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Der Begriff Selbstbewusstsein ist ein im 17./18. Jh. eingeführter philosophischer Kunstterminus. Er hat die Grundbedeutung „Bewusstsein seiner selbst“ bzw. „Bewusstsein des Ich“ sowohl im epistemischen Sinne einer Erkenntnis von sich wie im psychologischen Sinne eines Selbstgefühls. Das philosophische Verständnis von Selbstbewusstsein im Sinne von Selbstbeziehung ist vom alltagssprachlichen Verständnis unterschieden, wonach der Begriff gewöhnlich mit einer Selbstbewertung verknüpft ist.

Im Unterschied zum Bewusstsein von äußeren Dingen wird das Selbstbewusstsein so gedacht, dass sich das denkende und wollende Ich sich selbst zum Objekt haben kann. Dieses Selbstverhältnis beruht dabei auf einer Form von Selbstwahrnehmung – entweder psychisch auf einem Selbstgefühl oder epistemisch auf einer Vorstellung bzw. Erkenntnis seiner selbst – und konstituiert das Ich als einheitliches, mit sich selbst identisches Subjekt.

Der Begriff wurde im 17./18. Jh. zum zentralen Terminus der aufkommenden Subjektphilosophie, die die Selbstreflexion des denkenden Ich zum Prinzip aller Erkenntnis schlechthin erhob.

Begriffs- und Problemgeschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kant[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In der deutschsprachigen Philosophie wird der Begriff „Selbstbewusstsein“ bei Immanuel Kant zu einem zentralen Begriff seiner Erkenntnislehre. Er unterscheidet das empirische Selbstbewusstsein vom reinen oder transzendentalen Selbstbewusstsein, für das er häufig auch den Leibniz'schen Terminus „reine Apperzeption“ verwendet. Diese definiert er in der Kritik der reinen Vernunft als das, „was, indem es die Vorstellung Ich denke hervorbringt, die alle anderen muß begleiten können, und in allem Bewußtsein ein und dasselbe ist, von keiner weiter begleitet werden kann“ (KrV B 132). Das Selbstbewusstsein ist dabei für Kant „eine bloß intellektuelle Vorstellung der Selbsttätigkeit eines denkenden Subjekts“ (KrV B 278). Die Einheit des Selbstbewusstsein ist nicht introspektiv zugänglich; ohne sie gäbe es aber nur einen Strom von Impressionen ohne Einheitsprinzip, und somit wäre Erfahrung nicht erklärbar[1]. Das empirische Selbstbewusstsein ist nach Kant im strengen Sinn kein Bewusstsein meiner selbst, sondern von der Erscheinung meines Selbst in meinem inneren Sinn. Ich „erkenne mich selbst als gedachtes Objekt […], nicht wie ich vor dem Verstände bin, sondern wie ich mir erscheine“ (KrV B 155ff.). Dabei räumt Kant ein, dass dies auf eine Verdoppelung des Ich hinausläuft: in das Ich „der innern sinnlichen Anschauung und das des denkenden Subject“ [2].

Von Fichte bis Schopenhauer[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Selbstbewusstseins-Theorien nach Kant – von Fichte bis zu Hegel und Schopenhauer – übernehmen von Kant dessen Unterscheidung des „reinen“ vom „empirischen“ Selbstbewusstsein. Zunächst dominiert jedoch der Begriff des „Ich“. Fichte führt das reine Selbstbewusstsein als Abstraktionsbegriff ein. Es ist das, was nach Abstraktion von allen Objekten im Bewusstsein übrig bleibt: „Je mehreres ein bestimmtes Individuum sich wegdenken kann, desto mehr nähert sein empirisches Selbstbewußtsein sich dem reinen“[3]. Das Selbstbewusstsein ist die Einheit von Subjekt und Objekt: „Also das Selbstbewußtsein ist unmittelbar; in ihm ist Subjectives und Objectives unzertrennlich vereinigt und absolut Eins“[4].

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • José Luis Bermúdez: The Paradox of Self-Consciousness. MIT Press, Cambridge, MA 1998.
  • Manfred Frank: Selbstbewusstsein und Selbsterkenntnis. Stuttgart 1991.
  • Manfred Frank: Fragmente einer Geschichte der Selbstbewußtseins-Theorie von Kant bis Sartre. In: Manfred Frank (Hrsg.): Selbstbewusstseinstheorien von Fichte bis Sartre. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1991, ISBN 3-518-11430-1.
  • Karen Gloy: Bewusstseinstheorien. Zur Problematik und Problemgeschichte des Bewusstseins und Selbstbewusstseins. 3. Auflage. Alber, Freiburg/ München 2004, ISBN 3-495-48117-6 (Erstausgabe: 1998).
  • Karen Gloy: Selbstbewusstsein. In: Hans Jörg Sandkühler (Hrsg.): Enzyklopädie Philosophie. 2. Auflage. Hamburg 2010, ISBN 978-3-7873-1999-2.
  • Dieter Henrich: Selbstbewusstsein. Kritische Einleitung in eine Theorie. In: Rüdiger Bubner, Konrad Cramer, Reiner Wiehl (Hrsg.): Hermeneutik und Dialektik. Festschrift für Hans-Georg Gadamer. Band 1. Mohr, Tübingen 1970, DNB 456967257, S. 257–284.
  • Walter Jaeschke, Heinz-Dieter Heckmann u.a.: Selbstbewußtsein. In: Karlfried Gründer (Hrsg.): HWPh. Band 9. Schwabe, 1995, S. 350–379.
  • David Papineau: Thinking about Consciousness. Oxford UP, Oxford/ New York 2002.
  • Ernst Tugendhat: Selbstbewusstsein und Selbstbestimmung. Sprachanalytische Interpretationen. Frankfurt am Main 2014 (Erstausgabe: 1979).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Walter Jaeschke, Heinz-Dieter Heckmann u.a.: Selbstbewußtsein. In: Karlfried Gründer (Hrsg.): HWPh. Band 9. Schwabe, 1995, S. 350–379.
  2. Immanuel Kant: Preisschrift über die Fortschritte der Metaphysik. In: Friedrich Theodor Rink (Hrsg.): Akadademie-Ausgabe. Band 20, 1804, S. 268 (Erstausgabe: 1791).
  3. J. G. Fichte: Grundlage der gesammten Wissenschaftslehre. In: Reinhard Lauth, Erich Fuchs, Hans Gliwitzky (Hrsg.): Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Band I/2. Frommann-Holzboog, 1965, S. 383 (Erstausgabe: 1794).
  4. J. G. Fichte: Versuch einer neuen Darstellung der Wissenschaftslehre. In: Reinhard Lauth, Erich Fuchs, Hans Gliwitzky (Hrsg.): Gesamtausgabe der Bayerischen Akademie der Wissenschaften. Band I/4. Frommann-Holzboog, 1970, S. 274 (Erstausgabe: 1797).

Kategorie:Philosophie des Geistes