Benutzer:GerhardSchuhmacher/Theorie

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Subjektivität und Objektivität[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Theoretischer Hintergrund[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die als übersteigert empfundenen Behauptungen und Darstellungen der Verschwörungstheoretiker haben – abgesehen davon, dass sie ihre Quellen selten nennen – einen ‚philosophischen‘ Hintergrund, den Hans Georg Gadamer in seinem Werk Wahrheit und Methode im Wechselspiel der Interpretation der Thesen des Historikers Droysen (Ende des 19. Jahrhunderts) dargelegt hat. Droysen warnte vor der Neigung seiner Zeitgenossen, in der Begeisterung über die neue Wissenschaft Psychologie, nun auch den Geschichtsprozess über das „Wollen und Planen“ einzelner Persönlichkeiten zu erklären. (Droysen: Historik, 1889.):

Das Bestreben, Personen bzw. Gruppen von Personen (Orden, Geheimbünde, auch ‚innere Zirkel‘ von Organisationen und Unternehmen) eine ins Absolute reichende Wirkungsmacht zuzuschreiben – der Kern jeder Verschwörungstheorie – ist nach Gadamer eine sinnlose, im geisteswissenschaftlichen Prozess schon lange überholte Denk- und Interpretationsweise „und das nicht nur deshalb, weil sie ihr Ziel nicht wirklich erreicht“: ...


Aus: Geschichtsschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Parallel zu der auf die deutsche nationale Politik bezogenen Geschichtsschreibung existierte weiterhin die in der Tradition Herders stehende Darstellung des Menschlich-Allgemeinen in der Historiographie. Wilhelm von Humboldt war der Auffassung, die Geschichtsschreibung bewirke höchste Menschlichkeit durch das tiefste Studium des Menschen. „Wie die Philosophie nach dem ersten Grunde der Dinge, die Kunst nach dem Ideale der Schönheit, so strebt die Geschichte nach dem Bilde des Menschenschicksals in treuer Wahrheit, lebendiger Fülle und reiner Klarheit“. Neben Humboldt waren diesem Anspruch auch Barthold Georg Niebuhr, Georg Gottfried Gervinus, und Johann Gustav Droysen verpflichtet.

Leopold von Ranke

Leopold von Ranke (siehe auch: Historismus) schließlich setzte sich die „Reine Schau“ zum Ziel.[1] Er betrachtete Geschichte als Teilhabe am göttlichen Wissen. Historiker sollen demnach die Objektivität und Sachbezogenheit der Gottheit anstreben, die gesamte Menschheitsgeschichte überschauen und jede Bevölkerung als gleich wert betrachten. Die Geschichtsschreibung ist demgemäß ihrer Natur nach universell. H. v. Sybel verteidigte 1858 die Gründung der Historischen Zeitung damit, dass mit jedem Jahr die Geschichte in Deutschland mehr zum politischen Ferment der allgemeinen Bildung werde und die Stellung einnehme, die vorher die Philosophie eingenommen habe.


Aus: Johann Gustav Droysen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Später arbeitete Droysen vornehmlich auf dem Gebiet der neueren Geschichte. Seine Geschichte der preußischen Politik (1855–1886) ist die umfassendste Darstellung der preußisch-kleindeutschen Geschichtsidee. Droysen gehörte nicht direkt zur Schule Heinrich von Sybels und Heinrich von Treitschkes, verstand die Aufgabe der Geschichtswissenschaften aber in einem verwandten Sinne. Die Forderung Leopold von Rankes nach Objektivität in der Geschichtsschreibung lehnte Droysen entschieden ab: Für ihn hatte die Geschichte vielmehr eine erzieherische Funktion für den Staat wahrzunehmen.

Droysen war Mitglied mehrerer Akademien. So gehörte er der Königlich Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig und der Preußischen Akademie der Wissenschaften an.

Als Geschichtstheoretiker hat Droysen die Grundlage für die hermeneutische Methodik in den modernen Geschichtswissenschaften gelegt. Die quellenkritische Methode, die von weitreichendem Einfluss auf die Historiographie war, geht auf Droysen und Barthold Georg Niebuhr zurück. Zu Droysens bedeutendsten Studenten zählt Friedrich Meinecke. Sein Sohn Gustav Droysen war ebenfalls Geschichtsprofessor und legte wichtige Forschungen zur Geschichte des Dreißigjährigen Krieges vor.

Aus: Hermeneutik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Historismus[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Johann Gustav Droysen hat das „Verstehen“ erstmals als wissenschaftlichen Begriff zur Bezeichnung der Methode der Geschichtswissenschaften eingeführt. Er unterschied ihn von dem „Entwickeln“ bzw. später „Erkennen“ für die philosophisch-theologische Methode und von dem „Erklären“ für die mathematisch-physikalische Methode. Die Möglichkeit des Verstehens beruht auf der geistig-sinnlichen Natur des Menschen: Jeder innere Vorgang bekundet sich in einem entsprechenden äußerlich wahrnehmbaren Vorgang. Dieser kann von einem anderen Menschen wahrgenommen werden und ruft bei ihm dann den gleichen inneren Vorgang hervor.[2]

Die Hermeneutik wurde zur Grundlage für alle historischen Geisteswissenschaften, nicht nur für die Theologie. Die psychologische Interpretation wurde – in der Nachfolge Schleiermachers und gestützt auf die romantische Lehre vom unbewussten Schaffen des Genies – die immer entschiedenere theoretische Basis der Geisteswissenschaften insgesamt. Das neue erkenntnistheoretische Interesse hatte sich bei August Boeckh in seinen Vorlesungen über „Enzyklopädie und Methodologie der philologischen Wissenschaften“ (1877) durchgesetzt. Boeckh war ein Schüler Schleiermachers. Das Verstehen ist eine eigene Art der Erkenntnis, die das Individuelle auf intuitive Weise erfasst. Boeckh bestimmte die Aufgabe der Philologie als das „Erkennen des Erkannten“. Er unterschied verschiedene Interpretationsweisen, nämlich die grammatische, die literarisch-gattunghafte, die historisch-reale und die psychologisch-individuale.

  • Problem der Interpretation von Texten (Grundannahmen)

Planung und historischer Verlauf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Collingwood gibt das Beispiel der Schlacht von Trafalgar und des ihr zugrunde liegenden Nelsonschen Planes. Das Beispiel will zeigen, daß der Verlauf der Schlacht eben deshalb den wirklichen Plan Nelsons verständlich macht, weil dieser zur erfolgreichen Ausführung gekommen sei. Der Plan seines Gegners dagegen sei aus dem umgekehrten Grunde, weil er nämlich gescheitert sei, aus den Ereignissen nicht mehr rekonstruierbar. Das Verstehen des Verlaufs der Schlacht und das Verstehen des Plans, den Nelson damit zur Ausführung brachte, sind danach ein und derselbe Vorgang.“ (Collingwood, Denken, S. 70.)

In Wahrheit – so Gadamer – „(fallen) die Frage nach dem Sinn im Verlauf eines großen Ereignisses und die Frage nach der Planmäßigkeit dieses Verlaufs […] nur dann zusammen, wenn ein menschliches Planen dem Verlauf der Ereignisse wirklich gewachsen war.“ Eine derartige Identität könne man jedoch „nicht als methodischen Grundsatz behaupten [..] Tolstois berühmte Schilderung des Kriegsrats vor der Schlacht, in dem mit Scharfsinn und Gründlichkeit alle strategischen Möglichkeiten berechnet und alle Pläne beraten werden, während der Feldherr selber dabeisitzt und schläft, dafür aber in der Nacht vor dem Schlachtbeginn bei den Posten draußen die Runde macht, trifft die Sache, die wir Geschichte nennen offenbar besser. Kutusow kommt der eigentlichen Wirklichkeit und den sie bestimmenden Kräften näher als die Strategen des Kriegsrats.“

Der Deuter der Geschichte – so Gadamer – „(ist) immer in Gefahr [..], den Zusammenhang in dem er einen Sinn erkennt,“ als beabsichtigt zu deuten. (im Original: „als den von wirklich handelnden und planenden Menschen gemeinten zu hypostasieren.“ hypostasieren nach Kant: ... (s)einem Gedanken gegenständliche Realität unterschieben).

Hegel nimmt in Ausnahmefällen an, dass dies „weltgeschichtliche Individuen auszeichnen kann, bei denen eine wirkliche Übereinstimmung zwischen ihren partikularen Gedanken und dem weltgeschichtlichen Sinn der Ereignisse bestünde.“ Gadamer hält dagegen: „Einen hermeneutischen Grundsatz für die Erkenntnis der Geschichte kann man aus diesen durch Übereinstimmung des Subjektiven und Objektiven in der Geschichte ausgezeichneten Fällen aber nicht ableiten.“ Es sei „nur eine partikulare Wahrheit. Das unendliche Geflecht von Motivationen, das die Geschichte ausmacht, gewinnt nur gelegentlich und auf kurzen Strecken die Helligkeit des Planmäßigen in einem einzelnen Individuum. […] Im allgemeinen erfahren wir den Verlauf der Dinge als etwas, das unsere Pläne und Erwartungen ständig verändern läßt. Wer starr an seinen Plänen festzuhalten versucht, dem wird gerade die Ohnmacht seiner Vernunft fühlbar gemacht. Es sind seltene Augenblicke, wo alles von ‚selber geht‘, sofern die Ereignisse unseren Plänen und Wünschen von sich aus entgegenkommen. Aber diese Erfahrung auf das Ganze der Geschichte anwenden, heißt, eine gewaltsame (Extrapolation = Bestimmung über gesichertes Wissen hinaus) vornehmen, der unsere Erfahrung von Geschichte strikte widerspricht.“

Ergänzend sei Generalfeldmarschall Helmuth von Moltke zitiert, der wegen der vielen Unwägbarkeiten im Krieg nur den Beginn eines Feldzuges für planbar hielt: „Kein Operationsplan reicht mit einiger Sicherheit über das erste Zusammentreffen mit der feindlichen Hauptmacht hinaus.“

„Unangemessen“ sei – so Gadamer – „bei geschichtlichen Ereignissen die Reduktion auf die Absicht der Handelnden.“ (379).

Das prinzipielle Geschehen bezogen auf Textinterpretation: „Unser Verständnis schriftlicher Überlieferung als solches ist nicht von der Art, daß wir die Übereinstimmung zwischen dem Sinn, den wir in ihr erkennen, und dem Sinn, den ihr Urheber dabei im Auge hatte, einfach voraussetzen können. Wie das Geschehen der Geschichte im allgemeinen keine Übereinstimmung mit den subjektiven Vorstellungen dessen zeigt, der in der Geschichte steht und handelt, so reichen auch im allgemeinen die Sinntendenzen eines Textes weit über das hinaus, was der Urheber desselben im Sinne hatte. Die Aufgabe des Verstehens geht in erster Linie auf den Sinn des Textes selbst.“[3]

„Nicht nur gelegentlich, sondern immer übertrifft der Sinn eines Textes seinen Autor. Daher ist Verstehen kein reproduktives, sondern stets auch ein produktives Verhalten.“ (301)

Droysens Geschichtstheorie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

(Bild: Moderne Stadt - 1602) „Das Phänomen des Verstehens und der rechten Auslegung des Verstandenen“ (Hermeneutik) in der Überlieferung mit dem Ziel, Einsichten zu erwerben und Wahrheiten zu erkennen, ist Gegenstand von Reflexion, die bis in die griechische Antike zurückreicht. Die Überwindung des Diktat der mittelalterlichen Dogmatik in der Neuzeit öffnete den Weg zum Verständnis des Verhältnisses von ‚Wahrheit und Methode‘ hin zur wissenschaftlichen Deutung. Die Ideen von Aufklärung, Idealismus und Romantik waren Zwischenstationen zu der bereits im modernen Sinne analytischen Auffassung Droysens.

„Die philosophische Bedeutung von Droysens Historik liegt darin, daß er den Begriff des Verstehens aus der Unbestimmtheit ästhetisch-pantheistischer Kommunion, die er bei Ranke hat, zu lösen sucht und seine begrifflichen Voraussetzungen formuliert.“ (216)

Droysen löst die Vorstellung auf, dass der Dichter der ideale Interpret der Historie ist: Denn die Dichter

„dichten zu den Ereignissen eine psychologische Interpretation derselben. In den Wirklichkeiten aber wirken noch andere Momente als die Persönlichkeiten (Historik § 41).““

Droysen in: Gadamer: Wahrheit und Methode. 1990, S. 217.

„Die Dichter behandeln die geschichtliche Wirklichkeit so, als wäre sie von handelnden Personen so gewollt und geplant. Das ist aber gar nicht die Wirklichkeit der Geschichte, derart ‚gemeint‘ zu sein. Daher ist das wirkliche Wollen und Planen der handelnden Menschen gar nicht der eigentliche Gegenstand des historischen Verstehens. Die psychologische Interpretation der einzelnen Individuen kann die Sinndeutung der geschichtlichen Ereignisse selbst nicht erreichen.“[4]

Droysen: „Weder geht der Wollende ganz in diesem Sachverhalt auf, noch ist das, was wurde, nur durch dessen Willensstärke, dessen Intelligenz geworden, es ist weder der reine, noch der ganze Ausdruck dieser Persönlichkeit.“ (§ 41).

„Psychologische Interpretation ist daher nur ein untergeordnetes Element im historischen Verstehen, und das nicht nur deshalb, weil sie ihr Ziel nicht wirklich erreicht. […] Was er [der Historiker] erforscht, sind nicht die einzelnen als solche, sondern was sie als Momente in der Bewegung der sittlichen Mächte bedeuten. Der Begriff der sittlichen Mächte hat bei Droysen eine zentrale Stellung (§ 55 ff.).“


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Nachweisführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein Nachweis oder Beleg dient der Bekräftigung einer Darstellung – im besten Fall ein ‚Beweis’ –, die mit einer allgemeinen oder spezifizierten Intention verbunden ist. Allgemeine Intention kann das ‚Finden der Wahrheit’ sein, spezifisch wäre die Ermittlung der Verursachung eines Ereignisses. Jede Konkretisierung führt bereits zur Interpretation, die eine Sinngebung darstellt und mit ‚Absicht’ verknüpft ist. Im wissenschaftlichen Sinne drückt sich diese Beabsichtigung in einer Methodik aus. Das moderne Ideal besteht in Objektivität oder Neutralität – letztlich in einer Annäherung an Wahrheit. Ideologische Interpretationen gelten zunehmend als suspekt, da sie mit einseitigen Interessen verbunden erscheinen. Die letzte ‚weltumspannende’ Ideologie, die sich mit Wahrheit gleichsetzte, war der Kommunismus. Die älteste wirkungsmächtige Ideologie ist die Dogmatik der katholischen Kirche, gefolgt vom Islam. Politisch gelten heute ‚Freiheit und Demokratie’ bzw. die ‚offene Gesellschaft’ als ‚menschheitsgeschichtlich fortgeschrittene’ Ideale, auch weil sie in der Lage sind, sich selbst zu reflektieren. Sie sind jedoch ebenfalls ideologisch, da sie diese Interpretation – als die bestmögliche gesellschaftliche Organisationsform – gleichermaßen vor die Beweisführung setzen.

Verkehrung von Nachweis und Argument[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Allgemeiner formuliert ist ist jede Form von ‚Meinung’ eine ideologische Haltung – wobei ‚ideologisch’ nicht als negative, sondern objektivierbar als ‚interessengeleitete’ Haltung zu verstehen ist. Insbesondere der Journalismus ist als ‚meinungsgeleitet’ zu definieren; sein Ziel ist die ‚Positionierung’ im „Wettstreit der Meinungen”, Nachweisbarkeit spielt eine untergeordnete Rolle. Eine der wissenschaftlichen Argumentation näher stehende Einstellung besitzt der Publizist – eine Tätigkeitsbezeichnung, die heute entsprechend selten verwendet wird.

Wandel in der Geschichtsschreibung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zunehmend wird auch der Historiker zum Meinungsträger – beruflich ist er heute oft journalistisch gefordert – und eingebunden in Institutionen, die sich kaum mehr von Verwertungszielsetzungen freimachen können. Auch im ‚Wissenschaftsbetrieb’ steht der Erfolg im Vordergrund, an dem sich Veröffentlichungen und Publikationen ausrichten. Themen, die nicht ‚gefragt’ sind, werden außerhalb des Studienbetriebs nicht mehr behandelt und erforscht und der universitäre Betrieb selbst passt sich dem ‚vorauseilend’ an. Allen Haltungen gemeinsam ist, dass die Nachweisführung der Meinungsbildung nicht vorausgeht, sondern der Positionierung legitimierend nachgeordnet ist.

Wissenschaftliche Nachweisführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das wissenschaftliche Denken (als Ideal) setzt im Gegensatz dazu die Nachweisführung an die erste Stelle. Nur im engen Verbund mit Nachweisen, sei es möglich zu interpretieren und dann Aussagen zu treffen. Der modernen Geschichtswissenschaft ist jedoch bewußt, dass sie sich auf Nachweise bezieht, die aus ‚Überlieferung’ besteht, die selbst selten als ‚ideologiefrei’ bezeichnet werden kann. Deshalb kann es nicht darum gehen, Überlieferung nur zu ‚verwenden’ – sie ist auf ihren ‚Gehalt’ zu prüfen. Dabei spielt der Informationsbegriff eine zunehmende Rolle.

Informationsbegriff[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Informationsbegriff hat große Bedeutung, da er vor der grundsätzlich unwissenschaftlichen (und damit letztlich unseriösen) Haltung bewahrt, eine Quelle nur durch ‚Ansehen’ (etwa ihrer Formgebung) oder in Bezugnahme auf die Urheberschaft der Überlieferung (Herkunft einer Quelle) als falsch oder ‚unzuverlässig’ – oder als (besonders) zuverlässig – zu werten und damit ungeprüft auszuschließen oder zu bevorzugen: „Der informative Kern, der in einer Quelle enthalten ist, darf nicht angenommen oder verworfen werden allein aufgrund des Stammbaums.”[5] Eine dritte Weise ist, ausgehend von einer als falsch bemerkten Information, eine Quelle deduktiv (von Einem aufs Ganze) schließend insgesamt als unzuverlässig auszuscheiden. Ein solches Vorgehen ist meist dann anzutreffen, wenn Autoren Quellen nicht ‚ins Meinungsbild passen’. Eine Unterschlagung von ‚unpassenden’ Quellen muß hier nicht weiter erörtert werden.

Prüfung der Quellen (Nachweise)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Noch vor einer Interpretation von Überlieferung (Quellen = Dokumente, Berichte und Literatur) steht deren Prüfung. Diese Notwendigkeit ergibt sich aus der Absicht, Belegmaterial für die eigene Darstellung zu verwenden. In dieser Prüfung wird versucht, Quellen unabhängig von ihren möglichen ideologischen Aussagen auf Informationen durchzusehen. Die Intention, Information zu erkennen, verzichtet auf eine „Bewertung” von Quellen – damit spielt es keine Rolle, ob es sich um einen ‚Tatsachenbericht’, Propaganda, einen Mythos oder um eine Zeitzeugenaussage handelt. Auch ideologische Texte können Information enthalten. Eine Information kann zum „Fakt” ( zur Tatsache) werden, wenn es gelingt, sie durch eine oder weitere Informationen zu bestätigen (‚querzuverifizieren’). Erst in diesem Fall können sie zum ‚Nachweis’ (Beleg) werden.

Verifizierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Information aus einer schriftlichen Überlieferung kann zum Beispiel durch einen archäologischen Befund verifiziert werden:

  • „Nur im Vergleich untereinander unabhängigen Belegmaterials ist es möglich, den angemessenen Ausgangspunkt für die Neuinterpretation der Quellen zu gewinnen.”[Anm 1]

„Manche Historiker sind der Meinung, die Kritik der Quellen bestünde darin, zu zeigen, wie die verschiedenen Daten überliefert werden konnten, sowie im Festhalten daran, daß dieser Nachweis die Voraussetzung für ihre Zuverlässigkeit und Verwertbarkeit sei. [...] Es gibt keine Quelle, kein Wissen und keine Methode, die uns vor dem Irrtum bewahren können, auch kann keine Kenntnis durch ihren eigenen Stammbaum legitimiert werden, noch darf die Herkunft einer Quelle mit ihrer Wahrscheinlichkeit verwechselt werden.”[6]

Aus dem Gesagten ergibt sich, wie bei einer Korrektur oder gar Widerlegung (Falsifizierung) einer Quelle vorgegangen werden sollte. Während eine Beschreibung von Ereignissen oft intersubjektiv vom Beobachter abhängig und dies seinen Umständen gemäß zu berücksichtigen ist, liegen der Nennung von Daten oft auch unabsichtliche Angaben – Irrtümer – zugrunde.

Differenzierung in der Nachweisführung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch wenn in Quellen „nicht geplante oder einseitig ausgerichtete Details in ein und dieselbe Richtung weisen, ergibt das zirkumstantielle Evidenz (auch vor Gericht ist es erlaubt, eine ‚zirkumstantielle Evidenz’ geltend zu machen), die es ermöglicht, sich dem anzunähern, was einem Beweis gleichkommt.”[7]

Historiker und Richter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Die Suche nach Beweisen stellt die Historiker mit den Richtern auf eine Ebene.”[8]

Verständnis anderer Zeitalter[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auch eine noch so wissenschaftliche Methodik geht ins Leere, wenn es am Grundverständnis für das Denken und Handeln anderer Zeitalter fehlt:

Mythos und Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„In der Vorgeschichte hatten die Sagen eine vorantreibende Kraft, und unser Materialismus, Rationalismus und Laizismus machen uns blind dafür, daß gerade das, was uns als Magie erscheint, der eigentliche Mutterboden des menschlichen Handelns der damaligen Zeit war. Unter diesen Umständen ist der Mythos die Wirklichkeit, und die Geschichte nichts anderes als ihre Metapher.” Geschichtsschreibung ist ein „Mittel, um den Wandel der Zeit zu erfassen.” Es ist also notwendig, dass der Forscher „die Vergangenheit auch [...] zu rekonstruieren versucht, als die Gesellschaften nur eine zu Symbolen geronnene verflossene Zeit kannten.”[9]

„Im Mythos den Reflex historischer Gegebenheiten erkennen zu wollen heißt Dario Sabbatucci zufolge, in den Fehler des Euhemerismus (der Vermenschlichung und Historisierung der Sagen) zu verfallen. Aber irgendein Zusammenhang – wenn auch in einer den Umständen entsprechenden unterschiedlichen Art – zwischen den Mythen und den gesellschaftlichen Gegebenheiten muß doch bestanden haben, wenn beide auf irgendeine Weise das Ergebnis ein und derselben Geschichte sind. Die Logik eines dem ersten Anschein nach oft formlosen Mythos ausführlicher darzustellen und sie mit der Logik eines historischen Geschehens zu vergleichen ist ein heikles, aber kein unzulässiges Unterfangen. Wenn die Mythen bestimmte gesellschaftliche Ordnungen stabilisieren und stützen, [...] kann auch das Gegenteil eintreten. [Nämlich die Möglichkeit einer ‚Historisierung der Sagen’]. Vielleicht zeigen die Mythen an, was geschehen hätte können, den Bereich des Möglichen bzw. Wahrscheinlichkeit, aber sie können gelegentlich auch ein epochales Ereignis aufnehmen, zum Beispiel die Gründung einer Siedlung [Im Textzusammenhang ist Rom gemeint]. Diese ‚logischen’, wenn auch nicht ‚narrativen’ Wahrheiten, die die Mythen auch bergen können, sind für den Historiker nicht nur nicht unnütz, sie können ihm vielmehr helfen, das Wesen längst vergangener Epochen zu verstehen. [...] Zwischen dem gedanklichen Aspekt des Mythos und dem historischen Kontext, in dem er zum Ausdruck kommt, muß eine Verbindung bestehen, wie verborgen und geheimnisvoll diese auch sein mag. Und wenn die Verbindung besteht, kann der Mythos einen Nutzen für die Geschichte haben, mehr noch als umgekehrt. [...] Nach Moses Finley unterscheiden sich die mythischen gerade dadurch von den historischen Erzählungen, daß sie völlig außerhalb der Dimension der Zeit liegen, und darum habe es auch keinen Sinn, sie auch nur annäherungsweise datieren zu wollen. Aber die völlige Atemporalität der Mythen ist eine zwar faszinierende, aber auch extreme und der Diskussion bedürftige These, und es ist ebenso wahr, daß es Mythen gibt, die erwiesenermaßen einen historischen Gehalt haben, was es [...] ermöglicht, sie zu datieren, zumindest, was ihren Grundgedanken betrifft. [...] Die prälogische Zeit steht [..] also der historischen Zeit gegenüber, aber nicht als Block und in extremer Weise, wie Finley es sieht, sie wird vielmehr zu einer Abfolge von Zeit-Schichten, und sie wird fortschreitend immer weniger irrational, füllt sich also zunehmend mit dreidimensionalem Raum und mit unilinearer Zeit, also den typischen Dimensionen des logos. Je geringer die Dosis dieser logischen Komponenten ist, um so homogener, chaotischer und widersprüchlicher ist die Welt, und umgekehrt. [...] Die Mythen sind immer dennoch Teil der Geschichte, allerdings darf man ihnen nicht das typisch menschliche Merkmal der Doppeldeutigkeit entziehen, wie es die Rationalisten tun, die zum Beispiel nur widerwillig zulassen, daß Apollon und Faunus sich zur gleichen Zeit als Widder und Wolf gezeigt haben. Die nicht kompatiblen Dimensionen sind wie zwei verschiedene Sprachen, die untereinander keine Ähnlichkeit haben. Aber es gibt dennoch immer die Möglichkeit, eine Sprache in eine andere zu übersetzen, wobei die Beschaffenheit der Botschaft verloren gehen kann, immerhin aber rreicht wird, daß Welten einander zumindest grob wahrnehmen, die sonst völlig voneinander getrennt blieben.”[10]

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Rechner[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Windows 10 Browserverlauf Datenrettung

Informationsorganisation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

[1]. Artikelmonitor

Wissen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Wissen heißt [...], auf das Entgegengesetzte zugleich Gehen. Darin besteht seine Überlegenheit gegenüber der Eingenommenheit durch die Meinung, daß es Möglichkeiten als Möglichkeiten zu denken versteht.” (Gad. 371).

„... er besaß die seltene Fähigkeit, beide Seiten einer Angelegenheit zu betrachten. Eine wichtige Tugend, wenn man sich mit seinen Feinden anfreunden wollte.” (Maria R. Bordihn, Die Kaiserin von Ravenna, 2013, 175)

Methode[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

„Nur im Vergleich untereinander unabhängigen Belegmaterials ist es möglich, den angemessenen Ausgangspunkt für die Neuinterpretation der Quellen zu finden.” Dennoch – so der Autor –, müssen „unterschiedliche Arten der Evidenz auseinandergehalten werden.”[11]


Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. In einer Untersuchung zum Ursprung Roms war es notwendig, neben späteren Darstellungen (Textüberlieferungen und Bildnissen) sowie begleitenden archäologischen Grabungen vor allem Mythen einzubeziehen. Während Mythen von Historikern häufig als Fantasieprodukte negiert werden, war es den Forschern bei unvoreingenommener Prüfung möglich, zu neuen Ergebnissen zu kommen, die im Zusammenspiel dieser Befunde wissenschaftlich durchsetzbare Annahmen erbrachten. In der Dokumentation zu dieser Untersuchung (Andrea Caradini: Die Geburt Roms, Artemis & Winkler / Patmos Verlag, Düsseldorf/Zürich 2002, Originalausgabe Torino, 1997, S. 12. ISB 3-538-01729-2.) reflektierte der Autor ausführlich die Nachweisführung.

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  1. Günter Johannes Henz: Leopold von Ranke in Geschichtsdenken und Forschung. 2 Bde. Berlin 2014.
  2. Johann Gustav Droyen, Grundriss der Historik, Berlin 1862, S. 4 ff.
  3. Zitate: Hans-Georg Gadamer: Wahrheit und Methode, 376 ff.
  4. H. G. Gadamer: Hermeneutik I. Wahrheit und Methode. Gesammelte Werke Band 1. Verlag J.C.B. Mohr (Paul Siebeck) Tübingen (6. Auflage) 1990, S. 217. ISBN 3-16-145613-0.
  5. Carandini: Geburt Roms, 2002, S. 50.
  6. Carandini: Geburt Roms, 2002, S. 24 f. Carandini bezieht sich im zweiten Zitat auf: Popper, 1984.
  7. Carandini: Geburt Roms, 2002, S. 55.
  8. C. Ginzburg, Der Richter und der Historiker, 1991, in: Carandini, 2002, S. 22, Anm. 5.
  9. Carantini: Geburt Roms, 2002, S. 24 und 729.
  10. Carantini: Geburt Roms, 2002, S. 35 – 40.
  11. Andrea Carandini: Die Geburt Roms, Artemis & Winkler, Düsseldorf/Zürich 2002. (Original: Torino, 1997), S. 12.