer Bilder den religiösen und ideologischen Konformitätszwängen im Iran zuwiderliefen, verließ Samaneh Atef im Februar 2020 mit einem Stipendium der Hilfsorganisation Artists at Risk Connection (ARC) ihren Wohnort Astane-ye Aschrafiye[3] und ging nach Frankreich.[7][8] ARC ist ein Projekt von PEN America, das gefährdeten Künstlern hilft und die Netzwerke und Organisationen stärkt, die sie unterstützen. Die Gemeinde von Lyon stellte ihr durch ein Jahresstipendium als Artist in Residence ein Atelier in der Künstlergemeinschaft „Le Grand Large“ in der Region Auvergne-Rhône-Alpes zur Verfügung[6] und kaufte mehrere ihrer Werke für die städtische Sammlung.[5] Auch in Frankreich fiel es ihr schwer, die „tief verwurzelte Denkweise der Notwendigkeit der Selbstzensur aufzugeben“.[2][4][9]

Zur documenta fifteen war Samaneh Atef 2022 für das Podiumsgespräch „Dissident Artists in Exile“ des Instituto de Artivismo Hannah Arendt eingeladen.[10]

In ihren Werken konzentriert sich Samaneh Atef „auf Frauen – ihr Leben, ihre Erfahrungen, ihre Stärke“[4] und thematisiert „Unterdrückung, Selbst-Entfremdung, Leid, Folter und Tod der Frauen im Iran“.[5] Neben den Frauengestalten ist ein Pfirsichbaum, der in ihrer Kindheit vor ihrem Fenster stand, ein wiederkehrendes Motiv in ihren Bildern.[5] In ihren Bildern finden sich einige der formalen Elemente der persischen oder iranischen Kunst „mit dekorativen Mustern, Ornamenten, fast versteckten Figurengruppen und einer großen weiblichen Figur als Hauptmotiv“.[1] Ihre Arbeiten tragen Titel wie „Aufstehen“, „Die Welt ohne einander“, „Ein Teil von mir“, „Meine ganze Geschichte begann mit meinem Körper!“, „Es gibt keine Geschichte mehr zu erzählen“ oder „Ich gehe weg, Aber ich werde nicht gehen, ohne mich zu verabschieden“.[11]

Obwohl sie unterschiedliche Materialien und Techniken verwendet, benutzt sie für den Großteil ihrer Arbeiten verschiedene Zeichenstifte, von Bleistift und Tinte bis hin zu Farb- und Filzstiften, Finelinern und Markern auf Papier und Leinwand.[1][4][6] Manche ihrer Werke sind mit Chinatusche oder Wasserfarben auf Landkarten gezeichnet und gemalt.[11]

Auszeichnungen und Stipendien

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  • 2024: Gewinn des Kunstpreises Euward 9[12]
  • 2022: Atelierstipendium in „Le Grand Large“, Lyon
  • 2021: Residenzstipendium bei URDLA, Villeurbanne
  • 2019: Hauptpreis der Jury, 52. Internationales Treffen autodidaktischer Künstler, Trebnje, Slowenien[1]

Um 2014 oder 2015 wandte Samaneh Atef sich nach Ermutigung durch einen befreundeten Dozenten der Kunsthochschule verstärkt der Malerei zu[13] und nahm in Folge an unterschiedlichen Ausstellungen teil, wie etwa in einer Einzelausstellung in der Galerie Polysémie in Marseille 2016/2017, den Internationalen Treffen autodidaktischer Künstler im slowenischen Trebnje in den Jahren 2017, 2019 und 2020[1] und mehreren Outsider Art Fairs in Paris 2019 und 2020 sowie 2022 in New York. Im Jahr 2021 widmete ihr das serbische Museum für naive und marginale Kunst MNMA („Muzej naivne i marginalne umetnosti“, „Музеј наивне и маргиналне уметности у Јагодини“) in Jagodina eine Einzelausstellung.[5] 2023 zeigte das Open art museum in St. Gallen mit Outsider Art unter dem Halbmond eine Ausstellung von Kunst aus islamisch geprägten Ländern mit einem Schwerpunkt auf die Werke Samaneh Atefs.[14]

Im Jahr 2024 wurde Samaneh Atef mit dem Euward ausgezeichnet. Das Haus der Kunst in München zeigte ab Mitte Mai für zwei Monate in der Ausstellung „Samaneh Atef, Belén Sánchez, Desmond Tjonakoy. euward9“ Werke der Preisträgerinnen und Preisträger sowie der weiteren 16 Finalistinnen und Finalisten als Bestandteil des regulären Jahresprogramms.[15]

Auswahl:

  • 2024: Samaneh Atef. Théâtre Jacques Carat, Cachan[16]
  • 2024: Euward 9. Haus der Kunst, München[17][18]
  • 2023: Outsider Art unter dem Halbmond. Open art museum, St. Gallen[19]
  • 2021: Museum für naive und marginale Kunst (MNMA), Jagodina, Serbien
  • 2021: Zavedanje – Awareness. „Galerija likovnih samorastnikov Trebnje“ im „Center za izobraževanje in kulturo Trebnje“ (CIK Trebnje), Trebnje, Slowenien[1]
  • 2020: Sexual Personae. Outsider Art Fair, Paris
  • 2017: supernatural. Messe- und Veranstaltungsgelände „Parc Chanot“, Marseille
  • 2017: Copenhagen Outsider Art Gallery, Kopenhagen
  • 2017: 50. Internationales Treffen autodidaktischer Künstler. „Galerija likovnih samorastnikov Trebnje“ im „Center za izobraževanje in kulturo Trebnje“ (CIK Trebnje), Trebnje
  • 2017/2018: Grand Baz'art: festival international d’art marginal, Gisors, Bézu-Saint-Éloi
  • 2018: Palatul culturii Iași (Kulturpalast Iași), Iași, Rumänien
  • 2017: Museum van de Geest, Het Dolhuys Museum, Haarlem
  • 2016: Copenhagen Outsider Art Galerie, Kopenhagen
  • 2016: Museum für naive und marginale Kunst (MNMA), Jagodina, Serbien[1][13]
  • Samaneh Atef – 1. Preisträgerin. In: Augustinum Stiftung München, Klaus Mecherlein (Hrsg.): Euward 9. Band 2. Augustinum Stiftung, München 2024, ISBN 978-3-9823046-8-7 (72 S., Ausstellungskatalog).
  • Monika Jagfeld (Hrsg.): Outsider art unter dem Halbmond: Outsider art under the crescent moon. Verlag Open Art Museum, Stiftung für schweizerische Naive Kunst und Art Brut, St. Gallen 2023 (Ausstellungskatalog).
  • Andrejka Vabič Nose: Samaneh Atef. Zavedanje – Awareness. Hrsg.: Center za izobraževanje in kulturo, Galerija likovnih samorastnikov. Trebnje 2021, ISBN 978-961-6841-21-4 (slowenisch, 36 S., Ausstellungskatalog).

Einzelnachweise

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  1. a b c d e f g Andrejka Vabič Nose: Samaneh Atef. Zavedanje – Awareness. Center za izobraževanje in kulturo, Galerija likovnih samorastnikov (Hrsg.), Trebnje 2021
  2. a b Presstexts for the exhibition: Outsider Art under the Crescent Moon. In: Open art museum. Abgerufen am 27. Juli 2024
  3. a b Colin Rhodes: Injured Spirits. In: Raw Vision, Frühjahr 2020, Ausgabe 105, S. 72–77. Abgerufen am 22. Juli 2024
  4. a b c d Artists at Risk Connection (ARC): Samaneh Atef. In: Art Is Power: 20 Artists on How They Fight for Justice and Inspire Change. PEN America, 2023, S. 53–57
  5. a b c d e Klaus Mecherlein: Euward 9. Samaneh Atef. S. 5–9
  6. a b c Samaneh Atef exhibition. In: La biennale de lyon. Abgerufen am 23. Juli 2024
  7. Johann Pailloux, Murielle Dreux: Portrait. L’artiste iranienne Samaneh Atef a choisi la France pour continuer à peindre. In: France 3 vom 1. Februar 2023. Abgerufen am 30. Juli 2024
  8. Gareth Harris, Emma Shapiro: The rising tide of censorship. In: The Art Newspaper vom 1. März 2024, Ausgabe XXXII, Nr. 36, S. 16
  9. Cyrille Noirjean: Samaneh Atef, art brut ?. In: URDLA vom 6. Mai 2021. Abgerufen am 23. Juli 2024
  10. Dissident Artists in Exile. In: documenta fifteen. Abgerufen am 23. Juli 2024
  11. a b Klaus Mecherlein: Euward 9. Samaneh Atef. S. 68–69
  12. Die Preisträger*innen des euward9 (2024). In: Euward. Abgerufen am 21. Juli 2024
  13. a b Samaneh Atef. In: Le Grand Large. Abgerufen am 21. Juli 2024
  14. Christina Genova: Open Art Museum St.Gallen zeigt Outsider Art unter dem Halbmond. In: St. Galler Tagblatt vom 4. April 2023. Abgerufen am 23. Juli 2024
  15. Joachim Rodriguez y Romero: euward9 – Haus der Kunst in München stellt Preisträger*innen aus. In: Kunstplaza vom 8. Mai 2024. Abgerufen am 21. Juli 2024
  16. Samaneh Atef: un art brut et une parole libre. In: Stadt Cachan vom 8. April 2024. Abgerufen am 24. Juli 2024
  17. Samaneh Atef, Belén Sánchez, Desmond Tjonakoy. euward9. In: Haus der Kunst. Abgerufen am 21. Juli 2024
  18. Tobias Krone: Der Blick von Künstlern mit geistigen Beeinträchtigungen. In: Deutschlandfunk Kultur: Fazit vom 18. Mai 2024 (5:44 Minuten). Abgerufen am 21. Juli 2024
  19. Outsider Art under the Crescent Moon In: Open art museum. Abgerufen am 21. Juli 2024