Wikipedia:Mentorenprogramm/Treffen/2016/Hamburger Protokoll

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Am 21. und 22. Mai 2016 fand das Treffen des Wikipedia-Mentorenprogramms (MP) statt. Anwesend im Wikipedia Kontor Hamburg waren sechs, zeitweilig sieben Mentoren. Die Anwesenden sprachen in menschlich entspannter Atmosphäre konzentriert darüber, welchen Problemen sie als Mentoren begegnen. Ich habe mir Notizen gemacht, anhand derer ich folgendes Protokoll geschrieben habe. Mit Zustimmung der Anwesenden gibt der Bericht Gedanken und Erkenntnisse wieder, ohne den jeweiligen Urheber zu nennen. Z. (Diskussion) 15:50, 24. Mai 2016 (CEST)[Beantworten]

Ziele, Motive, Erfolg des MP

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Ursprünglich sollte das MP Neulinge an die Wikipedia heranführen und dauerhaftes Bearbeiten fördern. Stichwort: „Autorengewinnung“. Bei den allermeisten Mentees aber kommt es nicht dazu. Sie sind „Eintagsfliegen“ und haben ihr Konto nur angelegt, weil sie einen einzigen Artikel erstellen wollen.

Reinhard hat Zahlen vorbereitet, die vor allem die Anzahl der Mentees und der von ihnen erstellten Artikel in Beziehung zueinander bringt. Er relativierte die Aussagekraft allerdings, weil die Neuerstellung von Artikeln nicht die einzige mögliche Leistung ist, weil Artikel nicht immer wertvoll oder hochqualitativ sind (Fall eines extremen Stub-Erstellers, der in der Wikipedia viel Ärger verursacht hat), und vor allem, weil auch Artikel gezählt werden, die nach Beendigung des Mentorenverhältnisses erstellt wurden. Ein Artikel ist hier in der Statistik definiert mit: mindestens 250 Bytes und ein Link.

Wenn einzelne Ex-Mentees zu fleißigen Wikipedianern werden, verzerrt das die Statistik. Es ist außerdem eine interessante Frage, ob diese Personen auch dauerhafte Wikipedianer geworden wären, wenn es das MP nicht gegeben hätte. Befragungen wären sinnvoll, aber aufwändig. Ebenso hätten Problem-Wikipedianer wohl auch ohne das MP zur Wikipedia gefunden.

61 Prozent der Mentees haben keine Artikel angelegt, sie verursachen im MP allerdings auch eher wenig Aufwand. 21 Prozent haben nur einen Artikel angelegt. (Bei diesen gab es 2010 eine Spitze, jetzt hat es sich eingependelt.) Die Eintagsfliegen sind momentan etwa 10 pro Monat. Danach kommen in der Statistik diejenigen, die zwei angelegt haben. Wer mehr als zwei angelegt hat, bleibt am ehesten.

Man sieht auch eine richtige Zweiteilung anhand der Dauer der Mitarbeit. Die meisten sind weniger als 200 Tage lang aktiv in der Wikipedia. Danach wird es relativ stabil.

Seit 2013 scheint die Zahl der Anfragen zurückzugehen, die Anzahl der Mentoren auch. Das könnte aber auch ein statistisches Rauschen sein. Die Vermutung, dass die Zahlen drastisch zurückgehen, lässt sich so nicht bestätigen.

Eine Hauptfrage des MP ist es also, welchen Input man für welchen Output investiert. Lohnt es sich, Zeit in eine Betreuung zu stecken, wenn nur ein einziger Artikel zustande kommt, auf den die Wikipedia meist nicht gerade gewartet hat? „Traurig, was insgesamt herauskommt“, sagte ein Mentor. Die wichtigen Wikipedia-Artikel sind ja sowieso alle schon geschrieben worden.

Jemand lässt seine letzten Mentees Revue passieren:

  • Hatte nur eine einzelne Frage.
  • Hat nur Einzeiler geschrieben.
  • Frage zu Bildern.
  • Wollte etwas erweitern und hat es dann liegen gelassen.
  • War mit eckigen Klammern überfordert.
  • Jemand mit Firmen-Interessen.

Welche Motive hat jemand, als Mentor aktiv zu sein? Eine Sammlung:

  • Die Wikipedia verbessern, indem neue Mitmacher gewonnen werden und neue Artikel entstehen
  • Die Offenheit der Wikipedia wird als Gut verstanden; das MP gewährleistet die Willkommenskultur ein Stück weit, selbst wenn kein neuer Inhalt entsteht
  • Menschen helfen („Helfersyndrom“), Anwalt und Schutzengel für andere sein
  • Anerkennung erhalten, von den Mentees oder von Wikipedianern für eine als ehrenhaft angesehene Tätigkeit. Es soll bei manchen sogar den Gedanken geben, die Mentorschaft sei ein Sprungbrett Richtung Adminwahl.
  • Erklärbär spielen, über sein Hobby Wikipedia reden
  • Soziale Kontakte knüpfen, gegen Einsamkeit
  • Selbst die Wikipedia besser kennenlernen

Es wurde übrigens festgestellt, dass teilweise von außen Erwartungen an das MP gestellt wurden, die kaum zu erfüllen sind. Manchmal schiebt das Support-Team Fälle an das MP ab. Die Sinnhaftigkeit müsste aber wohl im Einzelfall beurteilt werden. Einmal wurde ein Mentor gebeten, Gouvernante für einen Problem-Wikipedianer nach Aufhebung der Benutzersperre zu sein. Das MP muss da insgesamt aufpassen, dass es sich nicht übernimmt.

Vertrauen, Missbrauch und vor allem Eintagsfliegen

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Einige Menschen missbrauchen das Mentorenprogramm möglicherweise für den unauffälligen Einstieg ihrer Sockenpuppe

Eintagsfliegen sind Menschen, die nur einen einzigen Artikel erstellen wollen. (Der Ausdruck „Single-Purpose-Account“ oder „Einzweck-Konto“ ist nicht ganz deckungsgleich, er umfasst auch Troll- und Sockenpuppen-Verhalten.) Das Motiv dafür liegt außerhalb der Wikipedia: Sie wollen für etwas Reklame machen oder Aufmerksamkeit generieren, mit dem sie persönlich verbunden sind. Oftmals sind es Selbstdarsteller, die über sich selbst oder ihre Firma schreiben wollen. Andere haben weniger kommerzielle Interessen, sondern wollen zum Beispiel über ihren Großvater schreiben.

Ein Mentor schätzte, dass ein Drittel der Mentees kommt, weil ihnen ein Artikel gelöscht wurde. Der Grund war fehlende Relevanz des Unternehmens, der Person, der Website, des Produktes usw. Sie wollen, dass der Mentor das Problem löst und nach relevanzstiftenden Merkmalen sucht. Für die mangelnde Relevanz machen sie die böse, komplizierte oder vorurteilsbehaftete Wikipedia verantwortlich. Oftmals hat es außer der Löschdiskussion und Löschung schon eine Löschprüfung gegeben. Das verschweigen die Mentees zuweilen.

Gerade die Eintagsfliegen haben keine Lust, etwas dazuzulernen und sich mit den Wikipedia-Regeln oder der Software auseinanderzusetzen. Dann ist aber auch der eigentliche Sinn des MP nicht gegeben: Hilfe zur Selbsthilfe. Die Gefahr besteht dann, und in der Praxis sieht man es öfter, dass letztlich der Mentor den Artikel schreibt oder formatiert. Es ist unrealistisch, Eintagsfliegen zu dauerhafter Mitarbeit bewegen zu wollen.

Übrigens tauchen im Support-Team immer wieder Anfragen von Leuten auf, die wollen, dass „die Wikipedia“ einen Artikel für sie einstellt (einen Text formatiert und den Artikel technisch erstellt). Das macht man aber nicht, grundsätzlich und der Verantwortung wegen. Ein Mentor sagte, dass er zum Beispiel nie für Mentees einen Artikel erstellt oder etwas verschiebt.

Manche Mentoren wollen Eintagsfliegen gar nicht erst übernehmen. Sie sehen ihren persönlichen Erfolg darin, jemandem das Wikipedia-Schreiben nahegebracht zu haben, nicht, dass ein einzelner neuer Artikel entsteht. Andere Mentoren übernehmen die Fälle durchaus, vor allem, wenn das Thema sie interessiert.

Ein spezieller Punkt sind kommerzielle Interessen eines Selbstdarstellers. Oftmals schicken solche Eintagsfliegen einen schlechten, mit Werbesprache durchtränkten Text, der wohl aus bestehenden PR-Materialien zusammengezimmert wurde. Die anwesenden Mentoren grübelten, wer in den Unternehmen meistens dahintersteckt: ein ahnungsloser Praktikant, ein überforderter höherer Mitarbeiter? Auf eigene Initiative, auf Anweisung von oben? Die Hauptarbeit bleibe am Mentor hängen.

Ironie: Es heißt, die bezahlten Schreiber seien im Vorteil, weil sie mehr Zeit hätten. Offensichtlich haben die Firmen-Mitarbeiter aber wenig Zeit. Ein Mentor sagte ausdrücklich, dass er nicht kostenlos die PR-Abteilung eines kommerziellen Unternehmens unterstützen will. Davon abgesehen gäbe es auch vernünftige Beteiligung durch Firmen in der Wikipedia, etwa die Aktualisierung der Geschäftszahlen. Zu berücksichtigen sei übrigens: Großunternehmen haben oft eine PR-Abteilung oder Mitarbeiter, die die Wikipedia schon kennen. Kleine Mittelständler hingegen hätten da einen Wettbewerbsnachteil.

Wikipedia Kontor in Hamburg

Darf man als Mentor einen (verdächtigen) Mentee auffordern, offenzulegen, ob der Mentee einen besonderen Bezug zum Artikelgegenstand hat? Manche in Hamburg sagten nein, andere bestätigten, dass sie das ab und zu machen. Jedenfalls kann man sowieso, auch ohne Bitte um Offenlegung, den Mentee dazu auffordern, sich mit Wikipedia:IK zu beschäftigen. Außerdem ist folgender Hinweis manchmal angebracht: Es ist für den Selbstdarsteller ja riskant, wenn es einen Artikel über ihn gibt. Ein Artikel ist keine Profilseite, die man selber steuern kann. Möglicherweise schreiben andere Wikipedianer viel Kritisches über den Artikelgegenstand hinein.

Manche anwesenden Mentoren finden es persönlich wichtig zu wissen, ob der Mentee Selbstdarsteller ist – nicht des Inhalts, aber der unterschiedlichen Ansprache wegen. „Käme mir sonst verarscht vor.“ - „Gewöhnt man sich daran.“ – „Bin noch nicht so weit.“

Als Mentor kann man nicht immer überprüfen, ob der Mentee ein Selbstdarsteller ist. Die Verifikation von Konten, so meinte ein Mentor, war einst als Missbrauchsschutz gedacht, damit ein Scherzvogel sich nicht für jemand anders wie z.B. Angela Merkel ausgeben kann. Nun nutzt man das Verfahren aber, um Verdächtige mit einem Baustein zur Offenlegung zu drängen. Solche Fälle machen dann dem Support-Team Mühe. Besser wäre wohl eine Vorlage für bezahlte Schreiber wie in der en.Wikipedia.

Sammlung von Ausreden der Selbstdarsteller-Eintagsfliegen:

  • Würde schon lange oder intensiv in der Wikipedia mitmachen, wäre also nicht nur am einen Artikelgegenstand interessiert – die Behauptung stellt sich meist als haltlos heraus. Oft handelt es sich nur Artikelbearbeitungen, um den eigenen Artikel zu verlinken.
  • Würde WMDE mit Spenden fördern
  • Sei schon lange „Wikipedianer im Herzen“
  • Die beworbene gemeinnützige Website sei genauso gemeinnützig wie die Wikipedia

Einmal hat ein Mentee einen Fake-Artikel produzieren wollen. Dahinter standen noch weitere versuchte Machenschaften mit Zielen außerhalb der Wikipedia. Schlimmer Fall. Davon abgesehen sind Fakes im MP aber eher selten.

Manche Mentees sind gesperrte Trolle und andere Problem-Wikipedianer. Sie glauben, dass sie das MP als geschicktes Deckmäntelchen missbrauchen können. Bei einer solchen Socken-Züchtung kann es das Ziel sein, den Sichterstatus zu erhalten.

Schließlich gelangen manchmal Studenten zum MP. Diese Eintagsfliegen wollen Hilfe zu einem Artikel, für den sie später Studienpunkte erhalten. Der Text ist meistens sehr schlecht, und es kommt ein Mentor oder anderer Wikipedianer, der viel verbessert. Der Lehrende kennt aber die Arbeitsweise der Wikipedia nicht und glaubt, die Leistung stamme von den Studenten. Allgemein, so sagte ein Mentor, hätten die Lehrenden meist zu wenig Ahnung von der Wikipedia.

Ein weitergehendes Problem ist es, wenn der Lehrende weitere Punkte vergibt, wenn der Artikel eine Auszeichnung erhalten hat. Studenten stellen den Artikel dann ins Review oder in die KALP, fangen aber nichts mit dem erhaltenen Feedback an. Die Extrapunkte sind ihnen nicht so viel wert, dass sie zur Mehrarbeit bereit wären. Das ist aber kein eigentliches Problem des MP, weil die meisten Mentees sowieso nicht so weit kommen. Eine Auszeichnung für einen Mentee-Artikel ist normalerweise unrealistisch. Jedenfalls: Man kann auf Wikipedia:Seminararbeit verweisen.

Exkurs: Fachfremde Mentoren

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Lassen Sie mich durch, ich bin Doktor!

Nicht selten wünscht ein Mentee sich einen Mentor, der sich fachlich auskennt. Dieser Wunsch betrifft manchmal recht detaillierte Spezialkenntnisse. Das grundsätzliche Problem besteht darin, dass es die entsprechenden Mentoren nicht gibt und geben kann. Selbst wer ein bestimmtes Fach studiert hat, kann nicht alle Einzelgebiete des Faches kennen. Allerdings hilft das Studium, weil es die Denkweisen und Vorgehensweisen des Faches vermittelt.

Jemand meinte, er würde eine Anfrage gar nicht erst übernehmen, wenn ihm das Thema zu speziell oder unbekannt erscheint. Bei eher trivialen Themen etwa aus dem Bereich der Popkultur sei es eher möglich, fachfremd zu begleiten. Man wolle ja auch nicht fischen, sondern das Angeln beibringen. Andere Mentoren hielten fehlende Fachkenntnisse für ein weniger großes Problem, eine fachliche Betreuung sei gar nicht möglich. Man müsse eben keine solche Erwartung wecken.

Bei der Besprechung eines konkreten Falles wurden die Risiken deutlich: Ein Mentee hatte einen sehr fachlich klingenden Text eingestellt. Ein Mentor war von der geschwollenen und fachwörterdurchsetzten Sprache beeindruckt gewesen und lobte den Mentee. Er bat nur um verständlichere Formulierungen. Schließlich aber stellte sich heraus, dass der Text eine pseudowissenschaftliche Theoriefindung war. Besser wäre es gewesen, ein fachkundiger Mentor hätte den Text begutachtet und sofort die Alarmglocke geläutet. Von Textmengen und Fußnoten solle man sich nicht beeindrucken lassen. Schlecht wäre es auch, wenn ein wohlwollender Mentor durch Wikifizierung so einen Artikel unterstützt. Der Artikel wäre dann nicht mehr löschgefährdet, aber der Wikipedia und ihrem Qualitätsanspruch dient man so nicht.

Mentoren verweisen oft an die „Fachredaktionen“, wenn ihr Fachverstand nicht ausreicht. Allerdings sind die Redaktionen unterschiedlich stark besetzt, in vielen Fällen bekommt man kein Feedback.

Anforderungen und Ansprache an Mentees

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So einfach wie das Einmaleins?

Grundsätzlich gibt es folgendes Dilemma: Einerseits versucht man, den Einstieg in die Wikipedia zu erleichtern, den Neuling nicht mit Infos zu überfrachten, aber andererseits hat die Wikipedia eben auch Qualitätsansprüche. Ein Neuling muss viel lernen, das lässt sich nicht ändern. Wahrscheinlich ist es am besten, so ein Mentor, ihm gar nicht erst die Illusion zu geben, das Bearbeiten sei einfach.

Darum, so einige Anwesende, sei es zu kurz gedacht, dass die Einstiegshürden immer niedriger werden sollen. Denn wenn man von den Neulingen nur wenig einfordert, kann das zu Schwierigkeiten für die erfahrenen Wikipedianer führen. Wenn man dem Mentee nicht abverlangt, dass er das Formatieren erlernt und durchführt, bleibt die Arbeit an den Mentoren oder anderen hängen.

Wikipedianer versuchen Probleme dadurch zu lösen, indem sie immer neue Hilfe-Seiten erstellen. Auch wollen einige Mentoren unbedingt einen eigenen Begrüßungstext haben. Jemand zeigte in Hamburg, als abschreckendes Beispiel, eine Benutzerdiskussionsseite mit mehreren und dazu wenig verständlichen Begrüßungsbausteinen. Manche Anwesende meinten, man solle besser auf bestehende Hilfe-Seiten verweisen.

Manche Anfragen von Mentees liegen lange in der Kategorie herum. Es findet sich kein Mentor, der die Anfrage übernehmen will. Da entsteht ein Bodensatz. Das Dilemma: Viele Mentoren wollen sich um offensichtlich komplizierte oder aussichtslose Fälle nicht kümmern – aber sie scheuen sich auch davor, dem Mentee klar zu sagen, dass das MP nichts für ihn ist.

Ein Verbesserungsvorschlag für unser Verfahren wurde gemacht: Man könnte den Mentee nicht nur einen Button drücken lassen, sondern ihn gleichzeitig zu einer kurzen Vorstellung auffordern. Dann kann ein Mentor sich leichter ein Bild machen und entscheiden, ob er den Fall übernehmen will. Ein Mentor kann übrigens deutlich in sein Profil auf Wikipedia:Mentorenprogramm schreiben, was für Fälle er übernimmt und welche nicht, wie es schon teilweise heute geschieht.

Ein weiterer Problempunkt: Die Entlassung eines Mentees aus dem MP sollte leichter sein, gerade bei hartnäckigen kommerziellen Selbstdarstellern. Ein Mentor sagte, er empfände einen mentalen Druck, weiterzubetreuen. Ein anderer meinte, als beginnender Mentor sei er sich unsicher gewesen, wie man das Betreuungsverhältnis am besten beendet. Wenn ein Mentee einfach nicht mehr geantwortet hat, hat der Mentor sich gewundert, ob er etwas falsch gemacht habe. Heute kann er sich eher denken, dass der Mentee z.B. das Interesse verloren hat.

Allgemein sollten Mentoren eher den Mut haben, einem Mentee Nein zu sagen. Mal verlangt der Mentee einen Service, den das MP nicht leisten kann. Gerade bei Relevanzfragen sollte man einem Mentee ganz klar machen, dass das MP ihm nicht weiterhelfen wird. Es wäre auch menschlich falsch, jemandem falsche Hoffnungen zu machen, abgesehen von der verschwendeten Zeit des Mentors.

Mal lädt ein Mentee eine große Zahl von Bildern nach Wikimedia Commons hoch, von denen 90 Prozent einfach von Websites geklaut wurden. Einige Anwesende meinten, der Mentor solle sich dann nicht die Mühe machen, alle Bilder durchzusehen und nur für die mutmaßlichen 90 Prozent Löschanträge stellen. Besser sei es, gleich alle Bilder löschen zu lassen. Sollten tatsächlich einige urheberrechtlich mögliche Bilder darunter gewesen sein, dann möge der Mentee diese Bilder eben selbst ermitteln und noch einmal hochladen. Würde der Mentor diese Auswahlleistung tätigen, wäre das ein falsches Signal bezüglich der Eigenverantwortlichkeit des Mentees.

Blick zum Michel vom Kontor aus

Mal erklärt ein Mentee rundheraus, dass ihn die Wikipedia-Regeln und die Wikifizierung nicht interessieren. Das sei eigentlich ein Grund, so ein Mentor, die Betreuung sofort zu beenden. Hier würde die Hauptarbeit automatisch am Mentor hängenbleiben, und eine dauerhafte Beteiligung an der Wikipedia wäre erst recht nicht in Sicht. Außerdem seien Regelverletzungen wahrscheinlich.

Solche Mentees und ähnlich aussichtslose Fälle solle man gar nicht erst übernehmen. Besser sei es, die Anfrage zu entfernen und ihm einfach so etwas auf die Benutzerdiskussionsseite zu schreiben. Allerdings äußerte ein Mentor die Vermutung, dass manche Mentoren gern den Mentee erst einmal übernehmen, damit sie sich möglichst vieler Betreuungen rühmen können. Außerdem gibt es Mentoren, die Neulinge zu falschen Dingen ermutigen, später aber nicht bereit sind, die damit verbundene Aufräum- und sonstige Arbeit zu erledigen.

Manchen Mentees fehlen grundlegende Kompetenzen: Sie beherrschen die deutsche Schriftsprache nicht gut genug, kennen das gewählte Fachgebiet nicht richtig, sind mit wissenschaftlichem Schreiben samt Fußnoten überfordert. Manchmal wird ein Neuling zum Rüpel oder Troll. Für die anwesenden Mentoren waren solche Fälle die unangenehmsten: Auch sonst im Privatleben oder im Beruf ist es schließlich schwierig, jemandem Kompetenzen abzusprechen, der sich selbst völlig gegenteilig einschätzt.

Eine wirkliche Lösung wurde nicht gefunden. Eventuell kann man den Mentee mit Fachbegriffen und Wikipedia-Jargon sowie Links erschlagen, um ihn zu entmutigen.

Beim Nachverfolgen von Diskussionsseiten in Hamburg kam der Eindruck auf, dass manche Diskussionen sehr lang sind – unnötigerweise. In vielen Fällen wären ein, zwei Sätze ausreichend gewesen, um einem Problem-Mentee die Grenzen aufzuzeigen. Man muss aufpassen, dass man sich nicht in Diskussionen verwickeln lässt. Wer seinen Artikel auf Teufel komm raus über die Relevanzhürde hieven will, ist sowieso nicht für Argumente offen. Man soll auch nicht viel Zeit damit verschwenden, lang zu erklären, was bereits auf einer Hilfe-Seite steht. Höchstens konkrete Verständnisfragen sollten dann noch beantwortet werden. Meist aber ist ein Abbruch der Diskussion durch den Mentor am besten. Leider, so ein Mentor, kommen gutwillige, gutgläubige Wikipedianer auf die Diskussionsseite und mischen sich ein. Es läuft dann auf eine Trollfütterung (oder Selbstdarstellerfütterung) heraus.

Die Anwesenden haben längere Zeit über Urheberrechtsverletzungen im Bildbereich gesprochen, anhand eines Vortrags von Reinhard. Zum Teil haben Mentoren gemeint, man solle Mentees generell nicht mit Bildern helfen. Die Problematik sei eine besondere, und gerade für ein einziges Bild zu einem abseitigen Thema lohne der Aufwand sich nicht. Der Mentor solle auf die vielen bestehenden Hilfe-Seiten wie das Bildertutorial verweisen. Andere Mentoren hielten diese Haltung für zu weitgehend, räumten aber ein: Später soll der Mentee ja auch in der Lage sein, die Hilfe-Seiten selbstständig zu benutzen.

Schließlich schlug jemand vor, Fertigkeiten und Rechte miteinander zu koppeln. Dann dürfte jemand erst dann einen Artikel anlegen, wenn er ein entsprechendes Tutorial mit Test durchlaufen habe. Bilder dürfe er nur hochladen, wenn er ein Bildertutorial bestanden habe. Auch dies fanden mehrere Mentoren recht weitgehend, es wäre auch nicht in der Wikipedia durchsetzbar.

Probleme der Wikipedia, Probleme des MP

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Damit stiegen die Anwesenden abermals in eine Diskussion über Probleme ein, die der gesamten Wikipedia eigen sind oder die dadurch entstehen, dass die Wikipedia bestimmte Grundeigenschaften hat. Zu eigentlich didaktischen Fragen kam man kaum.

Wer Mentee werden will,

  • muss wissen, dass man die Wikipedia bearbeiten kann.
  • sich registrieren und anmelden.
  • das Mentorenprogramm in der unübersichtlichen Hilfe-Seiten-Landschaft finden.

Klickt der künftige Mentee auf einen Button, wird ein Mentorenwunsch auf der Benutzerseite eingetragen. Und da schlägt ein „Riesenproblem im System“ der Wikipedia zu, wie ein Mentor es ausdrückte. Denn die Mentees kennen die Benutzer- und Diskussionsseiten nicht. Und wenn jemand keine Email-Adresse bei der Registrierung angegeben hat, dann erhält er auch keine Benachrichtigung, dass die Benutzerdiskussionsseite bearbeitet wurde. Wenn die meisten Mentees nach der Anfrage („Mentorenwunsch“) sich niemals melden, dann liegt das unter anderem daran, dass sie die Begrüßung durch den Mentor nie sehen.

Diejenigen Mentees, die zur Kommunikation auf der Benutzerdiskussionseite gefunden haben, wissen oft übrigens nicht, dass diese Kommunikation öffentlich ist. Mitunter schreiben sie Dinge, die nicht für die Öffentlichkeit bestimmt sind.

Die Anwesenden diskutierten, wie man die Kommunikation technisch verbessern oder gar erst ermöglichen kann. Außerdem wurde es als Problem angesehen, dass es so viele Hilfsangebote gibt, anstelle eines einzigen guten. Jemand schlug eine neue Seite vor, um Fortgeschrittenen nach dem MP einen Anlaufstelle zu geben und um Zusammenarbeit zu fördern. Es entstand ein Gedankenaustausch darüber, ob so eine neue Seite Mitmacher finden würde und ob ein weiteres Hilfsangebot wünschenswert wäre.

Ein Mentor vermutete: Diejenigen, die eine FAQ geschrieben haben, hassen es, wenn ein neues, besseres System die FAQ unnötig macht. Jemand anders: „In der Wikipedia findet halt keine Revolution statt, sondern nur Evolution.“ Mentor: „Aber in der richtigen Evolution sterben ja auch welche aus. Nur nicht in der Wikipedia. Da laufen Elefanten mit zehn Stoßzähnen rum.“ Von erfolglosen Angeboten müsse man sich auch mal trennen können.

Die Anwesenden sprachen ferner über die Bannerkampagne, die WMDE künftig starten will. Dabei griffen sie auf einen schon vorher in Hamburg geäußerten Gedanken zurück: Es müsse mal eine zentrale Anlaufstelle geben für alle Menschen, die Fragen zur Wikipedia haben. Und dann würde man wie beim Telefonservice oder modernen Online-Auskünften sagen: Allgemeine Wissensfrage – drück die 1. Fragen über die Wikipedia selbst – drück die 2. Vermutete Urheberrechtsverletzung – drück die 3. Und so weiter. Und dann fächert man das in einer Baumstruktur weiter auf. Dann könnte man die Fragen richtig weiterleiten und zum Beispiel nur diejenigen zum MP schicken, die tatsächlich sich beteiligen wollen. Oft tauchen im MP ja Leute auf, die nur eine Frage stellen wollen. Eventuell ist es sinnvoll, an das Support-Team weiterzuleiten, eventuell kann man Fragen in der zentralen Anlaufstelle selbst beantworten lassen. Vor allem: Wer an die Tür der Wikipedia anklopft, soll nicht gleich mit der Aufforderung erschlagen werden, einen Artikel zu schreiben.

Sollte eine solche zentrale Anlaufstelle innerhalb der Wikipedia oder außerhalb auf einer anderen Website eingerichtet werden? Dazu hatten die Anwesenden keine sehr ausgeprägten Meinungen. Auf einer anderen Website könnte man es technisch gleich moderner einrichten. Man müsste sehen, ob sich Ehrenamtliche finden, die dort aktiv werden wollen in der Fragenbeantwortung. Ein Mentor sagte: Auf lange Sicht fände er es erstrebenswert, dass so eine zentrale Anlaufstelle in optisch ansprechender Form wirklich in der Wikipedia selbst etabliert wird und dort viele alte Hilfsangebote effektiv ablöst.

Eine behandelte Einzelfrage war es, ob die zentrale Anlaufstelle allgemeine Wissensfragen beantworten solle („Wie heißt der Schmetterling in meinem Garten, siehe mein Handyfoto“). Das könnte mit Haftungsrisiken verbunden sein, meinte ein Anwesender. Ein anderer hielt ein solches Angebot hingegen für unbedingt wünschenswert. Es werde sich wohl zeigen, ob man genug Freiwillige dafür findet.

Jedenfalls, so waren sich die Anwesenden einig, ist es wichtig, dass die Menschen Klarheit haben über die Buttons. Bei einem bestimmten bisherigen Hilfsangebot sei es zum Beispiel so, berichtete jemand: Ein Button heißt „Klicke hier, um Artikel zu erstellen“, anstatt richtiger: „Hilfe zur Artikelerstellung“. Die Leute trauen sich eventuell nicht, auf den Button zu klicken, weil sie Angst haben, dass dann sofort ein Artikel erstellt wird. Bei der Baumstruktur in der zentralen Anlaufstelle könnte es so aussehen: Wenn jemand mit seinen Fragen Richtung „Ich will Artikel erstellen“ geht, dann kommt nach einer Erklärung irgendwann der Link zum MP. Im MP würde man künftig nur noch eigentliche MP-Dinge behandeln, die wirklich dorthin gehören, wie zum Beispiel konkrete technische oder stilistische Fragen zum entstehenden Artikel.

Was konkret würden die Anwesenden an der heutigen Wikipedia am liebsten ändern? Einige Mentoren wünschen sich auch die Verpflichtung, dass man bei der Registrierung eine Email-Adresse hinterlassen muss. Das würde die Kommunikation wesentlich erleichtern oder gar ermöglichen. Es wurde das Argument der Privacy herangezogen. Allerdings ist es heutzutage bei Websites gängig, eine Email-Adresse anzugeben, und sei es eine, die nicht auf den Klarnamen rückschließen lässt.

Aus dem Support-Team wurde berichtet: Sehr viele Menschen vergessen ihr Passwort und können dann nicht mehr ihr Konto verwenden. Eine Email-Adresse haben sie nicht eingetragen. Manche beklagen sich beim Support-Team, dass es eine Zumutung sei, seine Email-Adresse hinterlassen zu sollen. Paradoxerweise schreiben sie das aber per Email an das Support-Team, wo Ehrenamtliche die Email-Adresse sehen können.

Vor allem fand der Gedanke Zustimmung, dass man das Erstellen von Artikeln einschränken müsste. Man solle nur noch als angemeldeter Benutzer Artikel erstellen dürfen, wie es auch in der englischsprachigen Wikipedia geregelt ist. Vielleicht wäre es noch besser, wenn nur Sichter erstellen dürfen. Dann muss ein Neuling sich eben an einen erfahrenen Wikipedianer wenden, der ihn berät. In der heutigen Wikipedia existiert nämlich folgende Inkonsequenz: Wenn jemand ohne Sichterstatus einen Artikel bearbeitet, ist die Änderung nur nach Sichtung allgemein sichtbar. Aber wenn jemand, selbst unangemeldet, einen Artikel erstellt, ist der Artikel sofort ohne Sichtung sichtbar. Eine Einschränkung der Erstellung wäre auch im Sinne der Betroffenen, die sich heute über die Löschung ihres Artikels ärgern – und dann beim Support-Team landen.

Zusammenfassung

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Die meisten Menschen, die einen Button zum Mentorenprogramm anklicken, beteiligen sich nicht, oder nur sehr wenig, oder geben keine Rückmeldung. Das mag teilweise daran liegen, dass sie aus technischen Gründen nie die Kontaktaufnahme des Mentors auf der Benutzerdiskussionsseite sehen. Eine Verbesserung wäre nur durch Änderungen an Grundeinstellungen der Wikipedia möglich, wie die Pflicht, bei der Registrierung eine Email-Adresse anzugeben.

Fast alle, die einen Artikel erstellen, sind Eintagsfliegen. Sie sind nach Vollendung des Artikels nicht zu weiterer Mitarbeit zu bewegen. Trotz gegenteiliger Beteuerungen interessieren sie sich nur für diesen einen Artikel. Viele lassen einen größeren Teil der Arbeit durch den Mentor erledigen. Nicht wenige Eintagsfliegen haben kommerzielle oder andere eigenbezogene Interessen.

Die Mentoren auf dem Hamburger Treffen regen dazu an, sich auf die ursprünglichen Ziele des Mentorenprogramms zu besinnen. Wenn ein Mentee erkennbar kein Interesse an dauerhafter Mitarbeit hat, ist es akzeptabel und meistens sinnvoll, ihn gar nicht erst zu übernehmen. Ein Mentor sollte Mentees keine falschen Hoffnungen machen und sich nicht für Wikipedia-fremde Zwecke instrumentalisieren lassen. Das Mentorenprogramm gibt Hilfe zur Selbsthilfe und ist nicht als Gratis-Agentur für Schreibaufträge gedacht. Es ist gerechtfertigt, dass ein Mentor auch an sein eigenes Zeitbudget denkt: Ein Mentor entscheidet letztlich selbst, ob und wie viel Arbeit er in einen Fall investiert.