Aguilarit

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Aguilarit
Aguilarit aus der Grube San Carlos, La Luz, Guanajuato, Mexiko – Größe: 3,9 cm
Allgemeines und Klassifikation
IMA-Symbol

Agu[1]

Chemische Formel Ag4SeS[2][3]
Mineralklasse
(und ggf. Abteilung)
Sulfide und Sulfosalze
System-Nummer nach
Strunz (8. Aufl.)
Lapis-Systematik
(nach Strunz und Weiß)
Strunz (9. Aufl.)
Dana

II/A.03
II/B.05-050

2.BA.30b
02.04.01.03
Kristallographische Daten
Kristallsystem monoklin
Kristallklasse; Symbol monoklin-prismatisch; 2/m
Raumgruppe P21/n (Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2[4]
Gitterparameter a = 4,2478(2) Å; b = 6,9432(3) Å; c = 8,0042(5) Å[4]
Formeleinheiten Z = 4[4]
Physikalische Eigenschaften
Mohshärte 2,5 (VHN25 = 20,5 bis 23,8, durchschnittlich 22,7)[5]
Dichte (g/cm3) gemessen: 7,40 bis 7,53; berechnet: 7,65[5]
Spaltbarkeit fehlt[6]
Bruch; Tenazität hakig; schneidbar (sektil)[5]
Farbe bleigrau, eisenscharz anlaufend[5]
Strichfarbe grauschwarz[6]
Transparenz undurchsichtig (opak)
Glanz Metallglanz, matt[5]

Aguilarit ist ein selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der chemischen Zusammensetzung Ag4SeS und damit chemisch gesehen ein Silber-Selen-Sulfid.

Aguilarit kristallisiert im monoklinen Kristallsystem und entwickelt skelettförmige, pseudododekaedrische, pseudokubische oder pseudooktaedrische Kristalle bis etwa 3 cm Größe. Er findet sich aber auch in Form von massigen Mineral-Aggregatne und Verwachsungen mit Akanthit oder Naumannit.

Das Mineral ist in jeder Form undurchsichtig (opak) und bergfrisch von bleigrauer Farbe mit einem metallischen Glanz auf den Oberflächen. Der Umgebungsluft ausgesetzt, laufen diese allerdings nach einiger Zeit eisenschwarz an und werden matt.

Etymologie und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Erstmals entdeckt wurde Aguilarit in der „Grube San Carlos“ bei La Luz im mexikanischen Bundesstaat Guanajuato. Die Erstbeschreibung erfolgte 1891 durch Friedrich August Genth, der das Mineral nach Ponciano Aguilar (1853–1935) benannte, dem Verwalter der Typlokalität „Grube San Carlos“.[7]

Da der Aguilarit bereits lange vor der Gründung der International Mineralogical Association (IMA) bekannt und als eigenständige Mineralart anerkannt war, wurde dies von ihrer Commission on New Minerals, Nomenclature and Classification (CNMNC) übernommen und bezeichnet den Aguilarit als sogenanntes „grandfathered“ (G) Mineral.[3] Die ebenfalls von der IMA/CNMNC anerkannte Kurzbezeichnung (auch Mineral-Symbol) lautet „Agu“.[1]

Ein Aufbewahrungsort für das Typmaterial des Minerals ist bisher nicht bekannt bzw. dokumentiert.[8]

Klassifikation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Aguilarit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Sulfide etc. mit M : S > 1 : 1“, wo er zusammen mit Akanthit (>177 °C: Argentit), Hessit, Naumannit und Petzit sowie im Anhang mit Argyrodit, Billingsleyit, Canfieldit, Empressit, Stützit die „Argentit-Naumannit-Gruppe“ mit der System-Nr. II/A.03 bildete.

Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/B.05-50. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies der Abteilung „Sulfide, Selenide und Telluride mit dem Stoffmengenverhältnis Metall : S,Se,Te > 1 : 1“, wo Aguilarit zusammen mit Akanthit (Argentit > 173 °C), Cervelleit, Chenguodait, Empressit, Hessit, Naumannit, Stützit und Tsnigriit die unbenannte Gruppe II/B.05 bildet.[6]

Die von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[9] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Aguilarit ebenfalls in die Abteilung der „Metallsulfide, M : S > 1 : 1 (hauptsächlich 2 : 1)“ ein. Diese ist allerdings weiter unterteilt nach der Art der beteiligten Kationen, so dass das Mineral entsprechend seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „mit Kupfer (Cu), Silber (Ag), Gold (Au)“ zu finden ist, wo es nur noch zusammen mit Naumannit die unbenannte Gruppe 2.BA.30b bildet.

Auch die Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Aguilarit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfidminerale“. Hier ist er zusammen mit Akanthit und Naumannit in der „Akanthitgruppe“ mit der System-Nr. 02.04.01 innerhalb der Unterabteilung „Sulfide – einschließlich Seleniden und Telluriden – mit der Zusammensetzung AmBnXp, mit (m+n) : p = 2 : 1“ zu finden.

Kristallstruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aguilarit kristallisiert in der monoklinen Raumgruppe P21/n (Raumgruppen-Nr. 14, Stellung 2)Vorlage:Raumgruppe/14.2 mit den Gitterparametern a = 4,2478(2) Å; b = 6,9432(3) Å; c = 8,0042(5) Å und β = 100,103(2)° sowie 4 Formeleinheiten pro Elementarzelle.[4]

Bildung und Fundorte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aguilarit bildet sich bei relativ niedrigen Temperaturen in hydrothermalen, silber- und selenreichen, aber schwefelarmen Lagerstätten. Begleitminerale sind unter anderem Akanthit, Calcit, Naumannit, Proustit, Pearceit, Quarz, Silber und Stephanit.

Als seltene Mineralbildung konnte Aguilarit nur an wenigen Orten nachgewiesen werden, wobei weltweit bisher rund 100 Vorkommen dokumentiert sind (Stand: 2023).[10] Die am besten entwickelten und mit bis zu 3 cm Länge auch die größten Kristallfunde wurden dabei in seiner Typlokalität „Grube San Carlos“ (La Luz) und in Chontalpan (Guerrero) gemacht.[11] Weitere bekannte Fundorte in Mexiko sind die Grube Peñafiel bei Guanajuato, die ebenfalls bei La Luz gelegene „Grube Santa Rita“, die „Grube Nino Perdido“ bei Nayal und die „Grube Flores de María“ bei Rayas (alle im Bundesstaat Guanajuato).[12]

Der bisher einzige bekannte Fundort in Deutschland ist die Lagerstätte Schlema-Alberoda im sächsischen Erzgebirgskreis.[12]

Weitere Fundorte sind Jagué (La Rioja in Argentinien); Hubei, das Autonome Gebiet der Inneren Mongolei und Sichuan in China; Böhmen und Mähren in Tschechien; die indonesischen Inseln Java und Sumatra; die japanischen Inseln Hokkaidō, Honshū und Kyūshū; die Nordinsel von Neuseeland; der Föderationskreis Ferner Osten in Russland, die Wüste Kysylkum in Usbekistan sowie die US-Bundesstaaten Colorado, Idaho, Nevada, Utah und Washington.[12]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Friedrich August Genth: XLVI. Contributions to mineralogy. 1. Aguilarit, a new species. In: American Journal of Science. Band 41, 1891, S. 401–402 (englisch, rruff.info [PDF; 170 kB; abgerufen am 30. Januar 2023]).
  • F. A. Genth: XLVI. Contributions to mineralogy. 1. Aguilarite. In: American Journal of Science. Band 44, 1892, S. 381–383 (englisch, rruff.info [PDF; 89 kB; abgerufen am 30. Januar 2023]).
  • L. Bindi, N. E. Pingitore: On the symmetry and crystal structure of aguilarite, Ag4SeS. In: Mineralogical Magazine. Band 77, Nr. 1, 2013, S. 21–31 (englisch, rruff.info [PDF; 179 kB; abgerufen am 30. Januar 2023]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Aguilarite – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Laurence N. Warr: IMA–CNMNC approved mineral symbols. In: Mineralogical Magazine. Band 85, 2021, S. 291–320, doi:10.1180/mgm.2021.43 (englisch, cambridge.org [PDF; 351 kB; abgerufen am 30. Januar 2023]).
  2. Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 66 (englisch).
  3. a b Malcolm Back, Cristian Biagioni, William D. Birch, Michel Blondieau, Hans-Peter Boja und andere: The New IMA List of Minerals – A Work in Progress – Updated: January 2023. (PDF; 3,7 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Marco Pasero, November 2022, abgerufen am 30. Januar 2023 (englisch).
  4. a b c L. Bindi, N. E. Pingitore: On the symmetry and crystal structure of aguilarite, Ag4SeS. In: Mineralogical Magazine. Band 77, Nr. 1, 2013, S. 21–31 (englisch, rruff.info [PDF; 179 kB; abgerufen am 30. Januar 2023]).
  5. a b c d e Aguilarite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 50 kB; abgerufen am 30. Januar 2023]).
  6. a b c Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
  7. Friedrich August Genth: XLVI. Contributions to mineralogy. 1. Aguilarit, a new species. In: American Journal of Science. Band 41, 1891, S. 401–402 (englisch, rruff.info [PDF; 170 kB; abgerufen am 30. Januar 2023]).
  8. Catalogue of Type Mineral Specimens – A. (PDF 357 kB) Commission on Museums (IMA), 9. Februar 2021, abgerufen am 30. Januar 2023.
  9. Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,9 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 30. Januar 2023 (englisch).
  10. Aguilarite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 30. Januar 2023 (englisch).
  11. Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 24.
  12. a b c Fundortliste für Aguilarit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 30. Januar 2023.