Benutzer:FrancoElTanco/Glutamat (Neurotransmitter)

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Strukturformel von L-Glutamat

Glutamat ist ein nicht-essentielle Aminosäure[1] und der wichtigste exzitatorische Neurotransmitter im Nervensystem der Vertebraten.[2][1]

Glutamatrezeptoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glutamat wirkt postsynaptisch auf zwei Typen von Rezeptoren: ionotrope und metabotrope Rezeptoren. Zu den hauptsächlich vorkommenden ionotropen Rezeptoren gehören AMPA-Rezeptoren, NMDA-Rezeptoren und Kainatrezeptoren. Zu den metabotropen Rezeptoren gehören G-Protein-gekoppelte Rezeptoren (Gruppe 1, Gruppe II und Gruppe III).[2]

Rezeptor Typ Wirkdauer Mechanismus
AMPA ionotrop Schnell Erhöht Membranpermeabilität für Na+ und K+
NMDA ionotrop, spannungsabhängig Lang (mehrere Hunder Millisekunden) Erhöht Membranpermeabilität für Na+, K+ und Ca2+
Kainat Ionotrop Mittel Erhöht Membranpermeabilität für Na+ und K+
Gruppe I (mGluR1 und mGluR5) metabotrop langsam Erhöht IP3 und DAG
Gruppe II (mGluR2 und mGluR3) metabotrop langsam Verringerung von cAMP
Gruppe III (mGluR4-8) metabotrop langsam Verringerung von cAMP


Glutamattransporter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Man unterscheidet zwischen zwei Klassen an Glutamattransportern beim Menschen: die Familie der excitatory amino acid transporter (EAAT) und die Familie der vesicular glutamate transporter (VGLUT). Die VGLUTs sind dafür verantwortlich, dass Glutamat vom Zytosol in die Vesikel gelangt, während die EAATs Glutamat aus dem synaptischen Spalt durch die Wiederaufnahme in Gliazellen und Neuronen entfernen.[3]

Man unterscheidet zwischen drei Typen an VGLUTs: VGLUT1, VGLUT2 und VGLUT3. VGLUT1 und 2 werden hauptsächlich in glutamatergen Neuronen exprimiert, während VGLUT3 in GABAergen und cholinergen Neuronen vorkommt. VGLUT1 und 2 kommen außerdem in Gliazellen vor.[3]

Verbleibt Glutamat zu lange im synaptischen Spalt, kann es schnell zu einem neuronalen Schaden kommen. Deshalb braucht es einen Mechanismus, der Glutamat innerhalb von Millisekunden aus dem synaptischen Spalt entfernt. Diese Aufgabe übernehmen EAATs, welche das Glutamat entgegen eines Konzentrationsgradienten in das Zytosol transportieren. Diese Transporter können sowohl in Neuronen als auch in Astrocyten exprimiert werden. Es sind fünf solcher Transporter im Menschen bekannt bekannt:[3]

Transporter Vorkommen Expression
EAAT1 Neocortex und Kleinhirn Gliazellen
EAAT2 Vorderhirn Gliazellen, teilweise in Neuronen
EAAT3 In Dendriten und Axonterminalen Neuronen
EAAT4 In Dendriten von Purkinje Zellen im Kleinhirn Neuronen
EAAT5 Retina Photorezeptoren und bipolare Neurone

Vorkommen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glutamat gehört zu den 20 Aminosäuren, die Bausteine der Proteine sind, deshalb kommt es in allen Zellen des Körpers in großen Mengen vor. Im Gegensatz dazu wird beispielsweise GABA nur von denjenigen Neuronen produziert, die es auch freisetzen.[1] Glutamat im zentralen Nervensystem entsteht aus Zwischenprodukten des Citratzyklus und durch den Glutamat-Glutamin-Zyklus.[4]

Erkrankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei übermäßiger Stimulation von Glutamatrezeptoren kann Glutamat neurotoxisch wirken und zu Zelltod führen (Excitotoxizität).[5] Durch die erhöhten Glutamatmengen wird ein übermäßiger Calciuminflux ausgelöst, welcher in Folge zu Schäden an der Membran oder Veränderungen im Cytoskelett führen kann. Dies kann u. a. durch Verletzungen des Gehirns ausgelöst werden.[5]

Psychiatrische Erkrankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch bei affektiven Störungen, wie der Depression, scheint eine glutamaterge Dysregulation eine Rolle zu spielen. Während in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit depressiver Patienten der Glutaminspiegel erhöht ist, konnte man im Serum/Plasma einen erhöhten Glutamatspiegel beobachten. Durch Magnetresonanzspektroskopie konnten außerdem erhöhte Glutamatlevel im präfrontalen Kortex und anterioren cingulären Kortex beobachtet werden. Post-mortem entnommene Proben vom Hippocampus wiesen außerdem eine verringerte Expression von Genen auf, die Untereinheiten von AMPA Rezeptoren codieren.[6]

In Schizophrenie-Patienten konnten reduzierte Glutamatlevel in der Gehirn-Rückenmarks-Flüssigkeit aufgezeigt werden, potentiell ausgelöst durch hypofunktionale NMDA Rezeptoren.[6]

Auch bei Autismus und ADS scheint eine Glutamatdysregulation eine Rolle zu spielen.[6]

Neurodegenerative Erkrankungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bei der Parkinson Erkrankung kann es vorkommen, dass glutamaterge Signalwege in das Striatum und die Basalganglien überhöhte Aktivität zeigen. Daraufhin kommt es zu regulatorischen Veränderungen in den AMPA und NMDA Rezeptoren, was eine wichtige Rolle bei den Motorsymptomen von Parkinson spielen kann. In der pharmakologischen Therapie können NMDA Antagonisten neuronalen Zelltod verhindern.[5]

In Studien an ALS Patienten konnte gezeigt werden, dass die Glutamatlevel im Motorcortex und Rückenmark dieser Patienten um 30 % bis 45 % erniedrigt waren, ausgelöst durch einen signifikanten Verlust von natriumabhängigen Glutamattransport. 60% bis 70 % der sporadischen ALS Patienten wiesen ein markanten Verlust von EAAT2-Transportern sowohl im Motorcortex als auch im Rückenmark auf. Das trifft jedoch nicht auf alle Patienten zu.[7]

Außerdem kann eine Glutamatdysregulation in Epilepsie, Alzheimer, Chorea Huntingtion und Schlaganfällen involviert sein.[6]

Gliome[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Circa ein Drittel aller primären ZNS Tumore sind Gliome, welche aus Gliazellen entstehen. Es konnte gezeigt werden, dass Gliomzellen in vitro excitatoxische Mengen an Glutamat exprimieren.[6]

Chronisches Schmerzsyndrom[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aufgrund der exzitatorischen Eigenschaft spielt Glutamat eine wichtige Rolle in der Nozizeption. Eine kontinuierliche Ausschüttung führt daraufhin zu einer langanhaltenden Depolarisierung, was zu einer veränderten Sensitivierung von NMDA und AMPA Rezeptoren und erhöhter Ionenkanalaktivität führen kann. Dies wiederum kann zur zentralen Sensitivierung führen, welche eine wichtige Rolle beim chronischen Schmerzsyndrom spielt.[6][8]

Lernen und Gedächtnis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Glutamatrezeptoren vermitteln die exzitatorische synaptische Übertragung im Hippocampus, welcher eine wichtige Rolle bei der Gedächtnisbildung spielt. Der durch Glutamat induzierte Ca2+-Einstrom durch die NMDA-Rezeptoren steht im direkten Zusammenhang mit der Entstehung einer NMDA-abhängigen Langzeitpotenzierung (LTP). Im Ruhezustand werden NMDA-Rezeptoren durch Mg2+ blockiert. Wenn jedoch Glutamat in dem Moment an den NMDA-Rezeptor bindet, in dem sich die postsynaptische Zellmembran in einem depolarisierten Zustand befindet, wird das Magnesium-Ion gelöst und Calcium strömt in die Zelle. Ca2+ aktiviert die Proteinkinase C und Calcium-Calmodulin abhängige Proteinkinasen, welche wiederum die synaptische Effektivität durch Phosphorylierung der AMPA-Rezeptoren verstärken.[9] Des Weiteren führt der Calciumeintrom auch zu einer Veränderung des Aktin-Cytoskeletts und damit zur Entstehung neuer synptischer Strukturen.[10]

Die Induktion von LTP kann beispielsweise durch NMDA-Blocker unterbunden werden.[1][11]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Glutamate (neurotransmitter) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d Mark F. Bear, Barry W. Connors, Michael A. Paradiso: Neurowissenschaften. Hrsg.: Andreas K. Engel. 4. Auflage. Springer Berlin, ISBN 978-3-662-57262-7.
  2. a b Brian S. Meldrum: Glutamate as a Neurotransmitter in the Brain: Review of Physiology and Pathology. In: The Journal of Nutrition. Band 130, Nr. 4, 1. April 2000, S. 1007S–1015S, doi:10.1093/jn/130.4.1007S.
  3. a b c Mark J. Niciu, Benjamin Kelmendi, Gerard Sanacora: Overview of glutamatergic neurotransmission in the nervous system. In: Pharmacology Biochemistry and Behavior (= Glutamate Receptors). Band 100, Nr. 4, 1. Februar 2012, S. 656–664, doi:10.1016/j.pbb.2011.08.008, PMID 21889952, PMC 3253893 (freier Volltext).
  4. Quentin R. Smith: Transport of Glutamate and Other Amino Acids at the Blood-Brain Barrier. In: The Journal of Nutrition. Band 130, Nr. 4, 1. April 2000, S. 1016S–1022S, doi:10.1093/jn/130.4.1016S.
  5. a b c Fabio Blandini, Richard H. P. Porter, J. Timothy Greenamyre: Glutamate and Parkinson’s disease. In: Molecular Neurobiology. Band 12, Nr. 1, 1. Februar 1996, S. 73–94, doi:10.1007/BF02740748.
  6. a b c d e f Tanya Miladinovic, Mina Nashed, Gurmit Singh: Overview of Glutamatergic Dysregulation in Central Pathologies. In: Biomolecules. Band 5, Nr. 4, 11. November 2015, S. 3112–3141, doi:10.3390/biom5043112, PMID 26569330, PMC 4693272 (freier Volltext).
  7. Nicholas J. Maragakis, Jeffrey D. Rothstein: Glutamate Transporters in Neurologic Disease. In: Archives of Neurology. Band 58, Nr. 3, 1. März 2001, doi:10.1001/archneur.58.3.365.
  8. Vanessa Pereira, Cyril Goudet: Emerging Trends in Pain Modulation by Metabotropic Glutamate Receptors. In: Frontiers in Molecular Neuroscience. Band 11, 2019, doi:10.3389/fnmol.2018.00464, PMID 30662395, PMC 6328474 (freier Volltext).
  9. Raphael Lamprecht, Joseph LeDoux: Structural plasticity and memory. In: Nature Reviews Neuroscience. Band 5, Nr. 1, Januar 2004, S. 45–54, doi:10.1038/nrn1301.
  10. Andrew Matus: Actin-Based Plasticity in Dendritic Spines. In: Science. Band 290, Nr. 5492, 27. Oktober 2000, S. 754–758, doi:10.1126/science.290.5492.754.
  11. William J. McEntee, Thomas H. Crook: Glutamate: its role in learning, memory, and the aging brain. In: Psychopharmacology. Band 111, Nr. 4, 1. Juli 1993, S. 391–401, doi:10.1007/BF02253527.