Benutzer:Hybscher/Handel und Wandel

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Handel und Wandel[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Redensart "Handel und Wandel" (Google, Wikipedia) kennen wohl die meisten. "Handel" ist klar, und "Wandel" als Synonym für "Veränderung" kann man ja bei uns nachlesen. Leider kann ich mir immer noch nicht so recht vorstellen, was das Wort "Wandel" innerhalb der Redewendung einschließt. Handel ist ein recht gut abzugrenzender Bereich. Wandel kann dagegen so ziemlich alles einschließen. Ist es im Zusammenhang mit der Redewendung nur ein Füllwort oder kann jemand - vielleicht anhand der Etymologie - sagen, ob damit etwas Bestimmtes gemeint ist, vielleicht sogar etwas, was mit Veränderung wenig bis nichts zu tun hat? Hybscher 15:17, 15. Jun. 2009 (CEST)

Habe ins Grimmsche Wörterbuch geschaut. Nach schneller Durchsicht des dortigen Eintrages zu "Wandel" hatte "Wandel" früher die Bedeutung von "Handel". Andererseits nahm "Wandel" auch die Bedeutung "Verkehr" an. Den Zusammenhang kann man wohl noch gründlicher erklären als ich jetzt. Gruß, --Rosenkohl 17:05, 15. Jun. 2009 (CEST)
Röhrich schreibt: Handel und Wandel: das geschäftliche Leben und Treiben einer Gesellschaft (veraltete Zwillingsformel). (Lutz Röhrich: Lexikon der sprichwörtlichen Redensarten. Band 2 Easy-Holzweg. Herder Verlag, Freiburg/Basel/Wien 1994, ISBN 3-451-04400-5, S. 655) -- Beiträge/77.128.42.173 18:33, 15. Jun. 2009 (CEST)
War das ausreichend? Ich bin mal davon ausgegangen, daß du den Rest zu den Binominalen selbst nachliest... --Beiträge/77.128.42.173 02:12, 16. Jun. 2009 (CEST)

Nein. Ich bin kein Student mit Zugriff auf eine Uni-Bibliothek, die jedes Buch hat. ;-\ Hybscher 13:22, 16. Jun. 2009 (CEST)

Hui, gut, daß ich nachgefragt habe. Wir haben ein Kommunikationsproblem. In dem Artikel Zwillingsformel (auch: Paarformel oder Binomiale) werden Ausdrücke vorgestellt, die gleichbedeutende oder ähnlichbedeutende Worte verbinden. Der Artikel führt dazu zahlreiche Beispiele an. Rosenkohl hat über das Grimmsche Wörterbuch bereits ausgeführt, daß „Wandel“ ursprünglich ebenfalls im Sinne von „Handel“ benutzt wurde. Über Röhrich 1994 können wir nun belegen, daß „Handel und Wandel“ eine Zwillingsformel ist. Daraus folgt, daß das Wort „Wandel“ innerhalb des Ausdrucks im Sinne von „Handel“ verstanden wurde. Deine Frage war, „was das Wort "Wandel" innerhalb der Redewendung einschließt“. Die Antwort ist: Die beim Aufkommen der Redewendung (seit dem 17. Jhd.) bestehende Sinngleichheit des Wortes „Wandel“ mit „Handel“ und der somit verstärkende (und gleichzeitig sprachspielerische) synonyme Gebrauch innerhalb einer Binominale. Grüße --77.128.1.125 18:06, 16. Jun. 2009 (CEST) p.s. Ich hatte gedacht, daß Du in den Artikel Zwillingsformel reinschaust und Dir dann alles klar wird. Das verlinkte Grimmsche Wörterbuch geht ja auch sehr ausführlich auf die Redewendung ein. Ich hoffe, jetzt ist alles gut :-)

Jaaa und nein. Ich habe mir natürlich 'Zwillingsformel' durchgelesen, aber daraus geht nicht hervor, daß 'Handel' und 'Wandel' das gleiche bedeuten. Im Gegenteil: Es gibt eine ganze Reihe von Beispielen, wo die Worte des jeweiligen Paares verschiedene Begriffe zusammenführen, zB 'Speis und Trank'. Die beiden Worte stehen zwar in einem Zusammenhang, bedeuten aber nicht dasselbe. Ich neige inzwischen zu der Ansicht, daß "Handel und Verkehr' die richtige Antwort ist. Hybscher 19:29, 16. Jun. 2009 (CEST)

Dafür spricht bei Grimm: „g) die seit dem 15. jahrh. vorkommende verbindung handel und wandel kann die allgemeine bedeutung 'verkehr mit den menschen, in der bürgerlichen gesellschaft' haben, auch noch in der neueren sprache“.
Dagegen spricht jedoch bei Grimm: „h) besonders geht sie aber auf den geschäftlichen, kaufmännischen verkehr, mittel und wege seinen lebensunterhalt zu erwerben. es mischt sich hier bei wandel auch die bedeutung 'austausch' ein (von der ADELUNG ausgehen will) vgl. unten die stelle bei BODE.“
und die weiter unten unter aufgeführte: “β) feste verbindungen mit verben: handel und wandel blüht, gedeiht, liegt darnieder, stockt u. dgl.: handel und wandel blühen SCHILLER 1, 156; das beispiel benachbarter reiche .., wo .. handel und wandel auf das beste gedeihe RANKE werke 2, 34; als sich handel und wandel ... zu heben begannen W. V. POLENZ Grabenhäger 1, 172; fällt die begierde nach reichthum weg, so liegt aller handel und wandel LISCOW sat. schriften (1739) 455; die wuth des aufruhrs ergreift die entferntesten provinzen; handel und wandel liegen danieder, die schiffe verschwinden aus den häfen, der künstler aus seiner werkstätte, der landmann aus den verwüsteten feldern SCHILLER 7, 10; handel und wandel stockten TREITSCHKE d. gesch. 1 (1879) 277. handel und wandel treiben (vgl. wandel treiben oben f): handel und wandel treiben SCHOTTEL 1440; handel und wandel treiben, mercaturam facere NIEREMBERGER; was sind diese glücks - güter mir und den meinigen auf dieser insul nütze, da wir mit niemanden in der welt handel und wandel zu treiben gesonnen? SCHNABEL insel Felsenburg 337 neudr.; aber menschen auf die schlachtbank oder an die kette liefern, sollen sie nicht, sonst können sie handel und wandel treiben, womit und mit wem sie wollen LENZ 3, 311 Tieck; weil die Engländer das ausdrückliche versprechen verlangten, handel und wandel in ruhe treiben zu dürfen RANKE werke 38, 242. handel und wandel stören u. dgl.: besser werde ihnen sein, auszuwandern, nach Venedig oder ... Frankreich, wo man ehrlichen handel und wandel nicht beschränke RANKE werke 1, 123; diess (der zwangsumlauf der falschen assignaten) verwirre aber handel und wandel ins unendliche GÖTHE 33, 142 Weim. ausg.“. (Finde ich zumindest). --77.128.1.125 19:51, 16. Jun. 2009 (CEST)

Manney, und ich hatte gehofft, es gäbe eine kurze und völlig eindeutige Antwort. Wieder was gelernt. ;-) Jedenfalls vielen Dank für die Mühe. Hybscher 20:36, 16. Jun. 2009 (CEST)

Keine Ursache. Dein kritischer Einwand, daß die Zwillingsform nicht zwingend tautologisch sein muß, war ja völlig berechtigt. Insofern fehlte meiner Argumentation noch der ergänzende Aspekt der Verbverbindung und ich war in der Belegpflicht. Mit anderen Worten: ich hatte bisher einfach schlecht argumentiert. :-) Grüße --77.128.1.125 20:59, 16. Jun. 2009 (CEST)

Interessant ist dazu auch Das Kapital, vergl. [1], z.B.:

  • "Alle Waren sind Nicht-Gebrauchswerte für ihre Besitzer, Gebrauchswerte für ihre Nicht-Besitzer. Sie müssen also allseitig die Hände wechseln. Aber dieser Händewechsel bildet ihren Austausch, und ihr Austausch bezieht sie als Werte aufeinander und realisiert sie als Werte. Die Waren müssen sich daher als Werte realisieren, bevor sie sich als Gebrauchswerte realisieren können."
  • "Der Geldkristall ist ein notwendiges Produkt des Austauschprozesses, worin verschiedenartige Arbeitsprodukte einander tatsächlich gleichgesetzt und daher tatsächlich in Waren verwandelt werden."
  • "Man hat gesehn, daß die Geldform nur der an einer Ware festhaftende Reflex der Beziehungen aller andren Waren. Daß Geld Ware ist (45), ist also nur eine Entdeckung für den, der von seiner fertigen Gestalt ausgeht, um sie hinterher zu analysieren. Der Austauschprozeß gibt der Ware, die er in Geld verwandelt, nicht ihren Wert, sondern ihre spezifische Wertform. Die Verwechslung beider Bestimmungen verleitete dazu, den Wert von Gold und Silber für imaginär zu halten.(46)"

Grüße, --Rosenkohl 21:37, 16. Jun. 2009 (CEST)

Danke. Jetzt weiß ich wieder, warum ich die Schwarte nicht bis zum Ende gelesen habe. Hybscher 22:23, 16. Jun. 2009 (CEST)
Hehe, nun wir befinden uns hier ja noch fast am Anfang. Wie dieser Anfangsteil zu verstehen sei ist auch in der heutigen Diskussion noch hoch umstritten, selbst zwischen verschiedenen Vertretern der neuen Marx-Lektüre. Der Text ist für das breite Publikum, aber zugleich in einer hochentwickelten Wissenschaftssprache verfaßt und nicht leicht zu erschließen. Im Grund versucht Marx am Anfang meines Erachtens zur erklären, worin der Warenfetisch genau besteht. In diesen Zitaten hier geht es insbesondere auch um die Erkenntnis, daß Geld eine Ware ist. Wenn man so will ist diese Weisheit vielleicht schon vorhanden in der ursprünglichen sprachlichen Bedeutungsgleichheit (siehe Grimmsches Wörterbuch) von "handeln" (also Tausch von Waren) und "wandeln" (also Umwandlung des Arbeitsproduktes in eine Ware, und Umwandlung der Ware in Geld). Gruß, --Rosenkohl 23:57, 16. Jun. 2009 (CEST)
Ich sage nicht, daß man es nicht so sehen kann, aber letztlich ist die Redensart älter als Marx es je werden wird. Insofern glaube ich nicht, daß die Auslegung von Marx-Texten uns erklären kann, was die Altvorderen mit 'Wandel' gemeint haben. Hybscher 01:00, 17. Jun. 2009 (CEST)

Halte aber auch die Frage für interessant, weshalb sich diese Formel in der deutschen Sprache und im Sprachgebrauch durchgesetzt hat. Meines Erachtens ist naheliegend, das dies gleichzeitig mit der Entstehung des kapitalistischen Wirtschhaftssystems geschah. Nicht nur Marx, sondern schon die Grimms beziehen sich auf die Bedeutung der Formel in der bürgelichen Gesellschaft:

"g) die seit dem 15. jahrh. vorkommende verbindung handel und wandel kann die allgemeine bedeutung 'verkehr mit den menschen, in der bürgerlichen gesellschaft' haben, auch noch in der neueren sprache."
"h) besonders geht sie aber auf den geschäftlichen, kaufmännischen verkehr, mittel und wege seinen lebensunterhalt zu erwerben. es mischt sich hier bei wandel auch die bedeutung 'austausch' ein (von der ADELUNG ausgehen will) vgl. unten die stelle bei BODE."

Durch den Gebrauch dieser Formel wird für meine Ohren nahegelegt, "Handel" und "Wandel" gehörten irgendwie zusammen, und zugleich seien sie grundlegend verschieden. Ich denke, die rhetorische Wirkung der Formel wird dadurch erzielt, daß gerade nicht erklärt wird, worin der Zusammenhang und der Unterschied besteht. Die Zuhörer müßen praktisch die Formel "schlucken" (wenn nicht jemand dumm nachfragt "Eh, Augenblick bitte, was meinen Sie genau mit 'handel und wandel', und warum sagen Sie nicht einfach nur:'handel' oder nur:'wandel'?" ;-). Gruß, --Rosenkohl 10:45, 17. Jun. 2009 (CEST)

Ich denke, das grundlegende Missverständnis besteht darin, den Begriff "Wandel" im modernen Sinne auf die Bedeutung "Veränderung" einzugrenzen. Es wird deutlicher, wenn man sich den Ausdruck verbal vorstellt:
  • Jemand kann handeln (das kann Handel treiben bedeuten, ist aber auch viel weiter zu verstehen im Sinne von "irgendetwas tun" oder geschäftig "irgendetwas treiben").
  • Jemand kann wandeln (das kann Herumlaufen oder Spazierengehen bedeuten, heißt aber im weiteren Sinne auch einfach "irgendwo umherkreisen" oder geschäftig mit irgendetwas zugange sein).
Im Endeffekt ähnelt sich die Grundbedeutung sehr. Nur darf man nicht den Irrtum begehen, das (Umher-)"Wandeln" hier als ein "Sich-Wandeln" im Sinn von sich verändern misszuverstehen. Es ist ja nicht reflexiv.
--Jordi (Diskussion) 19:36, 24. Aug. 2016 (CEST)