Atovaquon

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Strukturformel
Atovaquon
Allgemeines
Freiname Atovaquon
Andere Namen

2-[trans-4-(4-Chlorphenyl)cyclohexyl]-3-hydroxy-1,4-naphthochinon (IUPAC)

Summenformel C22H19ClO3
Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 95233-18-4
EG-Nummer (Listennummer) 630-425-2
ECHA-InfoCard 100.158.738
PubChem 74989
ChemSpider 10482034
DrugBank DB01117
Wikidata Q418179
Arzneistoffangaben
ATC-Code

P01AX06

Wirkstoffklasse

Antiprotozoika

Eigenschaften
Molare Masse 366,84 g·mol−1
Aggregatzustand

fest

Dichte
  • 1,353 g·cm−3 (Polymorph I)[1]
  • 1,328 g·cm−3 (Polymorph III)[1]
Schmelzpunkt

222 °C (Polymorph III)[2][1]

Löslichkeit

praktisch unlöslich in Wasser[3]

Sicherheitshinweise
Bitte die Befreiung von der Kennzeichnungspflicht für Arzneimittel, Medizinprodukte, Kosmetika, Lebensmittel und Futtermittel beachten
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[4]
keine GHS-Piktogramme

H- und P-Sätze H: keine H-Sätze
P: keine P-Sätze[4]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen.

Atovaquon ist ein Arzneistoff, der zur oralen Therapie von Protozoen-Erkrankungen, wie der Malaria und der Toxoplasmose sowie der durch den Pilz Pneumocystis jirovecii verursachten Pneumocystis-Pneumonie (PCP), eingesetzt wird.

Sein Wirkmechanismus beruht auf einer durch Strukturanalogie zu Ubichinon (Coenzym Q) bedingten Störung des Cytochrom-bc1-Komplex des Krankheitserregers.[5]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Atovaquon wurde bei den Wellcome Research Laboratories ausgehend von Lapinon entwickelt und 1983 vorgestellt.[6][7]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Atovaquon ist ein gelblicher, kristalliner Feststoff,[1] der in drei polymorphen Formen auftreten kann.[2] Form I zeigt beim Aufheizen bei 197 °C eine enantiotrope Umwandlung in die Form III. Ein ähnliches Verhalten zeigt die Form II, welche sich schon bei 169 °C enantiotrop in Form III umwandelt. Form III zeigt bis zum Schmelzpunkt bei 222 °C keine Festphasenumwandlung. Die Schmelzenthalpie beträgt 35 kJ·mol−1.[1] Die Formen I und II stehen monotrop zueinander. Bei Raumtemperatur ist die Form I die thermodynamisch stabile Form. Alle drei Formen können mittels einer Lösungsmittelkristallisation gewonnen werden.[2] Die Formen I und III bilden beide ein monoklines Kristallsystem; beide kristallisieren in Raumgruppe P21/c (Raumgruppen-Nr. 14)Vorlage:Raumgruppe/14, haben jedoch unterschiedliche Kristallstrukturen.[1] Die mittlere inhibitorische Konzentration (IC50) gegenüber Pneumocystis sp. beträgt in vitro ebenso wie im Tiermodell 0,5 bis 8 µg/ml.

Medizinische Anwendung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Atovaquon wird von der Firma GlaxoSmithKline als Monotherapeutikum unter dem Markennamen Wellvone zur Behandlung von milden bis mäßig schweren Formen der Pneumocystis-Pneumonie und in Kombination mit Proguanil unter dem Markennamen Malarone zur Chemoprophylaxe und Therapie der Malaria angeboten. Malarone ist in den USA das häufigste Malaria-Prophylaktikum.[6]

Als häufigste Nebenwirkungen wurden Übelkeit, Hautausschlag und Juckreiz beobachtet, die bei mehr als 1 von 10 Behandelten beobachtet wurden; ferner Durchfall und Erbrechen, Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit.[8]

Atovaquon ist stark lipophil, nur gering wasserlöslich und wird nahezu vollständig an Plasmaproteine gebunden. Die Bioverfügbarkeit ist dosisabhängig und zeigt von Patient zu Patient eine große Variabilität. Bei gleichzeitiger Einnahme mit einer fettreichen Mahlzeit ist die Bioverfügbarkeit um das Zwei- bis Dreifache erhöht im Vergleich zur Einnahme im nüchternen Zustand. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 2 bis 3 Tage. Die Ausscheidung erfolgt weitgehend unverändert (unmetabolisiert) mit dem Stuhl.[8]

Synthese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ursprüngliche Synthese[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die ursprüngliche Synthese mit nur geringer Ausbeute[6] von Atovaquon startet mit einer Friedel-Crafts-Acylierung von Chlorbenzol mittels Acetylchlorid in Gegenwart von Cyclohexen. Das resultierende Chlorphenylcyclohexylmethylketon wird mit Brom zur substituierten Cyclohexancarbonsäure oxydiert. Im dritten Schritt erfolgt eine oxidative Kupplung mit 2-Chlor-1,4-naphthochinon. Das Zielmolekül wird durch die anschließende Hydrolyse mit methanolischer Natronlauge erhalten.[9]

Ursprüngliche Synthese von Atovaquon

Aktueller Syntheseweg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Inzwischen sind weitere Syntheserouten bekannt, die sich durch höhere Ausbeuten, geringere Materialkosten und eine verbesserte Nachhaltigkeit auszeichnen. Atovaquon [1] kann beispielsweise durch eine Reaktion von 1,4-Isochromandion [6] und 4-(4-Chlorophenyl)cyclohexan-1-carbaldehyd [9] gewonnen werden. Die Synthese von 1,4-Isochromandion [6] erfolgt hierbei ausgehend von Phthalsäureanhydrid [2], indem das Anhydrid portionsweise mit Malonsäure versetzt und bei einer Temperatur von 80 °C in Triethylamin zur Reaktion gebracht wird. Über eine ringöffnende Acetylierung wird 2-Acetylbenzoesäure [3] erhalten, die im nächsten Schritt einer säurekatalysierten Bromierung in Chlorbenzol unterzogen wird. Der Alkohol [4] entsteht nur in geringem Maß, weshalb das dibromierte Methylphthalid [5] in hoher Selektivität erhalten wird. Durch Zugabe von Wasser und Erhitzen unter Rückfluss wird das Zwischenprodukt in das 1,4-Isochromandion [6] überführt.

Synthese von 1,4-Isochromandion ausgehend von Phthalsäureanhydrid

4-(4-Chlorophenyl)cyclohexan-1-carbaldehyd [9] wird ausgehend von der 4-(4-Chlorophenyl)cyclohexan-1-carbonsäure [7] hergestellt. In einem ersten Schritt wird die Säure einer Chlorierung mit Oxalylchlorid in Ethylacetat in Anwesenheit von Dimethylformamid unterzogen, wodurch das Säurechlorid [8] erhalten wird. Anschließend erfolgt die Bildung des Aldehyds [9] über die Rosenmund-Reduktion. Anzumerken ist hierbei, dass als Träger des Palladiums Holzkohle verwendet wird.

Synthese von 4-(4-Chlorophenyl)cyclohexan-1-carbaldehyd und anschließende Reaktion mit 1,4-Isochromandion zu Atovaquon

Die Reaktion von 4-(4-Chlorophenyl)cyclohexan-1-carbaldehyd [9] und 1,4-Isochromandion [6] in Eisessig in Anwesenheit der Base Isobutylamin führt schließlich zur Bildung von Atovaquon [1].[10]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Luciana Malpezzi, Claudio Fuganti, Elisabetta Maccaroni, Norberto Masciocchi, Antonio Nardi: Thermal and structural characterization of two polymorphs of Atovaquone and of its chloro derivative. In: Journal of Thermal Analysis and Calorimetry. Bd. 102, 2010, S. 203–210, doi:10.1007/s10973-010-0685-0.
  2. a b c Patent US7847112: Noval Polymorphs of Atovaquone and Process of. Angemeldet am 26. Oktober 2006, veröffentlicht am 7. Dezember 2010, Anmelder: USV Ltd., Erfinder: Narayana Rao Mantripragada, Dhananjay Govind Sathe, Venkatasubramanian Radhakrishnan Tarur, Kamlesh Digambar Sawant, Gautam Ramjibhai Patel.
  3. The Merck Index. An Encyclopaedia of Chemicals, Drugs and Biologicals. 14. Auflage. Merck, Whitehouse Station NJ 2006, ISBN 0-911910-00-X, S. 865.
  4. a b Datenblatt Atovaquone bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 9. Mai 2017 (PDF).
  5. Josephine E. Siregar, Genji Kurisu, Tamaki Kobayashi, Motomichi Matsuzaki, Kimitoshi Sakamoto: Direct evidence for the atovaquone action on the Plasmodium cytochrome bc 1 complex. In: Parasitology International. Band 64, Nr. 3, Juni 2015, S. 295–300, doi:10.1016/j.parint.2014.09.011.
  6. a b c Gemma L. Nixon, Darren M. Moss, Alison E. Shone, David G. Lalloo, Nicholas Fisher: Antimalarial pharmacology and therapeutics of atovaquone. In: Journal of Antimicrobial Chemotherapy. Band 68, Nr. 5, Mai 2013, S. 977–985, doi:10.1093/jac/dks504, PMC 4344550 (freier Volltext).
  7. Patent US5053432: Naphthoquinone derivatives. Angemeldet am 26. Dezember 1989, veröffentlicht am 1. Oktober 1991, Anmelder: SmithKline Beecham, Erfinder: Alan T. Hudson, Anthony W. Randall.
  8. a b Fachinformation Wellvone Suspension, GlaxoSmithKline, München. Stand: Oktober 2018.
  9. Hermann Hager, Franz von Bruchhausen, Siegfried Ebel, Ulrike Holzgrabe: Hagers Handbuch der pharmazeutischen Praxis. Folgewerk. Band 4: Stoffe A – K. Springer, Berlin u. a. 1998, ISBN 3-540-62644-1, S. 122.
  10. Hugh Britton, David Catterick, Andrew N. Dwyer, Andrew H. Gordon, Stuart G. Leach, Chris McCormick, Clive E. Mountain, Alec Simpson, David R. Stevens, Michael W. J. Urquhart, Charles E. Wade, John Warren, Nick F. Wooster, Audrey Zilliox: Discovery and Development of an Efficient Process to Atovaquone. 11. September 2012.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Atovaquone – Sammlung von Bildern