Benutzer:Markus Bärlocher/Möhrendorfer Wasserschöpfräder

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Wasserschöpfräder – im Vordergrund das Schmiedsrad, im Hintergrund das Rinig-Rad

Die zehn Wasserschöpfräder in Möhrendorf an der Regnitz gehören zu den letzten ihrer Art in Mitteleuropa und sind ein eimaliges Kulturdenkmal. Sie schöpfen mit am Rad befestigten Holzeimern das wärmere und sauerstoffreiche Oberwasser aus dem Fluss in ein Rinnen-System zur Bewässerung der Felder und machen dadurch die anliegenden Wiesen besonders ertragreich.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Vierzigmannrad mit Stauwehr (Flügel)

Die Möhrendorfer Wasserschöpfräder sind bereits für den Anfang des 15. Jahrhunderts belegt. Im Jahre 1805 waren an der Regnitz zwischen Fürth und Forchheim auf einer Länge von ca. 25 Flusskilometern noch etwa 190 solche Wasserräder in Betrieb, so viele wie an keinem anderen Fluss in Mitteleuropa. Gemäß der in Teilen heute noch gültigen Baiersdorfer Wasserordnung aus dem Jahre 1693 dürfen diese nur von 1. Mai bis 30. September betrieben werden. Die wuchtigen Holzkonstruktionen, die an Mühlräder erinnern, werden heutzutage von ehrenamtlichen Helfern zu Beginn der Sommersaison aufgestellt und am Ende der Saison abgebaut und eingelagert. (Siehe auch Regnitz).

Die 10 Räder und ihre Paten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Derzeit sind zehn Wasserschöpfräder in Betrieb.[1]

Jedes Wasserschöpfrad hat einen Sponsor, der mit seinem Team das Rad im Frühjahr aufbaut, während der Saison prüft und wartet, im Herbst wieder abbaut und im Winter auseinanderbaut, trocknet, einlagert und vor allem beschädigte Holzteile rpariert oder neu baut. Die Rädersind nummeriert, flussaufwärts, entsprechend der Flusskilometrierung. Die Kilometrierung beginnt an der Mündung, da wo die Regnitz in den Main-Donau-Kanal mündet. Sieben Räder stehen am linken Flussufer, drei am rechten Ufer. Nur das Vierzigmannrad ist als Doppelrad mit Kümpfen an beiden Radkränzen in Betrieb.

Nr. Name Paten Pos km li/re Kümpfe Bemerkungen
1 Wässerwiesenrad Freie Wähler Möhrendorf[2] 49,641468° N, 11,006517° O 39,65 links 24 REWE
2 Vierzigmannrad Gemeinde Möhrendorf[3] 49,637873° N, 11,004591° O 40,00 rechts 2 x 18 Tisch und Bank, Storch-Biotop
3 Rinnigrad CSU Möhrendorf 49,636977° N, 11,004333° O 40,05 links 24
4 Schmiedsrad Wasserwirtschaftsamt Nürnberg 49,637232° N, 11,004921° O 40,10 rechts 24 Parkplatz, Tafel
5 Weidackerrad Harald Rudolph, Landwirt 49,635375° N, 11,006112° O 40,20 rechts 24 Parkplatz
6 Schloßangerrad Grünes Bürgerforum Möhrendorf[4] 49,63502° N, 11,005875° O 40,21 links 24 [5]
7 Kleines Schäferrad Verein Zufriedenheit, Oberndorf 49,629172° N, 11,006984° O 41,20 links 24 Sitzbank, Oberndorf
8 Kennerleinsrad Hans Rudolph, Landwirt 49,626344° N, 11,006741° O 41,60 links 24
9 Altes Schäferrad Burschenverein Renner 49,625085° N, 11,003373° O 41,88 links 24
10 Bauernrad Erlanger Stadtwerke 49,623755° N, 11,000494° O 42,15 links 24 Naturerlebnispfad Station 10/1

Aufbau[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Eine Wasserschöpfrad-Anlage besteht aus der Stauanlage, der Radstatt, dem Schöpfrad und dem Bewässerungssystem.

Stauanlage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Stauanlage

Die Stauanlage oder der „Flügel“ ist ein kleines schräg im Fluss liegendes Wehr, das den Fluss etwa 10 cm aufstaut. Es leitet das Wasser zur Radstatt. Am Flussgrund liegt der „Grundbaum“, ein schwerer Eichenbalken 50 x 35 cm, meist mehrere Balken entsprechend der Länge des Wehres. Im Grundbaum werden alle 75 cm Vierkant-Löchern ausgestemmt. Durch jedes zweite Loch wird eine etwa 3 Meter lange „Nadel“ in den Flussgrund getrieben und dadurch der Baum fest verankertert. Die Verlegung eines Grundbaumes dauert trotz modernen Hydraulikgeräten fast zwei Wochen. Der Grundbaum hat eine Lebensdauer von etwa 100 Jahren, da er ständig unter Wasser liegt.

Im Frühjahr wird dann das eigentliche Wehr gebaut. Dazu werden „Docken“, Vierkant-Hölzer aus Eiche, in die noch freien Löcher des Grundbaumes gesteckt. Zwischen den Docken werden „Flügelbretter“ befestigt, 3 x 20 cm, 3 Meter lang, an denen sich dann das Wasser staut. Der Aufbau der Wehre im strömenden Fluss ist eine harte Arbeit. Im Herbst werden dann die Flügelbretter und die Docken wieder entfernt und eingelagert.

Radstatt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Radastatt:
6 Pfähle, 2 Jochbalken, 2 Stege.
Hier zusätzlich mit Lager und Welle.

Die „Radstatt“ oder „Radstube“ ist das Untergestell für das Schöpfrad und bleibt ganzjährig im Flussbett verankert. Sie besteht aus zwei im Wasser stehenden Teilen. Jeder Teil besteht aus drei Eichenpfählen, die parallel zum Ufer beziehungsweise zur Fliessrichtung des Flusses im Wasser stehen. Die Pfähle wurden früher mit einer Ramme eingerammt, heute werden sie mit einem Bagger etwas 1 Meter tief in den Flussgrund gedrückt. Dazu muss manchmal eine Steinschüttung als Arbeitsplattform in den Fluss eingebracht und anschliessend wieder entfernt werden. Auf den drei Pfählen liegt der „Jochbalken“ aus Kiefernholz. So entstehen ein landseitiges und ein flussseitiges Joch. Beide werden durch zwei Stege stabil miteinander verbunden.

Schöpfrad[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schöpfrad

Das Schöpfrad ist gleichzeitig der Wasserantrieb der Anlage und das Fördergerät für das Bewässerungs-Wasser. Insgesamt besteht ein Wasserschöpfrad aus über 500 Teilen. Es wird durch mehr als 300 Holzkeile und Holznägel zusammengehalten. Ausser Wellenzapfen und Spannringen an der Welleund den Fassringen an den Kümpfen sind alle Teile aus Holz.

Das Schöpfrad besteht aus folgenden Teilen:

Welle
Die etwa 35 cm dicke Welle aus Eichenholz hat an jedem Ende einen Stahl-Spannring als Schutz gegen Aufsplitterung und einen Stahlzapfen. Die Stahlzapfen werden in einem Lagerbock („Anwelle“) aus Eichenholz gelagert. Dadurch entsteht ein Gleitlager Metall auf Holz mit Wasserschmierung. Die Welle hat an jedem Ende drei rechteckige Durchbrüche zur Aufnahme der drei Arme für den Radkranz.
Radkranz
Das Schöpfrad hat zwei Radkränze. Je drei „Arme“ bilden die sechs Speichen für einen Radkranz. Je sechs „Kümmerlinge“ werden jeweils an den Speichen mit „Schetterbrettern“ und „Schetternägeln“ zu einem Radkranz verbunden. Die Kümmerlinge werden aus passend krumm gewachsenem Kiefernholz gefertigt.
Schaufelbretter
Schaufelbrett
und Wasserband mit Froschkeil
Jedes Schöpfrad wird von 24 Schaufelbrettern angetrieben. Sie werden auf beiden Seiten mit je einem „Wasserband“ und einem „Froschkeil“ befestigt. Wasserbänder sind Bänder aus Eichenholz, die einige Zeit in heissem Wasser gekocht werden, um sie in die gewünschte Form biegen zu können. Sie werden um das senkrecht auf dem Radkranz liegende Schaufelbrett gelegt, die Enden durch eine Bohrung im Schaufelrad gesteckt und von hinten mit dem einem Rundholzzapfen verkeilt.
Schöpfeimer
Kümpfe
Die Schöpfeimer oder „Kümpfe“ transportieren das Bewässerungs-Wasser aus dem Fluss ins Bewässerungssystem. Die Kümpfe werden in alter Handwerkstradition der Küfer bis auf die drei eisernen Spannreifen komplett aus Holz gefertigt. Die Kümpfe werden mit je zwei Kumfnägeln aus Eichenholz am Radkranz befestigt. Damit die Kümpfe beim Ausgiessen das Wasser in den Trog schütten können, müssen sie etwas schräg von Radkranz weg zeigend befestigt werden. Das erreicht man dadurch, dass der Ausguss des hinteren Kumpfes auf dem unteren Bauch des vorderen Kumpfes liegend befestit wird. Der Kumfnagel wird also immer durch je zwei Kümfe gesteckt und in den dahinterliegenden Radkranz getrieben.
Ein einfaches Schöpfrad trägt 24 Kümpfe am landseitigen Radkranz. Ein doppeltes Schöpfrad trägt 48 Kümpfe, je 24 landseitig und 24 flussseitig. Jeder Eimer fasst gut 30 Liter, tranportiert aber nur etwa 10 Liter bis ganz nach oben. Ein Rad schöpft also 240 (Einzelrad) oder 480 Liter (Doppelrad) je Umdrehung.

Bewässerungssystem[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Entleerung in Trog und Rinne

Jedes Wasserschöpfrad versorgte ein ausgedehntes Bewässerungsnetz. Manchmal waren auch mehrere Schöpfrader gemeinsam an einem System beteiligt. Die Kümpfe schöpfen das Wasser aus dem Fluss. Am oberen Scheitelpunkt der Raddrehung, etwa 4 Meter über Wasserspiegel, schütten sie das Wasser aus. Ein großer Gießtrog fängt es auf und leitet es über eine hölzerne Ablaufrinne in die Bewässerungsgräben. Ein System bestand aus vielen Gräben und Kanälen, zwichen denen mit Schützen oder Schiebern der Wasserfluss verteilt oder umgelenkt werden konnte. [6]

Ein einfaches Wasserrad schöpft pro Tag etwa 1400 Kubikmeter Wasser oder 1'400'000 Liter.

Die Bewässerung ermöglichte statt nur einer nun drei Mahden (Ernten) von Heu und Grummet im Jahr. Das Wasser fliesst aus den Kümpfen (Eimern) des Schöpfrads in eine hölzerne Rinne und dann in ein ausgedehntes Grabensystem. Da ein Rad durchaus 8 ha Wiesen verschiedener Eigentümer bewässern konnte, waren die Wässerungszeiten der einzelnen Grundstücke minutiös festgelegt.[7]

Wasserschöpfrad als Gemeindewappen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ein stilisiertes Wasserschöpfrad befindet sich im Gemeindewappen von Möhrendorf. Ebenso im Wappen des Landkreises Erlangen-Höchstadt, dem Fürther Stadteil "Stadeln" und der Gemeinde Hausen (bei Forchheim).[8]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Ralf Dürschner: Die Möhrendorfer Wasserschöpfräder - Gewschichte, Zweck, Technik und Zukunft. Verlag Solare Zukunft, ISBN 3-933634-08-3 (vergriffen)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Chronik der Gemeinde Möhrendorf, zu beziehen bei der Gemeindeverwaltung
  2. Langjähriger Vorbesitzer des Wassserwiesenrades war Hans Rentsch, Landwirt
  3. Langjähriger Vorbesitzer des Vierzigmannrades war der Stammtisch Kohlmann
  4. Langjähriger Vorbesitzer des Schloßangerrades war die Gemeinde Möhrendorf
  5. gebaut 1856, als nach dem Bau des „Ludwigskanals“ das Wegrad und das Weidackerrad auf die Wasserrechte für je 12 Kümpfe verzichteten.
  6. Weitere Details in: Die Chronik der Gemeinde Möhrendorf.
  7. Schöpfräder und Wiesen, in: Stadt-Land-Fluss, Erlangen und die Regnitz
  8. Link unter den Wappen in der Wappen-Galerie führt zum Kapitel "Heraldik" der betreffenden Gemeinde