Barwa (Niger)

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Karte
Lage von Barwa (rot) und Say (blau) in Niger

Barwa ist ein Dorf in der Landgemeinde Bosso in Niger.

Geographie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Dorf liegt im äußersten Südosten Nigers in der Landschaft Manga am ehemaligen Westufer des geschrumpften Tschadsees. Die Siedlung Bosso, Hauptort der Landgemeinde Bosso und des Departements Bosso in der Region Diffa, befindet sich rund 24 Kilometer südöstlich von Barwa.[1] Das Dorf ist Teil der 860.000 Hektar großen Important Bird Area des Graslands und der Feuchtgebiete von Diffa. Zu den in der Zone beobachteten Vogelarten zählen Arabientrappen, Beaudouin-Schlangenadler, Braunrücken-Goldsperlinge, Fuchsfalken, Nordafrikanische Lachtauben, Nubiertrappen, Prachtnachtschwalben, Purpurglanzstare, Rothalsfalken, Sperbergeier und Wüstenspechte als ständige Bewohner sowie Rötelfalken, Steppenweihen und Uferschnepfen als Wintergäste.[2]

Alternative Schreibweisen des Ortsnamens sind Baroua, Barroua, Barrua, Barruwa, Barua, Baruwa und Burwha.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Barwa (Barrua) am Tschadsee auf einer Karte aus der Encyclopædia Britannica von 1911

Barwa spielte eine Rolle in der europäischen Entdeckungsgeschichte Afrikas und im Wettlauf um Afrika. Die britischen Afrikaforscher Hugh Clapperton, Dixon Denham und Walter Oudney besuchten Barwa 1823 nach ihrer Nord-Süd-Sahara-Durchquerung. Sie beschrieben den Ort als von einer hohen Mauer umgeben, die allen Angriffe durch Tuareg widerstanden hatte, und schätzten die Einwohnerzahl auf 5000 bis 6000.[3] Der deutsche Afrikaforscher Heinrich Barth versah sich 1854 hier mit getrockneten Fischen als Reiseproviant, bevor er nordwärts in die Sahara weiterreiste.[4] Der deutsche Afrikaforscher Gerhard Rohlfs machte 1866 in Barwa Station und beschrieb den Ort als von einer Erdmauer umgeben.[5][6] Im Jahr 1870 besuchte auch der deutsche Afrikaforscher Gustav Nachtigal die Siedlung.[7]

Das französisch-britische Übereinkommen vom 5. August 1890 legte den Grenzverlauf zwischen den Einflusssphären der beiden Kolonialmächte entlang einer imaginären Linie zwischen Barwa und Say am Fluss Niger fest. Die Say-Barwa-Linie wurde durch das Pariser Übereinkommen vom 14. Juni 1898 aufgegeben, mit dem die Sultanate Maradi, Tessaoua und Zinder Frankreich zugesprochen wurden.[8] Die französische Forschungs- und Militärexpedition Mission Foureau-Lamy besuchte Barwa am 4. Februar 1900.[9] In den 1920er Jahren galt die durch den Ort führende und 1375 Kilometer lange Piste von Niamey nach N’Guigmi als einer der Hauptverkehrswege in der damaligen französischen Kolonie Niger. Sie war in der Trockenzeit bis Guidimouni und wieder ab Maïné-Soroa von Automobilen befahrbar.[10]

In Barwa hatten sich 2014 viele Flüchtlinge aus dem Nachbarland Nigeria niedergelassen, die ihre Heimat wegen der Terroraktivitäten von Boko Haram verlassen mussten. Um daraus resultierenden Epidemien vorzubeugen, ließ das Internationale Komitee vom Roten Kreuz im selben Jahr in Barwa sowie in den Orten Bandi, Bosso, Dagaya und Toumour Masernimpfungen bei fast 30.000 Kindern durchführen.[11] Über 4000 Bewohner von Barwa, die alle der Volksgruppe der Kanuri angehörten, flohen im Juli 2016 vor Boko Haram in den Weiler N’Gagam in der Nachbargemeinde Gueskérou. Als N’Gagam im März 2019 angegriffen wurde, flüchteten diese Menschen weiter in das Dorf Kindjandi in Gueskérou und in die Regionalhauptstadt Diffa.[12]

Bevölkerung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Barwa hatte 1974 Einwohner in 446 Haushalten bei der Volkszählung 1988,[13] 1529 Einwohner in 288 Haushalten bei der Volkszählung 2001[14] und 3292 Einwohner in 611 Haushalten bei der Volkszählung 2012.[1]

Barwa ist eines der Hauptzentren der Kanuri-Untergruppe Sugurti.[15]

Kultur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Barwa ist ein Schauplatz der Abenteuerromane Les tueurs de serpents (1892) von Armand Dubarry und Vers le Tchad (1897) von Léo Dex.[16]

Wirtschaft und Infrastruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Barwa gehört neben den Dörfern Blatoungour, Doro Léléwa und Gadira zu den wichtigsten Anlegestellen für die Fischerei am Tschadsee in Niger.[17] Im Ort wird ein Wochenmarkt abgehalten.[18] Der Markttag ist Mittwoch.[19] Mit einem Centre de Santé Intégré (CSI) ist ein Gesundheitszentrum im Dorf vorhanden.[20] Die Niederschlagsmessstation von Barwa wurde 1981 in Betrieb genommen.[21]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Répertoire National des Localités (ReNaLoc). (RAR) Institut National de la Statistique de la République du Niger, Juli 2014, S. 30, abgerufen am 7. August 2015 (französisch).
  2. Important Bird Areas factsheet: Diffa-Kinzindi grassland and wetlands. BirdLife International, abgerufen am 3. März 2022 (englisch).
  3. Dixon Denham, Hugh Clapperton, Walter Oudney: Narrative of Travels and Discoveries in Northern and Central Africa. In the Years 1822, 1823, and 1824. 3. Auflage. Vol. 1. John Murray, London 1828, S. 199.
  4. Heinrich Barth: Reisen und Entdeckungen in Nord- und Central-Afrika. Fünfter Band. Justus Perthes, Gotha 1858, S. 407–408.
  5. Gerhard Rohlfs: Quer durch Afrika: Kauar und die Tebu im Projekt Gutenberg-DE
  6. Gerhard Rohlfs: Quer durch Afrika. K. Thienemanns Verlag, Stuttgart/Wien 1984, ISBN 3-522-60580-2, Kap. 15 (Erstausgabe: 1874).
  7. Gustav Nachtigal: Sahara und Sudan. Ergebnisse sechsjähriger Reisen in Afrika. Erster Teil. Wiegandt, Hempel & Parey, Berlin 1879, S. 571.
  8. Edmond Séré de Rivières: Histoire du Niger. Berger-Levrault, Paris 1965, S. 260.
  9. Fernand Foureau: Documents scientifiques de la mission saharienne. Mission Foureau-Lamy d’Alger au Congo par le Tchad. Atlas (Kartograf: Verlet-Hanus). Masson, Paris 1905 (jubilotheque.upmc.fr [abgerufen am 6. Mai 2018]).
  10. Maurice Abadié: La Colonie du Niger. Mit einem Vorwort von Maurice Delafosse. Société d’Editions Géographiques, Maritimes et Coloniales, Paris 1927, S. 426.
  11. Niger: Massive food-aid project for people fleeing conflict in Nigeria. Internationales Komitee vom Roten Kreuz, 13. Januar 2015, abgerufen am 2. Juli 2021 (englisch).
  12. Site de Kindjandi, commune de Gueskérou, Département de Diffa. (PDF) International Rescue Committee, 29. März 2019, abgerufen am 19. Februar 2021 (französisch).
  13. Recensement Général de la Population 1988: Répertoire National des Villages du Niger. Bureau Central de Recensement, Ministère du Plan, République du Niger, Niamey März 1991, S. 44 (ceped.org [PDF; abgerufen am 31. Januar 2018]). www.ceped.org (Memento vom 31. Januar 2018 im Internet Archive)
  14. Répertoire National des Communes (RENACOM). (RAR-Datei) Institut National de la Statistique, abgerufen am 8. November 2010 (französisch).
  15. Norbert Cyffer: A Survey of the Kanuri Language. In: Norbert Cyffer, Thomas Geider (Hrsg.): Advances in Kanuri Scholarship (= Westafrikanische Studien. Band 17). Köppe, Köln 1997, ISBN 978-3-89645-104-0, S. 74.
  16. Daniel Mignot, Jean-Dominique Pénel: Le Niger dans la littérature française. In: Marie-Clotilde Jacquey (Hrsg.): Littérature nigérienne (= Notre librairie. Nr. 107). CLEF, Paris 1991, S. 25.
  17. Informations sur l’aménagement des pêches dans la République du Niger. FAO, Januar 2004, archiviert vom Original am 4. April 2019; abgerufen am 16. April 2022 (französisch).
  18. Niger. Evaluation de la faisabilité du transfert monétaire multisectoriel dans la région de Diffa. (PDF) REACH Initiative, August 2019, S. 45, abgerufen am 20. März 2021 (französisch).
  19. Contribution de la région de Diffa à la révision de la stratégie de réduction de la pauvreté au Niger. Comité régional de la révision de la stratégie de réduction de la pauvreté, région de Diffa, 20. September 2007, S. 48 (pdfhall.com [abgerufen am 4. Juli 2021]).
  20. Niger DSS. In: Systeme Nationale d’Information Sanitaire (SNIS). Ministère de la Santé Publique, République du Niger, abgerufen am 10. November 2020 (französisch).
  21. Evaluation Hydrologique de l’Afrique Sub-Saharienne. Pays de l’Afrique de l'Ouest. Rapport de Pays: Niger. Mott MacDonald International / BCEOM / SOGREAH / ORSTOM, Cambridge / Montpellier / Grenoble August 1992, Annexe E: Liste des postes pluviométriques, S. 6 (horizon.documentation.ird.fr [PDF; abgerufen am 16. März 2022]).

Koordinaten: 13° 53′ N, 13° 10′ O