Benutzer:Chiananda/Verwandtschaft (Entwurf)

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Verwandtschaft (von mittelhochdeutsch verwant „zugewandt, zugehörig“; Partizip von verwenden: „hinwenden“)[1] bezeichnet im engeren Sinne ein Verhältnis zwischen Lebewesen, das auf der biologischen Abstammung von einander oder einem anderen Lebewesen beruht. Dabei besteht eine anteilige Übereinstimmung der Erbinformationen, die als Verwandtschaftskoeffizient berechnet wird und umso geringer ist, je mehr Generationen zwischen den Lebewesen und ihrem letzten gemeinsamen Vorfahren liegen. Biologisch besteht auch eine Verwandtschaft zwischen Arten. In menschlichen Gemeinschaften kommen zur leiblichen Blutsverwandtschaft noch andere, kulturell geprägte Formen von Verwandtschaft hinzu: rechtlich festgelegte Verwandtschaft (beispielsweise durch Adoption), Schwägerschaft und Stiefverwandtschaft (durch Heirat) und darüber hinaus soziale Verwandtschaften wie Pflegeeltern, Taufpaten oder Nenn-Verwandte. Grundsätzlich wird zwischen engen und entfernten Graden der Verwandtschaft unterschieden. Die Ethnologie (Völkerkunde) kennt weltweit unterschiedliche Verwandtschaftssysteme mit jeweils eigenen Verwandtschaftsterminologien.

Umgangssprachlich werden gleichbedeutend auch die Bezeichnungen Familie oder Angehörige verwendet, ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Grundlagen der möglichen Verwandtschaft. So wird ein Ehepartner als Familienmitglied und Angehöriger bezeichnet, obwohl keine Kultur die Ehe als Verwandtschaft zwischen den Partnern ansieht. Als „meine ganze Verwandtschaft“ wird umgangssprachlich auch die Gesamtheit aller Personen bezeichnet, zu denen verwandtschaftliche oder familiäre Beziehungen bestehen.

Im übertragenen Sinne wird Verwandtschaft auch auf Objekte oder Ideen bezogen, die eine gemeinsame Herkunft haben.

Biologische Verwandtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei zweigeschlechtlichen Lebewesen wird zwischen der mutter- und der vaterseitigen Abstammung und den Verwandtschaftsbeziehungen entlang der jeweiligen Abstammungslinie unterschieden.

Die ursprüngliche und augenscheinlichste Form der Verwandtschaft bildet die Abstammung von einander oder einem gemeinsamen Vorfahren (Blutsverwandtschaft), an erster Stelle zwischen einer Mutter und ihrem Kind. Die biologische Abstammungslinie zwischen einem Vater und seinem Kind erhält erst mit der Entdeckung der leiblichen Vaterschaft ab etwa 10.000 v. Chr. eine eigenständige Bedeutung. Allerdings bleibt die genetische Vaterschaft bis ins späte 20. Jahrhundert kaum zu beweisen (siehe Fehlender Vaterschaftsbeweis), erst moderne Gen-Analysen ermöglichen eindeutige Abstammungsgutachten. Noch heute spielen Vaterschaftsvermutung und Vaterschaftsanerkennung eine wichtige Rolle im Sozialleben, dazu kommen aktuelle Fragen bezüglich Eizellspenden und Leihmutterschaft (siehe auch Biologische Elternschaft).

Genauso augenscheinlich ist die biologische Abstammung des Kindes einer Tochter von deren Mutter, der Großmutter, übertragen dann auch auf das Kind eines Sohnes als über ihn vom Großvater abstammend.

Verwandtschaft bezeichnet eine grundlegende und ursprüngliche Form der sozialen Beziehung zwischen Menschen, die kulturabhängig auf verschiedenen Grundlagen beruhen kann: auf biologischer Abstammung (Blutsverwandtschaft), auf rechtlicher Anerkennung (beispielsweise Adoption), auf Verschwägerung (angeheiratet) und darüber hinaus auf sozialer Verwandtschaft (Pflegeeltern, Taufpaten, Nenn-Verwandte). Je nach Kultur können Bezugspersonen bei der Zuschreibung als verwandt bereits aufgrund ihres Geschlechts oder wegen einer als bedeutungslos angesehenen Geschwisterschaft ausgenommen sein.[2] Grundsätzlich wird zwischen engen und entfernten Graden der Verwandtschaft unterschieden. Die Ethnologie (Völkerkunde) kennt weltweit ganz unterschiedliche Verwandtschaftssysteme mit jeweils eigenen Verwandtschaftsterminologien.

Der Verwandtschaftskoeffizient (abgekürzt: R) berechnet die Nähe der biologischen Verwandtschaft zweier Lebewesen anhand der Wahrscheinlichkeit, dass sie dieselbe (zufällig ausgewählte) Erbinformation von einander oder einem gemeinsamen Vorfahren geerbt haben. Vollständige Überein­stimmung der Erbanlagen besteht bei eineiigen Zwillingen und künstlich erzeugten Klonen, weil sie genetisch identische Individuen sind – folglich haben sie einen Koeffizienten von 1,0 (100 Prozent). Demgegenüber beträgt die statistische Wahrscheinlichkeit, dass zwei beliebige, nicht eng verwandte Individuen dieselbe per Zufall ausgesuchte Erbinformation besitzen, rund 6 Prozent.

einschränkende kulturelle Abstammungsregeln Je nach Kultur können Bezugspersonen bei der Zuschreibung als verwandt bereits aufgrund ihres Geschlechts oder wegen einer als bedeutungslos angesehenen Geschwisterschaft ausgenommen sein.[2]

  1. Abstammungsregeln (kulturell)

Rechtliche Verwandtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die juristische Definition von Verwandtschaft ist Aufgabe des Gesetzgebers.

Nähe der Verwandtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Häufig wird zwischen nahen Verwandten („meine Tochter“) und entfernten Verwandten unterschieden („meine Tante zweiten Grades“: Tochter eines Sohnes der Urgroßmutter mütterlicherseits).

Soziale Verwandtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schwägerschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im weiteren Sinne werden auch Beziehungen, die nur auf Partnerschaften, insbesondere auf Ehen beruhen, als Verwandtschaft bezeichnet. Im deutschen Recht gilt Schwägerschaft aber nicht als Verwandtschaft.

Schwiegerkind

Stiefverwandtschaft[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Soziale Beziehungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

soziale oder kulturelle Abstammungsregeln

soziale Elternschaft

Pflegefamilie

Nenn-Verwandte

Verwandtschaftsbezeichnungen – insbesondere „Onkel” und „Tante” – werden häufig auch für Menschen benutzt, die einem besonders nahestehen und eine vergleichbare soziale Rolle einnehmen, auch wenn sie nicht im engeren Sinne verwandt sind („Nenn-Onkel” bzw. „Nenn-Tante”).

Übertragene Verwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Mythologisch

In der Mythologie werden auch menschliche Verwandtschaftsbeziehungen zu Gottheiten und Tieren konstruiert sowie verwandtschaftliche Beziehungen dieser untereinander (beispielsweise die Olympischen Götter des antiken Griechenlands).

Allegorisch

Als Allegorie werden häufig auch verschiedenste nahe Beziehungen als Verwandtschaft bezeichnet, beispielsweise:

Europäische Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im europäischen Mittelalter umfasste die Bezeichnung familia zunächst alle Hörigen eines Grundherren. Die eigentliche Familie fasste man unter der Bezeichnung „ganzes Haus“ zusammen, das neben den Mitgliedern der Kernfamilie (Eltern und Kinder) auch unverheiratete Verwandte und Bedienstete einschloss.

Verwandtschaft und Familie waren neben dem Lehens- und Leihewesen die Grundbausteine der Gesellschaft und sozialen Ordnung. Verwandtschaft und Politik hingen, vor allem in den Schichten des Adels, häufig zusammen. Durch Heiraten wurden Familien miteinander verbunden. Dabei standen zunächst agnatische Verwandtschaft (Verwandtschaft auf männlicher Linie, Geschlecht) und kognatische Verwandtschaft (Verwandtschaft der mütterlichen Linie und Schwiegerverwandtschaft, Sippe) gleichberechtigt nebeneinander, während die agnatische zunehmend an Bedeutung gewann. Es bildeten sich endogame Heiratsverbände, das heißt Verbände von Familien, die immer wieder untereinander heirateten und so ihr Heiratsnetz unter einer Abschottung nach außen immer mehr verdichteten. Allerdings waren diese Bündnissysteme alles andere als stabil. Verwandt war vor allem, wer sich als verwandt erinnerte. Neue Heiratsbündnisse konnten alte aufsprengen, die politische Situation die Verwandtschaft belasten.

Geschlechter gründeten sich um einen integrativen Punkt, ein einendes Element, auf das sich alle Angehörigen berufen konnten. Dies konnte ein gemeinsamer Name sein (etwa der eines Stammvaters, der als Vorfahre des ganzen Geschlechts galt oder eine für das Geschlecht wichtige Leistung vollbracht hat). Ab dem 9. oder 10. Jahrhundert wurden Burgen, welche die Adelshöfe ablösten, ebenfalls zu Zentren adliger Geschlechter. Auch Klöster und adlige Familien gingen ein Bündnis ein: Während das Geschlecht das Kloster vor dem Einfluss des Königs schützte, bewahrte das Kloster die Memoria, das heißt die geschichtliche Erinnerung des Geschlechtes, die wiederum zur Einigung desselben führte. Des weiteren können ikonographische Zeichen, besonders auf Wappen oder Siegeln einen Verwandtschaftsverband hinter sich versammeln.

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Michael Wagner, Yvonne Schütze (Hrsg.): Verwandtschaft. Sozialwissenschaftliche Beiträge zu einem vernachlässigten Thema (= Der Mensch als soziales und personales Wesen. Band 14). Enke, Stuttgart 1998, ISBN 3-432-30151-0 (12 Beiträge verschiedener Autoren; Leseprobe in der Google-Buchsuche).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Verwandtschaft (kinship) – Bilder und Mediendateien
  • Gabriele Rasuly-Paleczek: Einführung in die Formen der sozialen Organisation (Teil 1/5). (PDF; 1 MB) Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, 2011, S. 11–32, archiviert vom Original am Oktober 2013; abgerufen am 20. September 2014 (32 Seiten; Unterlagen zu ihrer Vorlesung im Sommersemester 2011).
  • Hans-Rudolf Wicker: Verwandtschaft als primäre Form sozialer Organisation. (PDF; 532 kB) In: Leitfaden für die Einführungsvorlesung in Sozialanthropologie. Institut für Sozialanthropologie, Universität Bern, 2005, S. 2–16, abgerufen am 20. September 2014 (45 Seiten, überarbeitete Version).
  • Helmut Lukas, Vera Schindler, Johann Stockinger: Verwandtschaft. In: Interaktives Online-Glossar: Ehe, Heirat und Familie. Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, 1997, abgerufen am 20. September 2014 (vertiefende Anmerkungen im Eintrag „Blutsverwandtschaft“, mit Quellenangaben).
  • Wolfgang Kraus: Kinship Studies. (PDF; 834 kB) In: Strategien für vernetztes Lernen: Eine Lernumgebung zu Methoden und Grundlagenwissen. Institut für Kultur- und Sozialanthropologie, Universität Wien, 2008, archiviert vom Original am 4. Oktober 2013; abgerufen am 20. September 2014 (deutsch, 24 Seiten; grundlegende Einführung in die ethnosoziologische Verwandtschaftsforschung).
  • Brian Schwimmer: Kinship Fundamentals. In: Tutorial: Kinship and Social Organization. Department of Anthropology, Universität Manitoba, Kanada, abgerufen am 20. September 2014 (englisch, umfangreiches Verwandtschaftstutorial).
Wiktionary: Verwandtschaft – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Duden online: verwandt. Stand: Juli 2014; abgerufen am 21. September 2014.
  2. a b Yvonne Schütze, Michael Wagner: Verwandtschaft – Begriff und Tendenzen der Forschung. In: Dieselben (Hrsg.): Verwandtschaft. Sozialwissenschaftliche Beiträge zu einem vernachlässigten Thema. Enke, Stuttgart 1998, S. 7–16, hier S. 7 (Seitenansicht in der Google-Buchsuche).