Benutzer:Boehme-Neßler/Artikelrampe

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Hohe Abbildungsschärfe
Abbildungsunschärfe

Die Unschärfe ist eine Form der Ungenauigkeit, Unbestimmtheit bzw. Ungewissheit bei der Abbildung bzw. Wiedergabe eines Objekts oder Sachverhalts. Unschärfe ist nicht zwangsläufig ein Fehler – teilweise ist sie sogar erwünscht.

Grundlagen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Absolute Schärfe (als Gegenteil der Unschärfe) definiert sich als 100%ige Unterscheidbarkeit von Details (bei der Wiedergabe eines Abbildes oder Sachverhaltes). Absolute Unschärfe ist der Mangel sämtlicher Unterscheidungsmerkmale.
In beiden Fällen - Schärfe und Unschärfe - sind 100%ige Zustände praktisch unmöglich.

Unschärfe definiert sich als eine bestimmte (also keine 100%ige) Ungenauigkeit eines Objekts oder Sachverhalts – immer in Abhängigkeit vom Kontext der Betrachtung. Dieser Maßstab – also der Kontext – bestimmt eine Wahrnehmung als "unscharf".

  • Beispiel für Unschärfe in der Abbildung:
Abhängig vom Bewertungsmaßstab wird das linke Foto (enthält weniger Kontrast) oder das rechte Foto (enthält weniger Details) als unschärfer empfunden.
  • Beispiel für Unschärfe in der Wiedergabe eines Sachverhaltes:
"Alle Vögel fliegen mit Hilfe ihrer Flügel". Diese Aussage enthält ein bestimmtes Maß an Unschärfe, was sich in verschiedenen Deutungsmöglichkeiten ausdrückt:
  1. Beispiel: Alle Vögel können fliegen, denn sie haben Flügel. Diese Aussage wäre eine Lüge.
  2. Beispiel: Wenn Vögel fliegen, fliegen sie mit Hilfe ihrer Flügel. Diese Aussage ist kontextabhängig.

Physik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unschärfe eines Schneekristalls in Abhängigkeit vom Betrachtungsmaßstab.

Abgesehen von Messfehlern der Geräte tritt Unschärfe in der Physik im Zusammenhang mit Wellenphänomenen und Messungen auf und wird dann manchmal prinzipielle Unschärfe genannt, weil sie nicht durch technische Mängel der Geräte verursacht wird.

Optik und Fotografie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das physikalische Maß für die Schärfe (und Unschärfe) in einem optischen System ist die Kantenschärfe. Damit wird ein spezielles Kriterium bezeichnet, das sich an Kanten beobachten lässt. Je abrupter dabei die Übergänge von Dunkel zu Hell sind, desto schärfer ist die Abbildung. Die Kantenschärfe ist dabei eine Angelegenheit der (Licht-) Öffnung: Ein unendlich kleines Loch in der Camera Obscura lässt ein unendlich scharfes (ohne Berücksichtigung der Beugungseffekte), aber auch unendlich dunkles Bild entstehen. Wenn man das Loch endlich groß macht, wird das Bild heller, aber auch weniger scharf. Damit ist weder ein 100% scharfes, noch ein 100% unscharfes Bild möglich.
Kantenschärfe hat nichts mit Auflösung zu tun.

Innerhalb der genannten Grenzen lässt sich die Schärfe/Unschärfe eines optischen Systems beeinflussen.
Eine scharfe Abbildung entsteht, wenn jeder Punkt der Objektebene in einem Punkt auf der Bildebene abgebildet wird. Wenn ein Teil der Abbildung sich vor oder hinter der Bildebene befindet, entsteht eine unscharfe Abbildung. Durch Veränderung des Abstandes des Objektivs kann eine Scharfstellung für einen Teilbereich der Abbildung erzielt werden. Unschärfe durch unterschiedlichen Verlauf von Randstrahlen und Strahlen, die durch das Zentrum des Objektivs laufen, kann durch Abblenden reduziert werden. Abblenden vergrößert den Schärfentiefebereich. Nach demselben Prinzip entsteht bei Kurz- oder Weitsichtigkeit ein unscharfes Bild auf der Netzhaut, das durch eine den Strahlengang verändernde Linse (Brille oder Kontaktlinse) korrigiert werden kann.
Unschärfe in der Fotografie wirkt teilweise wie eine Begrenzung des Frequenzspektrums der Ortsfrequenzen - das entspricht einem Tiefpass (= die Höhen werden weggenommen).

Unschärfe entsteht auch durch:

Ein bestimmtes Maß an Unschärfe sind typische Wesensmerkmale von Fotos:

  • weiche Verläufe zwischen den Farben
  • Farbflächen mit natürlicher Strukturierung
  • Verschmelzungen verschiedener Bildelemente (ohne Kanten, die „wie mit der Schere geschnitten“ aussehen).

Quantenmechanik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der Quantenmechanik kann man oft nur Wahrscheinlichkeiten für die Messergebnisse vorhersagen. Die Ergebnisse sind je nach präpariertem Zustand mehr oder weniger unscharf. Die heisenbergsche Unschärferelation besagt, dass das Produkt von Ortsunschärfe und Impulsunschärfe nicht kleiner als das plancksche Wirkungsquantum geteilt durch zwei sein kann.

Illustriert wird diese unscharfe Beobachtungsmöglichkeit in der Quantenmechanik durch das Gedankenexperiment "Schrödingers Katze".

Wellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Unschärfe bei Messungen mit Wellen liegt daran, dass Wellen nicht genau lokalisiert sind: Anfang und Ende einer Welle müssen definiert werden. Zum Beispiel: Wenn der Wasserpegel die Höhe von 1 Meter übersteigt, dann ist die Welle eingetroffen. Entsprechendes gilt für das Ende der Welle. Beides gilt sowohl räumlich als zeitlich. Die Welle ist also nicht genau auf einen Punkt oder Zeitpunkt lokalisiert, sondern immer von hier bis da.

Solche oder ähnliche Definitionen werden gebraucht, weil sonst gar keine Aussage über das Eintreffen einer Welle möglich sind, oder eben nur unscharfe Aussagen wie: Die Welle kommt jetzt vielleicht langsam an, ich glaube, das Wasser steigt leicht an. Die obige Definition über das Eintreffen der besagten Wasserwelle ermöglicht erst die Aussagen: Welle ist da oder Welle ist nicht da.

Einige Folgerungen, die auf der Basis solcher Definitionen für ein bestimmtes Wellenphänomen geschlossen werden, werden manchmal leichtfertig als prinzipielle Unschärfe dieses Wellenphänomens bezeichnet, da sie nicht von technischen Mängeln der Messgeräte abhängen. Solche Unschärfen sind nicht notwendig zeitlich oder räumlich, sondern können dann auch andere Messgrößen wie Energie und Impuls betreffen.

Für die Unschärfe bei Messungen an Wellen gilt die Faustregel:

Je größer die Wellenlänge, umso größer die Unschärfe.

Zusammen mit der Beziehung, dass sich die Geschwindigkeit einer Welle als Anzahl der Schwingungen pro Sekunde, mal Länge einer Schwingung (Geschwindigkeit = Frequenz * Wellenlänge) errechnet, folgen daraus (bei gleicher Wellengeschwindigkeit, d.h. ohne Dispersionsrelation) einige andere Aussagen:

Je höher die Frequenz, desto schärfer ist das Bild. Je kleiner die Wellenlänge, desto kleiner ist die Unschärfe.

Oft ist die Frequenz einer Welle mit der Energie, die die Welle transportiert, in der Form verknüpft, dass die Energie der Welle mit steigender Frequenz ansteigt, d.h. kürzere Wellenlängen transportieren mehr Energie. Kürzere Wellenlängen sind aber zur Verringerung der Unschärfe bei der Betrachtung eines Gegenstandes erwünscht. Allgemein gesagt steigt also die Gefahr an, einen Gegenstand zu zerstören, wenn er scharf betrachtet wird.

Beispiele für Unschärfen bei Wellen sind:

Logik und Sprachtheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die klassische Logik zeichnet sich durch zwei scharfe Zustände aus: wahr und falsch. Die Lebenserfahrung zeigt aber, dass diese beiden Wahrheitswerte oft nicht genügen. Unscharfe Logik, wie die Fuzzy-Logik, führt oft zu besseren Ergebnissen. Das ist besonders dann der Fall, wenn die Vorlagen vage oder ungenau sind. Auf den Ergebnissen der Logik aufbauende Sprachtheorien, wie die analytische Philosophie sind schon seit dem Universalienstreit mit unscharfen Phänomenen konfrontiert. Der logische Positivismus hat versucht eineindeutige Begriffe zu formulieren, was ihm höchstens in Teilbereichen der Sprache gelang. Selbst in Fachsprachen lässt sich keine Eineindeutigkeit herstellen,[1] die Alltagssprache ist von Unschärfe in besonderem Maße betroffen.

Unschärfe ist verwandt mit dem Konzept der Mehrdeutigkeit (Ambiguität). Unschärfe bezieht sich aber auf den Gegenstand, der dargestellt oder abgebildet werden kann, während sich Mehrdeutigkeit mit der Interpretation des Gegenstandes beschäftigt. Da die Phänomene der Unschärfe und der Mehrdeutigkeit verwandt sind, lassen sich mit ähnlichen Methoden Unschärfen verringern.

  • Definitionen: Bestimmte sprachliche Zeichen lassen sich definieren, indem man sie auf einen Gegenstand bezieht (Referenz (Linguistik)). Bei vagen Begriffen ist es jedoch schwierig, auf diese Art Eindeutigkeit zu erzielen.
  • Bezug auf eine Kernbedeutung: In der Prototypensemantik werden besonders unumstrittene Begriffe als Ausgangspunkt genommen um dann die anderen vergleichbaren Begriffen innerhalb eines Wortfeldes festzulegen. Besonders bei offenen Wortfeldern erzielt man so eine höhere Eindeutigkeit.
  • Kontextualisierung: Indem man die Sprache verdichtet (vgl. dichte Beschreibung) d.h. die Punkte einer Beschreibung mit den Punkten anderer Beschreibungen in Beziehung setzt.

Psychologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Als unscharf können auch soziale Situationen bezeichnet werden, deren Informationsgehalt verschwommen ist und die in der Wahrnehmung eines Beobachters ein Gefühl der Unbestimmtheit, Unbestimmbarkeit oder Ratlosigkeit hinterlässt, sodass keine eindeutigen oder zufrieden stellenden Verhaltensvarianten als Reaktion wählbar sind. Diese Art von Situation wird als sehr unangenehm interpretiert, da eine Orientierung als schwierig bis unmöglich empfunden wird. Im schlimmsten Fall kann eine große Anzahl solcher Situationen (Erlebnisse) krankmachend sein.

Siehe Schema (Psychologie), Pluralistische Ignoranz (wenn ein Mensch sich in einer mehrdeutigen, schwer einschätzbaren Situation befindet und nicht weiß, was zu tun ist, schaut er sich danach um, was die anderen tun)

Recht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Grundsätzlich ist das Recht vom Ideal der Schärfe geprägt. Rechtsdenken will möglichst präzise und eindeutig - also scharf sein. Es ist deshalb auch von der Entweder-Oder-Logik geprägt. Ein Beispiel: Entweder ist ein Verhalten strafbar, oder es ist nicht strafbar. In jüngster Zeit beginnen Rechtswissenschaftler darüber nachzudenken, ob und wie die Unschärfe zu einem relevanten Paradigma für die Rechtstheorie werden könnte - oder sogar müßte. Inzwischen wird über das unscharfe Recht diskutiert (bahnbrechend dazu Boehme-Neßler, 2008, S. 655 ff. und pass.)


Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. siehe dazu: Roelcke, Thorsten (1999), Fachsprachen, Berlin, S. 66–69.

Volker Boehme-Neßler: Unscharfes Recht. Überlegungen zur Relativierung des Rechts in der digitalisierten Welt. Berlin: Duncker&Humblot. 2008 ISBN 978-3-428-12938-6.


Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]