Arzenîbuoch Ipocratis

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Das Arzenîbuoch Ipocratis („Arzneibuch des Hippokrates“) ist ein Rezeptar aus dem alemannischen Raum in mittelhochdeutscher Sprache. Es ist spätestens zu Beginn des 12. Jahrhunderts entstanden.[1] Der Name leitet sich vom Incipit der erhaltenen Textzeugen ab:

  • Bamberger Arzneibuch: „Incipit liber ypocratis …“
  • Zürcher Arzneibuch: „Hie beginnet daz arzinbuoch Ypocratis …“[2][3][4][5][6]

Textzeugen des Arzenîbuoch Ipocratis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Hist.146, vorderes Schutzblatt (um 180° gedreht). Auffindungslegende der „Capsula erburnea“. Beginn des „Bamberger Arzneibuchs“
Msc.Hist.146, hinteres Schutzblatt: Fortsetzung des Bamberger Arzneibuchs
  • Bamberger Arzneibuch. Der früheste bekannte Textzeuge des Arzenîbuoch Ipocratis ist das Fragment einer medizinischen Handschrift des frühen 12. Jahrhunderts.[7] Dieses Fragment einer medizinischen Handschrift befindet sich auf zwei Schutzblättern einer theologischen Handschrift des 14. Jahrhunderts, die heute mit der Signatur Msc.Hist.146 in der Staatsbibliothek Bamberg aufbewahrt wird.[8] Nach dem Aufbewahrungsort der theologischen Handschrift wird das darin als Schutzblatt verwendete Arzneibuch-Fragment „Bamberger Arzneibuch“ genannt.
  • Zürcher Arzneibuch. Ein weiterer Textzeuge des Arzenîbuoch Ipocratis ist in einer in der Zentralbibliothek Zürich aufbewahrten Mischhandschrift (Ms. C 58) erhalten.[9] Dieser Codex wurde wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts von einem Kleriker in der Gegend von St. Gallen, Schaffhausen oder Konstanz verfasst. Auf den Blättern 44va bis 47ra enthält der Codex das Arzenîbuch Ipocratis. Nach dem Aufbewahrungsort des Codex wird der Textzeuge „Zürcher Arzneibuch“ genannt.[10][11][12][13]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im „Arzneibuch Ipocratis“ sind die Indikationen anatomisch „von Kopf bis Fuß“ geordnet und umfassen mindestens 60 Heilanweisungen. Im Gegensatz zum gleich alten Innsbrucker Arzneibuch mit lateinisch-deutscher Mischprosa hat das Arzneibuch Ipocratis einen einheitlich deutschen Text, der lediglich bei Fachbezeichnungen griechisch-lateinische Ausdrücke beibehält.

Der Text des Arzenîbuoch Ipocratis ist aus der frühmittelalterlichen Rezeptliteratur geschöpft. Plinius, Pseudo-Plinius, Pseudo-Apuleius, Sextus Placitus Papyrensis, Marcellus Empiricus, Cassius Felix, Gargilius Martialis, Priscian, Dioscurides alphabeticus, Pseudo-Demokrit und Pseudo-Petroncellus[14] ließen sich als Quellen nachweisen.[15]

Dem Textzeugen Bamberger Arzneibuch vorangestellt ist die Auffindungslegende der Capsula eburnea in einer deutschen Übersetzung nach der älteren lateinischen Version.[16][17]

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inhaltliche Übereinstimmungen fanden sich in den jüngeren Wettinger Rezepten.[18][19]

Edition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bamberger Arzneibuch
    • Robert Priebsch. Deutsche Prosafragmente des XII. Jahrhunderts I. In: The Modern Language Review 10 (1915) S. 203–221
    • Friedrich Wilhelm: Denkmäler deutscher Prosa des 11. und 12. Jahrhunderts, München 1914/16, Abt. B, S. 244–254, Bamberger Arzeneibuch. Text und Anmerkungen[20]
  • Zürcher Arzneibuch
    • Franz Pfeiffer: Zwei deutsche Arzneibücher aus dem 12. und 13. Jahrhundert. In: Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kaiserlichen Akademie der Wissenschaften, Bd. 42, Wien 1863, S. 110–114, Kommentar[21], S. 118 (falsch 111)–127, Text[22], S. 163–200, Wörterbuch[23]
    • Friedrich Wilhelm: Denkmäler deutscher Prosa des 11. und 12. Jahrhunderts, München 1914/16, A, S. 53–64, Zürcher Arzneibuch. Text[24]; B, S. 137–153, Zürcher Arzneibuch. Kommentar[25]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Gundolf Keil, Wolfram Schmitt: Nachträge zum Verfasserlexikon. In: Studia Neophilologica. Band 39, 1967, S. 80–107.
  2. Handschriftencensus: Arzenîbuoch Ipocratis
  3. Gundolf Keil, Kurt Ruh und andere (Hrsg.): Arzenîbuoch Ipocratis. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. 2. Auflage. De Gruyter, Berlin / New York, Band 1 (1978), Sp. 505.
  4. Gundolf Keil: Arzenîbuoch Ipocratis. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage, Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.): Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin / New York 2005, ISBN 3-11-015714-4, S. 103–104.
  5. Valeria Di Clemente: Appunti sulla tradizione dello Arzenîbuoch Ypocratis: Bamberger Arzneibuch e Zürcher Arzneibuch a confronto. In: Quaderni della Sezione di Glottologia e Linguistica. Band 19–20, 2007–2008 [2009], S. 15–38.
  6. Valeria Di Clemente: A note on the Glosses to the Zürcher Arzneibuch. In: Linguistica e Filologia. Band 34, 2014, S. 5–51.
  7. Handschriftencensus. Bamberg Msc. Hist. 146
  8. St. Klara-Buch (deutsch, lateinisch) – Staatsbibliothek Bamberg Msc. Hist. 146
  9. Handschriftencensus Zürcher Arzneibuch
  10. Wilhelm Wackernagel: Altdeutsche Predigten. Schweighauser, Basel 1876, S. 253 (Digitalisat).
  11. Franz Pfeiffer: Zwei deutsche Arzneibücher aus dem 12. und 13. Jahrhundert. In: Sitzungsberichte der phil.-hist. Classe der kaiserl. Akademie der Wissenschaften. Bd. 42, Wien 1863, S. 112 (Digitalisat).
  12. Konrad Hofmann: Über das Züricher Arzneibuch des XII Jahrhunderts. In: Sitzungsberichte der königlichen bayerischen Akademie der Wissenschaften zu München, Band I (1870), S. 511–526 (Digitalisat)
  13. Friedrich Wilhelm: Denkmäler … München 1916, Abteilung B (Kommentar), S. 140 (Digitalisat)
  14. Gundolf Keil : Pseudo-Petroncellus. In : Lexikon des Mittelalters. Band 7 (2002), Sp. 309
  15. Gundolf Keil, Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Arzenîbuoch Ipocratis. In: Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. De Gruyter, Berlin / New York, Band 1 (1978), Sp. 505
  16. Friedrich Wilhelm: Denkmäler deutscher Prosa des 11. und 12. Jahrhunderts, München 1914/16, Abt. B, S. 244–254 Bamberger Arzeneibuch. Text und Anmerkungen
  17. Gundolf Keil: Capsula eburnea. In: Gundolf Keil, Kurt Ruh et al. (Hrsg.): Die deutsche Literatur des Mittelalters. Verfasserlexikon. De Gruyter, Berlin / New York, Band 11 (2004), Sp. 312
  18. Ortrun Riha: Mittelalterliche Heilkunst. Das Arzneibuch Ortolfs von Baierland (um 1300). Deutscher Wissenschafts-Verlag, Baden-Baden 2014, ISBN 978-3-86888-071-7, S. 21 mit Anm. 59.
  19. Bernhard Schnell, Catrinel Berindei, Julia Gold, Christopher Köhler: Neues zur Medizingeschichte des 13. Jahrhunderts: Die „Wettinger Rezepte“. In: Grundlagen. Forschungen, Editionen und Materialien zur deutschen Literatur und Sprache des Mittelalters und der Frühen Neuzeit. Stuttgart 2013 (= Zeitschrift für deutsche Altertumsforschung. Beiheft 18), S. 439–452, hier: S. 443–445.
  20. Friedrich Wilhelm: Denkmäler deutscher Prosa des 11. und 12. Jahrhunderts, München 1914/16, Abt. B, S. 244–254 Bamberger Arzeneibuch. Text und Anmerkungen
  21. Pfeiffer (1863) S. 110–114, Zürcher Arzneibuch. Kommentar
  22. Pfeiffer (1863) S. 118–127, Zürcher Arzneibuch. Text
  23. Pfeiffer (1863) S. 163–200, Zürcher Arzneibuch. Wörterbuch
  24. Wilhelm (1914/16) S. 53–59, Zürcher Arzneibuch. Text
  25. Wilhelm (1914/16) S. 137–153, Zürcher Arzneibuch. Kommentar