Aafia Siddiqui

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Aafia Siddiqui

Aafia Siddiqui (Urdu عافیہ صدیقی ʿĀfiya Ṣiddīqī; * 2. März 1972 in Karatschi) ist eine pakistanische Neurowissenschaftlerin. Am 3. Februar 2010 wurde sie in Manhattan wegen versuchten Mordes verurteilt, nachdem sie auf Soldaten geschossen hatte, die sie in ihrer Gefangenschaft bewachen sollten.

Familiärer Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aafias Vater, Muhammad Siddiqui, war Arzt. Aafia hat zwei Geschwister: ihr Bruder lebt als Architekt in Houston; ihre Schwester Fowzia arbeitete nach ihrem Harvard-Abschluss als Neurologin am Sinai-Krankenhaus in Baltimore, bis sie nach Pakistan zurückkehrte.[1]

Ausbildung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aafia zog 1990 zu ihren Geschwistern nach Texas und absolvierte an der University of Houston ihr erstes Studienjahr; anschließend wechselte sie ans Massachusetts Institute of Technology,[1][2] wo sie 1995 ihren ersten Abschluss erhielt.[3]

Im selben Jahr wurde sie über das Telefon mit dem Anästhesisten Amjad Mohammed Khan verheiratet.[4] Aafia Siddiqui schrieb sich an der Brandeis University für kognitive Neurowissenschaften ein und wurde 2001 für ihre Dissertation Separating the Components of Imitation zur Ph.D. promoviert.

Im Mai 2002 befragte das FBI Aafia Siddiqui und ihren Mann, nachdem diese für 10.000 Dollar Nachtsichtgeräte, schusssichere Westen und militärische Handbücher gekauft hatten, darunter The Anarchist's Arsenal.[4][1] Im Juni 2002 kehrte das Paar nach Pakistan zurück.[5][4] Ihre Ehe wurde im Oktober geschieden.

Im Dezember 2002 kehrte Aafia Siddiqui in die USA zurück, angeblich zur Stellensuche. Sie eröffnete ein Postfach auf den Namen des Terrorverdächtigen Majid Khan, wobei sie diesen als ihren Ehemann ausgab.[6]

Vor ihrem Verschwinden war Aafia Siddiqui zuletzt an der Aga Khan University in Karatschi tätig. Im März 2003 gab das FBI eine weltweite Fahndung nach ihr und ihrem Ex-Mann heraus. Während Khan vom FBI befragt und wieder entlassen wurde, blieb Siddiqui verschwunden.[4] Im April 2003 setzte das FBI sie auf die Liste der sieben meistgesuchten al-Qaida-Flüchtigen.[7][4][3]

Festnahme und Prozess[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach Angaben der US-Regierung wurde Siddiqui im Juli 2008 von US-Kräften in Ghazni (Afghanistan) festgenommen,[4] in Begleitung ihres ältesten Sohnes Achmed.[5] Nach Darstellung der Anklage soll sie bei einem Verhör ein Sturmgewehr ergriffen und damit mindestens zwei Mal auf US-Amerikaner geschossen haben.[8] Beim anschließenden Gerichtsprozess in New York bemängelte die Verteidigung widersprüchliche Darstellungen des Geschehens sowie das Fehlen von Kugeln oder Patronenhülsen; auch gebe es keine Einschusslöcher am Tatort.[9] Ein FBI-Beamter sagte aus, die Fingerabdrücke auf der Tatwaffe stammten nicht von Aafia.[10][11][12] Die Jury verurteilte sie schließlich zu 60 Jahren.[13] Das Urteil im September 2010 lautete schließlich auf 86 Jahre Haft.

Siddiqui ist, gemäß den Angaben des Federal Bureau of Prisons, mit der Registrierungsnummer 90279-054 im Federal Medical Center, Carswell in Fort Worth, Texas inhaftiert. Ihr Entlassungsdatum wurde auf den 22. September 2083 datiert.

Petition zu ihrer Freilassung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Februar 2009 brach ihr Ex-Mann Muhammad Amjad Khan sein Schweigen und bezeichnete die Medienberichte als größtenteils falsch.[14] Der Barrister Javed Iqbal Jaffree behauptete im Januar 2010, die CIA habe Aafia bereits 2003 in Karatschi verhaftet und dabei einen ihrer Söhne getötet; seine Petition wurde am 25. Januar 2010 vor dem Höchsten Gericht in Lahore angehört, eine Entscheidung steht aus.[15] Hohe pakistanische Politiker, darunter Ministerpräsident Yousaf Raza Gilani, erklärten nach dem Urteilsspruch gegen Siddiqui, sich für ihre Überstellung nach Pakistan einsetzen zu wollen.

Freipressungsversuche[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Geiselnehmer von In Aménas forderten im Januar 2013 im Austausch mit zwei US-Geiseln ihre Freilassung und die des ebenfalls in den Vereinigten Staaten inhaftierten Omar Abd al-Rahman.[16]

2014 forderten Mitglieder der Terrorgruppe Islamischer Staat, die die 26-jährige Kayla Mueller im Jahr 2013 entführt hatten, die Freilassung von Siddiqui.[17]

Am 15. Januar 2022 gab es einen weiteren Freipressungsversuch durch eine Geiselnahme in einer Synagoge in Colleyville. Der Geiselnehmer wurde von der Polizei erschossen und die Geiseln befreit.[18][19]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Aafia Siddiqui – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Katherine Ozment: Who's Afraid of Aafia Siddiqui? (Memento vom 25. Januar 2009 im Internet Archive) - Boston Magazine vom Oktober 2004
  2. Amad S: The Grey Lady of Bagram: Dr. Aafia Siddiqui. MuslimMatters.org, 18. August 2008, abgerufen am 20. August 2008.
  3. a b Keith J. Winstein: Reported Capture of MIT Alumna Denied by FBI. The Tech, abgerufen am 3. Februar 2010.
  4. a b c d e f The mystery of Dr Aafia Siddiqui, The Guardian, 24. November 2009
  5. a b Juliane von Mittelstaedt: Die gefährlichste Frau der Welt. In: Der Spiegel. Nr. 48, 2008, S. 130–136 (online).
  6. The intelligence factory: How America makes its enemies disappear, Harper’s Magazine, November 2009
  7. Pakistanis will not be extradited, US told, Dawn, 16. April 2003. Abgerufen am 4. Februar 2010 
  8. Suzanne Goldenberg, Saeed Shah: Mystery of 'ghost of Bagram' – victim of torture or captured in a shootout?, The Guardian, 6. August 2006 
  9. C. J. Hughes: Outburst From Defendant in Afghan Shooting Trial. In: The New York Times. 20. Januar 2010, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 17. Januar 2022]).
  10. DAWN.COM | Pakistan | Witnesses’ accounts differ at Dr. Aafia’s trial. 24. Januar 2010, archiviert vom Original am 24. Januar 2010; abgerufen am 17. Januar 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.dawn.com
  11. The News International: Latest, Breaking, Pakistan, Sports and Video News. 18. Januar 2012, archiviert vom Original am 18. Januar 2012; abgerufen am 17. Januar 2022.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/thenews.com.pk
  12. Ed Pilkington: Pakistani scientist found guilty of attempted murder of US agents, The Guardian, 4. Februar 2010 
  13. 'Lady Al Qaeda' Aafia Siddiqui convicted of attempted murder. The New York Times, 3. Februar 2010, archiviert vom Original am 6. Februar 2010; abgerufen am 4. Februar 2010.
  14. Aroosa Masroor: Dr Aafia Siddiqui’s husband breaks his silence after six years, The News International (Pakistan), 18. Februar 2009. Abgerufen am 13. Mai 2010  - Inhalt nicht (mehr) erreichbar
  15. Proof of Dr Aafia`s arrest submitted to court. 22. Januar 2010, abgerufen am 17. Januar 2022 (englisch).
  16. Gasfeld Ain Amenas: Entführer wollen Islamisten aus US-Haft freipressen. Spiegel online, 17. Januar 2012
  17. ISIS Demands $6.6M Ransom for 26-Year-Old American Woman, Abruf am 27. August 2014
  18. tagesschau.de: Polizei erschießt Geiselnehmer in Synagoge in Texas. Abgerufen am 16. Januar 2022.
  19. tagesschau.de: Nach Geiselnahme: "Wir werden weiter nach Motiven suchen". Abgerufen am 16. Januar 2022.