Antifaschistische Pädagogik

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Antifaschistische Pädagogik (auch Antifaschistische Erziehung) thematisiert Aspekte didaktischer und methodischer Reflexionen zur Neukonzipierung politischer Bildung in Bezug auf Rechtsextremismus und die Zeit des Nationalsozialismus.[1] Antifaschistische Erziehung wird dem politischen Spektrum des orthodoxen Marxismus zugeordnet und fand als pädagogisches Konzept keine Anerkennung, wie das Fehlen des Stichworts in erziehungswissenschaftlichen Nachschlagewerken zeigt.[2] In der DDR war Antifaschismus ein Bestandteil der Staatsdoktrin und antifaschistische Erziehung ein Grundpfeiler der Volksbildung.

Antifaschistische Pädagogik in der DDR[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antifaschismus war Bestandteil der Staatsdoktrin der DDR. Das staatsdoktrinäre Verständnis von Antifaschismus hatte Folgen: Antifaschistische Erziehung in der DDR ging nicht einher mit der Demokratisierung der gesellschaftlichen Zustände, sondern wurde durch zunehmende Stalinisierung im wachsenden Maße konterkariert. Antifaschistische Erziehung wurde zum Mittel totalitärer Indoktrination. Selbst Bemühungen vieler Erzieher um antifaschistische Persönlichkeitsentwicklung wurden durch die politischen Wirkungsbedingungen letztendlich in ihr Gegenteil verkehrt.[3] Im Anschluss an die Phase der antifaschistischen Umerziehung in den Jahren 1945–1949 brachte die DDR-Pädagogik nie ein Konzept antifaschistischer Erziehung hervor. Der formelhafte Antifaschismus wurde vor allem für die Erziehung eines unbedingt loyalen Staatsbürgers missbraucht.[4] Der Alleinvertretungsanspruch engte den Antifaschismus auf die politische Linie der SED ein. Gegner dieser Linie wurden mit dem Bannfluch ‚Faschismus’ belegt.[5] Die antifaschistische Erziehung galt in der DDR als ein Grundpfeiler der Volksbildung, aber das hier vermittelte Bild schuf eine Dualisierung zwischen antifaschistischen Widerstandskämpfern und faschistischen Schergen und blendete die Schuld von Verführten und Mitläufern aus.[6]

Antifaschistische Pädagogik in der BRD[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theodor W. Adorno benannte psychologische und zivilisatorische Probleme, auf welche antifaschistische Pädagogik reagieren müsse. Adorno erarbeitete noch kein pädagogisches Programm, lieferte aber eine Skizze des Reflexionszusammenhangs, in welchem ein solches Programm zu konzipieren wäre. Von anderen Konzeptionen moderner Pädagogik unterscheidet sich Adorno, insofern er antifaschistische Erziehung nicht als einen Teilbereich der Erziehung ansieht, sondern als Grundlage aller Erziehung.[7] Die Grundlage dazu legte Adorno in seinem Manuskript Erziehung nach Auschwitz 1966 mit der Feststellung: „Die Forderung, dass Auschwitz nicht noch einmal sei, ist die allererste an Erziehung.“ Alle anderen Debatten über Erziehungsideale sah Adorno dem gegenüber als „nichtig und gleichgültig“, der politische Unterricht sei darauf zu zentrieren, „dass Auschwitz nicht sich wiederhole“.

In den 1990er Jahren wurde die Notwendigkeit einer Pädagogik gegen Rechts diskutiert. Anstoß dazu gaben Erfolge rechter Parteien bei Landtagswahlen, die Asyldebatte in den Jahren 1991–1993 und rassistische Gewalttaten.[8]

Georg Auernheimer gab zu bedenken: „Antifaschistische Erziehung hatte und hat für viele den faden Geschmack von penetranter Belehrung oder – schlimmer noch – von doktrinärer Unterweisung. Auch unter den jungen Linken stieß sie vielfach auf Skepsis.“[9] Nichtsdestoweniger versuchte Auernheimer an dem Ansatz festzuhalten, bei dem er aber drei Probleme sah: institutioneller, psychologischer und sachlicher Art. Der institutionelle Rahmen der Schule sei ungeeignet, lasse nicht die nötige „Betroffenheit“ aufkommen. In psychologischer Hinsicht thematisierte Auernheimer die biographische Involviertheit von Lehrern. In sachlicher Hinsicht monierte Auernheimer die Praxis einer entlastenden Geschichtsbetrachtung in Ost- und Westdeutschland.

Peter Dudek kritisierte die Erfolglosigkeit der Antifaschistischen Erziehung und forderte, „endlich Abschied zu nehmen von der Illusion, man könne mit ‚antifaschistischen’ Erziehungs- und Bildungskonzepten auf die Rechtsentwicklung Jugendlicher angemessen reagieren“. Antifaschismus tauge allenfalls zur „politischen Selbstvergewisserung linker Pädagogen“. Von Nöten seien Konzepte der Jugendarbeit, die sich ernsthaft auf die Probleme der Jugendliche einlasse.[10]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Antifaschistische Erziehung:

  • Georg Auernheimer: Ist antifaschistische Erziehung heute überholt?. In: Frank Deppe / Georg Fülberth (Hrsg.): Antifaschismus, Heilbronn 1996, S. 512–524.
  • Peter Dudek: "Antifaschistische Erziehung"? Skeptische Überlegungen zu einem pädagogischen Leitbegriff. In: Die Deutsche Schule, Heft 4, 1990, S. 474–483.
  • Peter Dudek / Erich Jansen, Historisches Lernen oder antifaschistische Erziehung. Das Festhalten am (antifaschistischen) Erziehungsbegriff muss zumindest überdacht werden, in: päd. extra & demokratische erziehung, September 1988, S. 6–10.
  • Wider das Vergessen. Antifaschistische Erziehung in der Schule. Erfahrungen, Projekte, Anregungen. GEW Berlin (Hrsg.), Fischer, 1981
  • Benno Hafeneger: Pädagogik, Jugendarbeit und Demokratie. Der Abschied von der „antifaschistischen Erziehung“. In: Sozialmagazin, 15 (1990) 5, S. 32–37.
  • Wilhelm Heitmeyer: Aufklärung und Faschismuspotential. Gibt es eine zeitgemäße antifaschistische Erziehung?. In: Neue Sammlung 28/1988, S. 419–432.
  • Brigitte Reich / Wolfgang Stammwitz: Antifaschistische Erziehung in der Bundesrepublik? Von den Schwierigkeiten einer pädagogischen „Bewältigung des Nationalsozialismus“. In: Hanns-Fred Rathenow / Norbert H. Weber (Hrsg.): Erziehung nach Auschwitz. Centaurus, 1989, S. 98–108; ISBN 3-89085-230-0
  • Wilfried Schubarth: Besuche im ehemaligen Konzentrationslager – „Knochentourismus“ oder wirksame Form antifaschistischer Erziehung. In: Gedenkstätten-Rundbrief. 1990, Heft 38, S. 5–7.
  • Wolf Rüdiger Wilms: Antifaschistische Erziehung heute – Zum Verhältnis von Betroffenheit und Wissen bei der Herausbildung von antifaschistischem Bewusstsein: Einführende Bemerkungen zum 1. Frankfurter Gespräch des Studienkreises am 20. November 1985. In: Informationen: Wissenschaftliche Zeitschrift des Studienkreises Deutscher Widerstand 1933-1945, 1986 (24), S. 16–19.
  • Merlin Wolf (Hrsg.): Antifaschistische Pädagogik. Aschaffenburg 2019
Pädagogik gegen Rechts
  • Benno Hafeneger (1989): Pädagogik gegen rechts. Zur Geschichte der pädagogischen Reaktionsmuster gegen den Rechtsextremismus. In: G. Paul (Hrsg.): Hitlers Schatten verblasst, Bonn, S. 195–219.
  • Franz Josef Krafeld (2012): Bedarf es einer speziellen Pädagogik gegen Rechts? Nein, aber! In: Stephan Bundschuh/Ansgar Drücker/Thilo Scholle (Hrsg.), Wegweiser Jugendarbeit gegen Rechtsextremismus. Motive, Praxisbeispiele und Handlungsperspektiven, Bonn, Bundeszentrale für politische Bildung, S. 49–60.
  • Matthias Krebs (2004), Pädagogik gegen Rechts. Präventions- und Interventionsmöglichkeiten, Marburg: Tectunm
DDR
  • Gert Geissler/Ulrich Wiegmann: Schule und Erziehung in der DDR: Studien und Dokumente, Neuwied 1995.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Vgl. Peter Dudek, Hans Gerd Jaschke: Jugend rechtsaussen: Analysen, Essays, Kritik, 1982, S. 20
  2. Vgl. Georg Auernheimer, Ist antifaschistische Erziehung heute überholt? In: Frank Deppe / Georg Fülberth (Hrsg.): Antifaschismus, Heilbronn 1996, S. 512–524, S. 513.
  3. Vgl. Siegfried Wolf, Zum verordneten Antifaschismus in der DDR. Einige Thesen zu seinen Folgen, in: päd extra & demokratische erziehung, September 1990, S. 22–26, S. 25.
  4. Vgl. Ulrich Wiegmann: Vom Widerspruch zwischen antifaschistischem Anspruch und Erziehungspraxis in der DDR. In: Pädagogik und Schulalltag 46 (1991) Heft 4, S. 401–409, 403.
  5. Vgl. Hermann Weber: Die DDR 1945-1990, 5. Auflage, Oldenbourg Verlag München 2012, S. 206.
  6. Hermann Langer: Flächenbrand von rechts. Zum Rechtsextremismus im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern, Rostock 1993, S. 8.
  7. Irina Djassemy, Der "Produktivgehalt kritischer Zerstörerarbeit". Kulturkritik bei Karl Kraus und Theodor W. Adorno, Königshausen & Neumann, 2002, S. 430.
  8. Vgl. Georg Wagensommer: How to teach the Holocaust: Didaktische Leitlinien und empirische Forschung zur Religionspädagogik nach Auschwitz, Frankfurt 2009, S. 30f.
  9. Georg Auernheimer: Ist antifaschistische Erziehung heute überholt?. In: Frank Deppe / Georg Fülberth (Hrsg.): Antifaschismus, Heilbronn 1996, S. 512–524, S. 513f.
  10. Peter Dudek: "Antifaschistische Erziehung"? Skeptische Überlegungen zu einem pädagogischen Leitbegriff. In: Die Deutsche Schule, Heft 4, 1990, S. 474–483, S. 480.