Abwrackwerften bei Gadani

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Koordinaten: 25° 3′ 49″ N, 66° 42′ 41″ O

Karte: Pakistan
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Gadani Beach

Die Abwrackwerften bei Gadani sind Betriebe zur Schiffsverschrottung am Strand bei der Ortschaft Gadani in Pakistan etwa 50 km nordwestlich von Karatschi am Arabischen Meer, in denen Seeschiffe aus aller Welt abgewrackt werden. Auf etwa 10 km Länge bestehen dort insgesamt 132 Abbruchstellen,[1] auf denen auch Supertanker zerlegt werden können. Im Betriebsjahr 2009/10 wurde die Rekordzahl von 107 Schiffen abgewrackt.[2]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Geschäft entwickelte sich ab 1947, nachdem Pakistan unabhängig geworden war, aus zuvor kleinen Anfängen zu industrieller Größe, litt allerdings noch lange Zeit unter dem Mangel an Infrastruktur wie Straßen, Elektrizitäts- und Wasserversorgung, Wohnraum für die Arbeiter usw. In der Spitzenzeit während der 1980er Jahre konnte man mit mehr als 30.000 Arbeitern 1 Million Tonnen Stahlschrott jährlich gewinnen. Durch die wachsende Konkurrenz der inzwischen größeren Abwrackwerften bei Alang (Indien) und bei Chittagong (Bangladesch) ist das Aufkommen jedoch inzwischen erheblich gefallen.[3] Heute arbeiten nur noch etwa 6000 Arbeiter in Gadani.

Seit 2021 verschrotten die Abwrackwerften bei Gadani infolge der COVID-19-Pandemie vermehrt ausgediente Kreuzfahrtschiffe. Wurden in den Jahren zuvor nahezu keine Kreuzfahrtschiffe in Gadani verschrottet, so verschrotteten die Abwrackwerften von Gadani zwischen Dezember 2021 und Juli 2022 fünf Kreuzfahrtschiffe mit einer Vermessung von insgesamt 184.400 BRZ.[4]

Betrieb[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Doppelhüllen-Öltanker, Seite teilweise abgebrochen, auf dem Abwrackstrand von Gadani (2011)

Die Schiffe werden bei Flut mit eigener Kraft in voller Fahrt auf den Strand zugesteuert und so mit Schwung auf Grund gesetzt. Dann werden die Schiffe am Strand ausgeschlachtet und vom Bug her zerlegt. Dabei wird der allmählich kürzer und leichter werdende Schiffsrumpf von Zeit zu Zeit mittels Stahlseilwinden weiter auf den Strand gezogen, bis er vollkommen abgewrackt ist. Die teilweise sehr gefährliche Arbeit wird von tausenden billig-entlohnter Arbeiter weitestgehend in Handarbeit durchgeführt. Hierbei geschehen immer wieder schwere Unglücke:

  • Anfang November 2016 ereignete sich bei der Zerlegung des ehemals von PetroChina betriebenen Tankers Aces eine Explosion und ein Brand im Inneren des Rumpfes, wobei mindestens 21 Arbeiter getötet und rund 60 verletzt wurden.[5]
  • Ein ähnlicher Unfall geschah im Januar 2017, wobei eine Explosion auf dem ehemaligen Flüssiggastanker Chaumadra fünf Menschen tötete und mindestens einen Arbeiter verletzte.[6]
  • Im November 2017 kam es erneut zu einem Zwischenfall auf der Aces.[7]

Daraufhin wurde die Verschrottung von Tankern in Gadani vorübergehend verboten.[8][9]

Am Strand türmen sich Berge von Material, sortiert nach möglicher Wiederverwendung; Stahlschrott, Elektrokabel, Teakplanken, Toiletten, Lampen, Schiffsmöbel, Bullaugen, nautische Instrumente, Anker, Elektromotoren usw.

Stahlschrott wird nicht nur materiell via Einschmelzen, sondern mitunter auch als Halbzeug, etwa in Form einer herausgetrennten Blechplatte wiederverwendet.

Eine häufig angewandte Trennmethode ist das Brennschneiden, nach Erhitzen einer Stelle des Stahls mit Brenngasflamme bis zur Gelbglut, danach Verbrennen von Eisen nur mit Sauerstoff, jeweils aus Druckgasflaschen. Bei der Erzeugung der Fuge entstehen Rauch aus Eisenoxid und verbrannter Farbe und flüssig-glühende Eisenspritzer.

Die Arbeit der Abwracker von Gadani wurde in verschiedenen Filmen dokumentiert, die international bekannt wurden: 2004 in Shipbreakers, 2005 in Workingman’s Death und 2019 in der Dokufiktion All That Perishes at the Edge of Land der pakistanischen Künstlerin und Filmemacherin Hira Nabi.

Liste verschrotteter Schiffe (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Thomas Graue: Die sandige Schlachtbank für Schiffe. In: Schiffahrt International. Vol. 40, Nr. 9, September 1989, S. 352/353.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Gadani Beach Shipbreaking – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. The ship breaking and recycling industry in Bangladesh and Pakistan. In: documents.worldbank.org. World Bank Group, Washington, D.C., 1. Dezember 2010, abgerufen am 30. April 2021 (englisch).
  2. Parvaiz Ishfaq Rana: Record 107 ships dismantled at Gaddani. In: dawn.com. 29. Juni 2010, abgerufen am 30. April 2021 (englisch).
  3. Ship-breaking industry: Uncertain future. (online (Memento vom 8. Februar 2012 im Internet Archive))
  4. Cruise Covid cull tops 1.5m gt mark as another veteran hits the beach in Turkey. 15. Juli 2022, abgerufen am 15. Juli 2022 (englisch).
  5. Major explosion at Gadani shipbreaking yard in Pakistan kills at least 21 workers. In: portnews.ru. 3. November 2016, abgerufen am 4. Dezember 2023 (englisch).
  6. Mike Schuler: Another Deadly Blast at Gadani Shipbreaking Yard. In: gcaptain.com. 9. Januar 2017, abgerufen am 4. Dezember 2023 (englisch).
  7. Schrott-Tanker »Aces« brennt zum zweiten Mal. 10. November 2017, abgerufen am 10. November 2017.
  8. Pakistan. Location: Gadani. In: shipbreakingplatform.org. NGO Shipbreaking Platform, Brussels - Belgium, abgerufen am 30. April 2021 (englisch).
  9. Sam Chambers: Pakistan to resume tanker scrapping. In: splash247.com. 24. April 2018, abgerufen am 30. April 2021 (englisch).