Benutzer:Chricho/Entwürfe/Wolfgang Treher

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Wolfgang Treher (* 4. März 1919 in Berlin) ist ein deutscher Psychiater. Er ist öffentlich durch seine psychopathographischen Schriften in Erscheinung getreten, die versuchen, ein psychiatrisches Verständnis einiger Personen der neuzeitlichen Welt- und Geistesgeschichte zu erlangen und diese Erkenntnisse in Bezug zur Wirkungsgeschichte dieser Personen zu setzen.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Treher studierte nach Eigenverlagsangaben in Berlin Medizin. Er war diesen zufolge Truppenarzt auf deutscher Seite im Zweiten Weltkrieg und wurde 1950 aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft entlassen. In Frankfurt wurde er zum Facharzt für Neurologie und Psychiatrie ausgebildet. Dort promovierte er mit der 1954 eingereichten Arbeit Zur Pathologie der Seelenbewegung: Eine Studie über schizophrene Innenvorgänge auf der Grundlage der Forschungen von Ludwig Klages.[1] Nach den Eigenverlagsangaben arbeitete er 1952 bis 1981 im Psychiatrischen Landeskrankenhaus Emmendingen.

Sein Buch Das Oknosprinzip erschien 1962 im Verlag Ernst Reinhardt, seine weiteren fünf Bücher im Eigenverlag bzw. unter dem Label OKNOS VERLAG, zuletzt 1993.

Psychopathographien[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In seinen Schriften befasste sich Treher mit den Philosophen Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Jean-Jacques Rousseau, dem Begründer der Anthroposophie Rudolf Steiner, dem Schriftsteller Ernst Jünger, Adolf Hitler und dem in der Geschichte der Psychologie und Psychiatrie auf Grundlage seiner Niederschriften eingehend studierten Psychotiker Daniel Paul Schreber.

Hitler, Steiner, Schreber[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Nachwort zur 2. Auflage seines Werks Hitler, Steiner, Schreber resümmiert Treher die Rezeption dieses Werkes:

„Die Psychiater schlagen mein Buch nicht auf; bei den Historikern kommt es gar nicht vor. […]

Psychiater und Historiker konstituieren sich in universitären Forschungsgemeinschaften, die als geschlossene Gesellschaften in verdunkelten Zimmern über die Dunkelheit diskutieren, während draußen die Sonne scheint.“[2]

Rudolf Steiner um 1900

Treher beschrieb in Hitler, Steiner, Schreber 1966 Hitlers „Stimmen hören“ als Symptom von „Umsessenheit“ und seine „Seelenspaltung“ als einen auch bei Fällen von Besessenheit zu konstatierenden Mechanismus, und leitete daraus die Diagnose Schizophrenie ab.[3][4] Treher arbeitete anschließend große Ähnlichkeiten zwischen den „Wahnsystemen“ des deutschen Diktators, den von ihm attestierten psychiatrischen Symptomen Steiners, den er für viel kränker als Hitler hielt, und des Senatspräsidenten Daniel Paul Schrebers heraus,[3] die zum Verständnis der Psychopathographie Adolf Hitlers beitragen könnten. Steiners Selbstbezeichnung der Quelle seiner Schriftensammlung Aus der Akasha-Chronik als „lebende Schrift“ entspreche dem „Stimmen hören“ der Schizophrenen.[5] Nach Treher seien in Steiners Schriften bis 1897 keine überzeugenden Hinweise auf eine beginnende Störung zu finden. Der Beginn sei also entweder auf dieses Jahr oder auf den Sommer 1902 zu datieren, als Zeitzeugen eine Wesensveränderung bei ihm beschrieben hätten.[6]

Die These einer Schizophrenie Steiners wird in der neueren Literatur zu Steiner und zur Anthroposophie vereinzelt aufgegriffen.[7]

Der Historiker James Webb (1975)[8] und der Steiner-Biograf Colin Wilson (1985)[9] rezipierten Trehers Studie. Webb bewertete Trehers Darstellung zu Steiner als „detailiert und überzeugend“.[8]

Der Musikwissenschaftler Wolfram Steinbeck urteilte 1971 in einer Rezension zu Trehers Buch über Hegels angebliche Geisteskrankheit: „Mag man Treher zugeben, daß sich dem empirisch diagnostizierenden, vergleichendem Blick des Psychiaters frappante Ähnlichkeiten zwischen Hegel, Hitler, Steiner u. a. ergeben, so wird doch der menschliche Versuch, das Unbedingte anzuschauen, zu denken, zu realisieren, […] nicht mit dem schizophrenen Krankheitsbild identifiziert werden dürfen“.[10]

Der Soziologe und Holocaust-Forscher John Michael Steiner vermerkt 1976, Trehers Versuch, Analogien zwischen den Fällen Hitler, Steiner und Schreber zu ziehen, erscheine eingängig, jedoch nicht wissenschaftlich überzeugend. Er kontrastierte Trehers Versuch mit historischen Aussagen zu Krankenberichten zu Hitler.[11]

Der Literaturtheoretiker Linus Hauser, dessen wissenschaftlicher Schwerpunkt im Feld der Erforschung von „Neomythen“ liegt, bemerkt in einer Fußnote seiner dreibändigen Kritik der neomythischen Vernunft (2004) zu den psychologisierenden Spekulationen Trehers, dass sich in der Parallelisierung auffälliger Denk- und Verhaltensmuster bei Steiner, Schreber und dem deutschen Diktator ein postiver Zugriff auf äquivalente pathologische Denkformen findet.[12]

Der Historiker und Theologe Helmut Zander greift in seiner Steiner-Biografie von 2011 unter Bezug auf Treher die Frage auf, ob Steiner an Schizophrenie litt, verweist aber auch darauf, dass „neuere psycho-medizinische Untersuchungen dazu fehlen“.[13] In seinem Werk Anthroposophie in Deutschland (2007) erwähnt er Trehers Veröffentlichungen am Rande einer Betrachtung von Steiners Mysteriendramen.[14] Zander nimmt bei den Dramen eine Einarbeitung von Steiners Sinnsuche und der Zäsur in seiner Biographie an, die sowohl eine polyvalente (positiv gesagt) als auch eine schizoide Selbstauslegung Steiners (negativ gedeutet) möglich mache. Die polyvalente Deutung wäre eine nähere, noch ausstehende wissenschaftliche Betrachtung der Psyche Steiners analog der bedeutenden psychoanalytischen Studie Kurt Eisslers zu Goethe wert,[15] die schizoide Auslegung (von Treher) hingegen sei bislang nur auf polemische Gegenreaktionen von Anthroposophen getroffen.[14] Der Anthroposoph Frank Hörtreiter kritisierte Trehers Werk über Steiner entsprechend als reichlich abgelegen.[16]

Georg Wihelm Friedrich Hegel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Buch Hegels Geisteskrankheit oder das verborgene Gesicht der Geschichte beschreibt für den Philosophen Georg Wihelm Friedrich Hegel eine besondere Art der Schizophrenie, die „prophetische Schizophrenie“. Es beinhaltet insbesondere einen Kommentar zu großen Teilen von Hegels Hauptwerk Phänomenologie des Geistes, die Treher als vom Kranken selbst verfasste Psychopathographie liest.[17] Treher hofft, mit seinen Untersuchungen einen Schlusspunkt unter die Hegel-Rezeption setzen zu können.[18]

  • Aussagen über Rezeption durch Gesunde (etwa im Marxismus)
  • Rezension Steinbeck

Schriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Das Oknosprinzip. Die raum-zeitliche Entfaltung des Tai-ki. Eine Wirklichkeitslehre. Ernst Reinhardt, München, Basel 1962, DNB 455103666.
  • Hitler, Steiner, Schreber. Ein Beitrag zur Phänomenologie des kranken Geistes. Emmendingen 1966, DNB 458439592.
    • Hitler, Steiner, Schreber. Gäste aus einer anderen Welt ; die seelischen Strukturen des schizophrenen Prophetenwahns. 2. Auflage. Oknos, Emmendingen 1990, ISBN 3-921031-00-1.
  • Hegels Geisteskrankheit oder das verborgene Gesicht der Geschichte. Psychopathologische Untersuchungen und Betrachtungen über das historische Prophetentum. Emmendingen 1969, DNB 458439584.
  • Jean-Jacques Rousseau oder die Anatomie eines Pulverfasses. Mit Betrachtungen über Georg Wilhelm Friedrich Hegel und Adolf Hitler, verbunden zu einer vergleichenden Psychopathologie der Funktionsschizophrenie. Emmendingen 1982, ISBN 3-921031-02-8.
  • Zellularpathologie der Seele. Die psychischen Strukturen der Genomkrankheit Schizophrenie und ihre zellbiologisch interpretierten sozialen Extrojektionen. Oknos, Emmendingen 1987, ISBN 3-921031-03-6.
  • Transzendenz und Katastrophe. Ernst Jünger im Spiegel der Hegelschen Philosophie ; eine psychopathologische Studie. Oknos, Emmendingen 1993, ISBN 3-921031-05-2.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. DNB 480476470
  2. Treher 1990, S. 378.
  3. a b Josef Dvorak: Satanismus. Geschichte und Gegenwart. Eichborn, Frankfurt am Main 1989, S. 210.
  4. Treher 1990, S. 87.
  5. Wolfgang Treher: Hitler, Steiner, Schreber: Gäste aus einer anderen Welt: Die seelischen Strukturen des schizophrenen Prophetenwahns (Erstausg. 1966), 2. Ausg. Emmendingen, Oknos 1990, 384 S. ISBN 3921031001, S. 39–78, bes. 43 f., 51 f., 60 f., 65.
  6. Wolfgang Treher: Hitler, Steiner, Schreber: Gäste aus einer anderen Welt: Die seelischen Strukturen des schizophrenen Prophetenwahns (Erstausg. 1966), 2. Ausg. Emmendingen, Oknos 1990, 384 S. ISBN 3921031001, S. 43 f.
  7. Zum Beispiel nicht in: Cees Leijenhorst: Steiner, Rudolf. In: Wouter J. Hanegraaff (Hrsg.): Dictionary of Gnosis & Western Esotericism. Brill, Leiden/Boston 2005, Bd. 2, S. 1084–1091; und nicht in: Miriam Gebhardt: Rudolf Steiner. Ein moderner Prophet. DVA, München 2011.
  8. a b James Webb: The Occult Establishment, La Salle, Ill, Open Court Publishing Company 1975, 535 S. ISBN 0-912050-56-X, S. 493f, 515. Deutsche Übersetzung: Das Zeitalter des Irrationalen. Politik, Kultur & Okkultismus im 20. Jahrhundert. Marix, Wiesbaden 2008, 608 S. ISBN 978-3-86539-152-0.
  9. Colin Wilson: Rudolf Steiner. The Man and His Vision: An Introduction to the Life and Ideas of the Founder of Anthroposophy, Wellingborough, Northamptonshire, Aquarian Press 1985, 176 S. ISBN 0850303982, S. 130.
  10. Wolfram Steinbeck: Wolfgang Treher: Hegels Geisteskrankheit oder das verborgene Gesicht der Geschichte. In: Zeitschrift für philosophische Forschung. Band 25, Nr. 4. Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1971, S. 637−643 (S. 640) (online).
  11. John Michael Steiner: Power Politics and Social Change in National Socialist Germany: A Process of Escalation Into Mass Destruction. De Gruyter, Berlin 1976, ISBN 978-90-279-7651-2, S. 275; eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche.
  12. Linus Hauser: Kritik der neomythischen Vernunft, Bd 1: Menschen als Götter der Erde. Schöningh, Paderborn 2004, ISBN 3506776029, S. 439.
  13. Helmut Zander: Rudolf Steiner: Die Biografie. S. 236 f. und 497.
  14. a b Helmut Zander:Anthroposophie in Deutschland: Theosophische Weltanschauung und gesellschaftliche Praxis 1884–1945. 2 Bände. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2007, ISBN 978-3-525-55452-4, S. 1040.
  15. Kurt Eissler: Goethe: A psychoanalytic study 1775–1786, dt. Goethe. Eine psychoanalytische Studie 1775–1786. Wayne State University Press, dt. Stroemfeld/Roter Stern,, 1983-85.
  16. Frank Hörtreiter: Drei neue Steiner-Biographien, in: Die Drei - Zeitschrift für Anthroposophie in Wissenschaft, Kunst und sozialem Leben, Mercurial-Publikationsgesellschaft, Frankfurt am Main, 2/2011, S. 83–86, S. 85, (PDF).
  17. S. 7
  18. S. 8

Kategorie:Psychopathologie Kategorie:Geschichte der Psychiatrie Kategorie:Anthroposophie Kategorie:Rudolf Steiner