Benutzer:Optionmanager/Nachhaltige Marktwirtschaft

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Die Nachhaltige Marktwirtschaft (Sustainable Market Economy) ist eine inhaltlich-programmatische und begriffliche Erweiterung der Sozialen Marktwirtschaft.

Der Kerngedanke der Sozialen Marktwirtschaft ist die Sozialpflichtigkeit der Ökonomie und die soziale Verantwortung von Eigentum (gem. Art. 14.2 GG). Es wird indes zunehmend klarer, dass neben den ökonomischen und den sozialen Aspekten vermehrt auch ökologische sowie generell-ethische Gesichtspunkte zu beachten sind, wenn wir Menschen uns auf Dauer auskömmliche Lebensgrundlagen bewahren wollen (gem. Art. 20a GG)[1].

Die Verknüpfung zwischen Ökonomie und Sozialem haben die Menschen in Deutschland alle hinreichend verinnerlicht, nachgerade internalisiert. Diese überaus enge Verbindung hat sich als Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell in den letzten 60 Jahren unserer deutschen Geschichte allerbestens bewährt. Das Bewusstsein für die Ökologie kam etwas später hinzu. Die Grenzen des Wachstums des Club of Rome, die beiden Ölkrisen in 1973 und 1979/80 und die autofreien Sonntage im November und Dezember 1973 haben die Menschen aufgerüttelt. Ökologische Belange entwickelten sich langsam und wurden jedoch zunächst als etwas empfunden, was die wirtschaftliche und soziale Entwicklung in Deutschland eher belastet und behindert. Umweltanforderungen wurden zuerst als reine Kostenfaktoren und als Entwicklungs- und Wohlstandsbremsen angesehen. Als es aber immer klarer wurde, dass auch auf diesem Gebiet ein Umdenken stattfinden müsse, kamen die ersten Umweltbestimmungen und -gesetze und die Unternehmen schafften zunehmend organisatorische Einheiten, die sich speziell mit Umweltfragen befassten; ein Umwelt-Beauftragter wurde vielerorts eingerichtet. Mittlerweile ist in vielen Unternehmen das Thema Umwelt Chefsache.

Inhaltlich wie auch strukturell liefen allerdings die beiden Themen Soziales und Ökologie zunächst auf getrennten Schienen und eher gegeneinander als auf einander zu. Die beiden Themenfelder begannen erst Anfang der 90er Jahre zu konvergieren, als die Aspekte der Nachhaltigkeit [2] verstärkt aufkamen: 1976 bzw. 6/2000 die OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen[3] (MNUs), 1977 von der ILO die Basiskonvention [4] und 1999 die Global Compact Initiative der UN [5]. Seit einigen Jahren gibt es unter dem Stichwort Corporate Social Responsibility (CSR) einen regelrechten Hype. Immer mehr Unternehmen kommunizieren ihr nachhaltiges Wirtschaften mit zunehmender Transparenz. Nachhaltiges Wirtschaften wird den Unternehmen verstärkt von seiten der Kunden/Verbraucher, der inzwischen sozial und ökologisch höchst-sensibilisierten Öffentlichkeit und nicht zuletzt auch von den Kapitalgebern und Fondsgesellschaften abverlangt. Speziell im globalen Vergleich wird CSR in diesem Jahrzehnt zu einem entscheidenden strategischen Erfolgsfaktor für die meisten Unternehmen.

Soziale Marktwirtschaft ist ein terminus technicus der Politik und weniger der Wirtschaft. Hierbei geht es im Wesentlichen um die Sozialpflichtigkeit der Wirtschaft unter dem Leitgedanken von Art. 14.2 GG: „Eigentum verpflichtet.“ Die Ausgestaltung der sozialen Sicherungssysteme steht dabei im Vordergrund. Den Unternehmen und den dort Verantwortlichen war natürlich stets klar, dass sie Teil dieser Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung sind. Aber die Dinge wurden im Wesentlichen von der Politik, vom Gesetzes- und Verordnungsgeber geregelt. Dort lag die Initiative und die Unternehmen verhielten sich überwiegend reaktiv. Mit der sich ausbreitenden Corporate (Social) Responsibility erwächst aber zur Zeit bei den Unternehmen ein neues Selbstverständnis und eine bewusstere Einstellung zur gesellschaftlichen Verantwortung. Und auch die Themengebiete Soziales, Umwelt und Ethik werden verstärkt zusammengefasst und strategisch in die Geschäftsprozesse integriert. Dies ist aktuell ein weltweiter Trend. Bei der Umsetzung dieser integrierten Perspektive eilt die Wirtschaft momentan der Politik konzeptionell und begrifflich ein Stück voraus.

Politik, ein Status

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In den neuen Grundsatzprogrammen der beiden großen Volksparteien CDU und SPD wird eine Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft in der globalisierten Welt propagiert. Aber auch hierbei geht es mehr darum, in einer neuen, weltweit akzeptierten Wirtschaftspolitik die Standards unserer Sozialen Marktwirtschaft international zu verankern; hierdurch erreicht die Sozialen Marktwirtschaft in der Tat eine neue Dimension. Im Kern des Konzepts bleibt aber weiterhin die Lösung der sozialen Fragen. Die avisierte Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft stellt also unter Beibehalt der Bezugnahme auf die sozialen Fragen in erster Linie auf eine Internationalisierung des bewährten deutschen Wirtschafts- und Gesellschaftsmodells ab. Mit der propagierten Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft scheint aber eine bewusstere Verknüpfung von Sozialem mit Ökologischem (und Ethik) weniger intendiert zu sein.

Das Erkennen von und der intelligente Umgang mit den Interdependenzen zwischen Sozialem und Ökologischem (und Ethik) sind nicht nur für unser Land, sondern für die gesamte Menschheit von existenzieller Bedeutung. Es geht um nichts Geringeres als die nachhaltige Sicherung unserer Lebensgrundlagen. Es geht um die Bewahrung der Schöpfung, eine Entkopplung von Lebensqualität und den Stoffströmen vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung, es geht um die Mobilität von Menschen, Gütern und Information/Wissen, um Gesundheitsschutz, um unser Recyclingverhalten, um die Ursachen und die Bekämpfung von Armut, um drohende Bevölkerungswanderungen, um den Kampf um die Ressourcen und um eine verbesserte Ausbildung, insbesondere um den Zugang zur Grundschulausbildung für alle Menschen und generell eine verbesserte Ausbildung von Frauen. Bei vielen dieser Themen steht das Ökonomische als intervenierende Größe zwischen dem Ökologischen und dem Sozialen, z. B. bei der Frage der durch Umweltaspekte ausgelösten Vernichtung von Arbeitsplätzen bzw. Entstehung neuer Arbeitsplätze. Bei anderen Themen gibt es indes einen direkten Zusammenhang zwischen dem Ökologischen und dem Sozialen.

Dieses integrierte Wirtschafts- und Gesellschaftsmodell, um das es aktuell geht, als Menschliche [6] [7] bzw. Humane Marktwirtschaft [8] zu bezeichnen, wie dies gelegentlich geschieht, ist nicht hinreichend, weil der Begriff lediglich herausstellt, dass sich unser Wirtschaften letztlich an dem Bedarf des Menschen auszurichten hat – aber das ist trivial. All unser Tun oder Unterlassen, wenn wir dem einen übergeordneten Sinn geben wollen, muss sich an den Belangen, letztlich am Wohl der gesamten Menschheit orientieren. Der Begriff der Ökosozialen Marktwirtschaft, der von Franz Josef Radermacher[9] [10] vorzugsweise verwendet wird und der sich in Österreich [11] weitgehend etabliert hat, meint zwar inhaltlich auch das Richtige, bringt aber eher ein bloß additives Aneinanderfügen von Ökologischem und Sozialem zum Ausdruck. Der Begriff der Nachhaltigen Marktwirtschaft verschweißt hingegen tatsächlich die Bereiche der Ökonomie, des Sozialen und der Ökologie (und des Ethischen) und verweist darüber hinaus noch auf das neue global-politische Programm der Nachhaltigkeit.

Wenn auch die Begriffe nachhaltig und Nachhaltigkeit zur Zeit Konjunktur haben, sie treffen gleichwohl besser als jeder andere Begriff das Inhaltliche, was im aktuellen Fokus der Menschen und der Unternehmen steht. Das Bundeswirtschaftsministerium schreibt hierzu [12]: „Das Leitbild der nachhaltigen Entwicklung zielt im gleichen Maße auf angemessenes Wirtschaftswachstum, soziale Sicherung und ökologisches Gleichgewicht.“ Bundeskanzlerin Angela Merkel hat im Jahr 2005 mit ihrer Bestätigung des Rates für Nachhaltige Entwicklung und mit der Einrichtung eines Staatssekretärsausschusses für nachhaltige Entwicklung Institutionen zur Verfügung gestellt, die helfen, die hinsichtlich Nachhaltigkeitsfragen erforderliche Abstimmung zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik herbeizuführen. In ihrer Rede anlässlich der Jahreskonferenz des Rates für Nachhaltige Entwicklung im September 2006 in Berlin sagte sie mit Blick auf eine Nationale Nachhaltigkeitsstrategie: „Die Förderung einer nachhaltigen Entwicklung ist Ziel und Maßstab des Regierungshandelns, auf nationaler, europäischer und internationaler Ebene.“[13] [14] Die SPD, so der ehemalige SPD-Chef Kurt Beck, will in ihrem neuen Hamburger Programm (vom 28. 10. 2007) gleichfalls das Prinzip der Nachhaltigkeit verankern. Die FDP fordert bereits in ihren Wiesbadener Grundsätzen (vom 24. 5. 1997) eine "Weiterentwicklung der Sozialen Marktwirtschaft zu einer Sozialen und Ökologischen Marktwirtschaft".[15] Bündnis 90/Die Grünen verwenden den Begriff der Grünen Marktwirtschaft[16] und schreiben: “Nur eine Grüne Marktwirtschaft, die ökologischen und sozialen Zielen verpflichtet ist, ist zukunftsfähig.“ Ein solcher Begriff kommt aber, weil er zu parteibezogen ist, als allgemeine begriffliche Erweiterung der Sozialen Marktwirtschaft nicht in Frage. Die CSU hat aktuell (FAZ vom 21. 6. 2008) ein Öko-Strategiepapier vorgelegt, das jedoch zur hier thematisierten Begriffsneubildung nicht beiträgt. Die branchen- und parteiübergreifende Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft geht von dem erfolgreichen Modell der Sozialen Marktwirtschaft aus und passt dieses an die neuen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts an: Globalisierung, Wissensgesellschaft, moderne Arbeitswelt, Informationstechnologie, demografische Entwicklung. Eine Verbindung von Ökonomie, Sozialem, Ökologie und allgemein-ethischen Aspekten ist indes nicht vorrangig intendiert.

Im deutschen Wikipedia selbst gibt es 2 einschlägige Stichworte: die Soziale Nachhaltigkeit und das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit, die klar auf eine Integration von Ökonomie, Sozialem und Ökologie abstellen, die aber die begriffliche Verbindung zur Sozialen Marktwirtschaft leider nicht herstellen.

Die Erfüllung der Prinzipien eines nachhaltigen Wirtschaftens stellt ein übergeordnetes Leitkonzept[17] das es in unserer heutigen, globalisierten Welt essentiell zu fordern, zu verfolgen und zu leben gilt. Nachhaltigkeit steht dabei keineswegs im Widerspruch zur Sozialpflichtigkeit des ökonomischen Agierens, wie es sich in der Sozialen Marktwirtschaft in jeder Hinsicht bewährt hat. Allerdings ist die heutige Generation, die die wirtschaftlichen und sozialen Entscheidungen trifft, nicht nur den heute auf unserem Planeten lebenden Menschen sozial verpflichtet, sondern darüber hinaus auch den nachfolgenden Generationen (vgl. Art 20a GG). Hinzu kommt, dass bei einer Missachtung der Nachhaltigkeitsprinzipien zunehmend das wirtschaftliche Wachstum wie auch die soziale Sicherung gefährdet würde. Nachhaltigkeit ist mithin eine Vorbedingung für wirtschaftliches Wachstum, für den Fortbestand unserer sozialen Sicherungssysteme und somit für anhaltenden Wohlstand der betreffenden Gesellschaften.

Die begriffliche Fortentwicklung von der Sozialen zur Nachhaltigen Marktwirtschaft steht durchaus in der Tradition von Walter Eucken, Alfred Müller-Armack und Ludwig Erhard. Der Begriff der Nachhaltigen Marktwirtschaft als Erweiterung der Sozialen Marktwirtschaft liegt quasi in der Luft. Im Internet findet man zum Beispiel zur Nachhaltigen Marktwirtschaft eine Web-site von Dietmar Helmer[18] . Ebenfalls gibt es einen einschlägigen Aufsatz von Michael Vassiliadis mit dem Titel Nachhaltige Marktwirtschaft für eine nachhaltige Entwicklung“[19]. Michael von Hauff hat gerade ein sehr lesenswertes Buch über die Zukunftsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft herausgegeben und argumentiert in seinem Beitrag „Von der Sozialen zur Nachhaltigen Marktwirtschaft[20] in dem nämlichen Sinne.

Namentlich die Politik sollte die Semantik nutzen, um die großen Themen unserer Zeit beim richtigen Namen zu nennen. Die Politik hat nun einmal die Aufgabe, mit den richtigen Begriffen aufzuwarten. Solange wir nur den Zusammenhang zwischen Wirtschaft und Sozialem meinen, spricht nichts dagegen, auch zukünftig den bewährten Begriff der Sozialen Marktwirtschaft zu verwenden. Wenn wir indes – zeitgemäß – auf den ganzheitlichen, integrativen Zusammenhang zwischen Wirtschaft, Sozialem, Umwelt und allgemein-ethischen Erfordernissen abstellen, ist ein erweiterter Begriff, der Begriff der Nachhaltigen Marktwirtschaft unbedingt angebracht.

  • von Haupt, Michael: Von der Sozialen zur Nachhaltigen Marktwirtschaft. In: von Haupt, Michael (Hrsg.): Die Zukunftsfähigkeit der Sozialen Marktwirtschaft, Marburg 2007, Seiten 349 - 392
  1. Art. 20a GG: Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.
  2. Lexikon der Nachhaltigkeit
  3. OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen MNUs
  4. ILO Basiskonvention
  5. Global Compact Initiative der UN
  6. Humanwirtschaftspartei
  7. Humanwirtschaftspartei Wikipedia
  8. Programm für einen Menschliche Marktwirtschaft
  9. Radermacher: Globaler Marshallplan für Ökosoziale Marktwirtschaft
  10. Franz Josef Radermacher
  11. Ökosoziale Marktwirtschaft in Österreich
  12. Bundeswirtschaftsministerium: Nachhaltige Wirtschaftsentwicklung
  13. Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 26.9.2006
  14. Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 27.11.2007: Nachhaltigkeit ist Leitprinzip unserer Politik
  15. FDP Wiesbadener Grundsätze 1997
  16. Bündnis 90/Die Grünen: Wirtschaftspolitik
  17. Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 27. 11. 2007: Nachhaltigkeit ist Leitprinzip unserer Politik
  18. Web-site Dietmar Helmer: Nachhaltige Marktwirtschaft
  19. Michael Vassiliadis: „Nachhaltige Marktwirtschaft“ für eine nachhaltige Entwicklung
  20. Michael von Hauff: Von der Sozialen zur "Nachhaltigen Marktwirtschaft"
  • [1] OECD Leitsätze für Multinationale Unternehmen
  • [2] ILO Basiskonvention
  • [3] UN Global Compact Initiative
  • [4] UN Global Compact Initiative
  • [5] Lexikon der Nachhaltigkeit
  • [6] Lexikon der Nachhaltigkeit: UN Global Compact Initiative
  • [7] Franz Josef Radermacher: Globaler Marshallplan für Ökosoziale Marktwirtschaft
  • [8] Franz Josef Radermacher
  • [9] FDP: Soziale und Ökologische Marktwirtschaft
  • [10] Grüne Marktwirtschaft
  • [11] BMWi: Nachhaltigkeit in der Wirtschaftspolitik
  • [12] Dietmar Helmer: Nachhaltige Marktwirtschaft, Web-site
  • [13] Michael Vassiliadis: "Nachhaltige Marktwirtschaft" für eine nachhaltige Entwicklung
  • [14] Michael von Hauff: Von der Sozialen zur "Nachhaltigen Marktwirtschaft"
  • [15] Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 26.9.2006
  • [16] Rede von Bundeskanzlerin Angela Merkel vom 27.11.2007
  • [17] INSM Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft: Was ist Neue Soziale Marktwirtschaft?
  • [18] Wolfgang Vieweg: Nachhaltige Marktwirtschaft, s. dort S. 12ff.
  • [19] Wolfgang Vieweg: Mehr Dimensionen

Kategorie: Wirtschaft Kategorie: Marktwirtschaft Kategorie: Gesellschaft Kategorie: Politik Kategorie: Zukunft