Benutzer:Semiaktiv/jüdisches Leben in Ludwigsburg

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Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Ludwigburg geht aufgrund der kurzen Stadtgeschichte nicht weit zurück. Es gab in der Stadt zunächst einen Betsaal, später wurde eine Synagoge sowie insgesamt zwei Friedhöfe errichtet. Zudem bildeten sich Gruppierungen und Vereine, die unter anderem für eine jüdische Schuldbildung in Ludwigsburg sorgten. Es gab ein Gemeindehaus, vermutlich eine Mikwe und eine Gemeindebibliothek. Ein eigenes Rabbinat hatte Ludwigsburg nicht, jedoch stellte die Gemeinde bereits 1816 einen eigenen Kantor ein. Im Jahr 1900 erreichte die Anzahl an Juden mit 243 Mitgliedern einen Höhepunkt.[1]

Die Synagoge in Ludwigburg wurde am 10. November 1938 im Zuge der Novemberpogrome zur Zeit des Nationalsozialismus zerstört. Insgesamt wurden zu dieser Zeit 52 Juden aus Ludwigsburg ermordet, 156 Mitglieder der Gemeinde flohen in das Ausland.[2] Der Platz der ehemaligen Synagoge in Ludwigsburg erinnert heute an die Verbrechen des Nationalsozialismus.

Geschichte der jüdischen Gemeinde in Ludwigsburg[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Voraussetzungen für die Entstehung einer jüdischen Gemeinde[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Da Ludwigsburg eine Planstadt war, reicht die Geschichte jüdischen Lebens nicht weit zurück.[1] Zu Beginn des 19. Jahrhunderts siedelten die ersten jüdischen Menschen in Ludwigsburg.[1] Von der ersten Besiedlung Ludwigsburgs 1709 bis zum Einzug der ersten Juden musste sich der Weg für ein solches jüdisches Leben zunächst ebnen. Zur Zeit der Entstehung Ludwigsburg war die freie Religionsausübung eingeschränkt. Besonders für Ludwigsburg zur Zeit der Entstehung war, dass sowohl evangelische als auch katholische Konfessionen geduldet wurden. Für Juden hingegen galt zu dieser Zeit das von Graf Eberhard im Bart verordnete Testament, das Juden in Württemberg eine Niederlassung untersagte.[1] Seit dem 18. Jahrhundert gab es diesbezüglich eine mildere Handhabung der Gesetzgebung. So standen Hofschutzjuden und Hoffaktoren ab diesem Zeitpunkt im Dienst des Herzogs.[1]

1739 wurde erstmals davon berichtet, dass es einen Betsaal in Ludwigsburg gab. Dieser wurde in einer Kammer einer jüdischen Familie eingerichtet und an Sabbat- sowie Werktagsgottesdiensten genutzt.[1] Das religiöse Leben der Juden war noch eingeschränkt möglich. Beschneidungen, Hochzeiten, Beerdigungen und andere Zeremonien waren nur zeitweise oder mit Sondergenehmigungen erlaubt. Generell konvertierten zwischen 1703 und 1760 insgesamt 67 Juden zum Christentum.[1]

Anfänge der jüdischen Gemeinde 1800-1864[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Jahr 1800 werden noch keine jüdischen Menschen in der Statistik Ludwigsburg gezählt. Im Jahr 1803 werden 17 Menschen angegeben.[3] Dabei handelte es sich um die Familien von Götsch Moses und Judas Moses sowie Joseph Goldschmid.[3] Zu dieser Zeit mussten Juden sich die Zustimmung des Königs einholen, um in die Stadt zu ziehen.[3] Aus den umliegenden Gemeinden, wie Freudental, versuchten immer mehr jüdische Familien nach Ludwigsburg zu kommen.[1] Es wurden auch Anträge von vermögenden Personen abgelehnt.[3] Ab 1816 war die jüdische Gemeinde groß genug um u.a. die Stelle eines Kantors zu unterhalten und zu besetzen.[1]

Am 25. April 1828 wurde das "Gesetz in Betreff der öffentlichen Verhältnisse der israelitischen Glaubensgenossen" verabschiedet, das die Verantwortung für das Aufnahmeverfahren vom König auf den Gemeinderat in Ludwigsburg übertrug.[3] Das Emanzipationsgesetz von 1864 brachten die rechtliche Gleichstellung der württembergischen Juden und Jüdinnen.[1] Sie erhielten die gleichen Rechte und Pflichten wie andere Bürger und Bürgerinnen.

Leben der jüdischen Gemeinde 1864-1933[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im Zuge dieser Regelung konnte sich eine jüdische Gemeinde gründen. Aus den umliegenden Gemeinden zogen immer mehr Juden in die Stadt, da sich das Leben dort attraktiver gestaltete. Durch die höhere Anzahl an Menschen wurden verschiedene jüdische Institutionen gegründet und entsprechende Bauwerke erbaut.

1883/84 entstand eine Synagoge im überwiegend romanischen Baustil, die von den Gemeindemitgliedern finanziert wurde[1]. Diese wurde in den folgenden Jahren zum geistigen und religiösen Zentrum der Ludwigsburger Juden. Es wurde eine Religionsunterricht für die Kinder der Gemeinde ermöglicht. 1870 wurde der alte jüdische Friedhof am altstädtischen Friedhof angelegt. Zuvor wurden die Verstorbenen auf den Friedhöfen in Freudental und Hochberg bestattet.[1] Nachdem der Friedhof in Ludwigsburg nicht mehr ausreichte und nicht erweitert werden konnte, wurde 1897/1904 der neue jüdische Friedhof in Ludwigsburg in der Nähe des neuen städtischen Friedhofs in Ludwigsburg errichtet. Außerdem gibt es Belege aus dem Jahr 1932, dass es eine Gemeindebibliothek gab.[1] Im Frühjahr 1938 errichtete die Gemeinde das Gemeindehaus in der Seestraße 75. In Ludwigsburg gab es kein eigenes Rabbinat, die Gemeinde wurde dem Bezirk Stuttgart zugeteilt.

Trotz der kleinen Anzahl an Juden bildeten sich mehrere jüdische Vereine in Ludwigsburg. Der Israelitische Wohltätigkeitsverein Gemillus Chassodim wurde 1872 oder 73 gegründet.[1] Zweck war die Unterstützung Hilfsbedürftiger und Kranker sowie die Gewährung von Beihilfen an Wohlfahrtseinrichtungen. Es bildete sich zudem ein Synagogenchorverein, ein israelitischer Frauenverein und verschiedene Ortsgruppen und Jugendvereine.[1] Es gibt zahlreiche Nachweise, die das soziale Engagement der Ludwigsburger Juden und die daraus resultierende Anerkennung der Stadt darlegen. Dies geschah auch über die organisierten Gruppen hinaus ausgehend von Einzelpersonen.[1]

Bis in die 20er Jahre des 19. Jahrhunderts hinein waren die Gewerbe der jüdischen Familien noch stark an den reduzierten Möglichkeiten der Berufsausübung von Juden geprägt.[1] Es gab fast ausschließlich Händler. Einige Berichten zeugen auch von künstlerischen Tätigkeiten. Ende des Jahrhunderts zeigten sich vermehrt andere Berufe in den Aufzeichnungen der Stadt. Es wurde von Landwirten, Handwerksberufen oder wissenschaftlichen Tätigkeiten berichtet.[1]  Zudem kamen ab diesem Zeitpunkt vermehrt Juden aus osteuropäischen Ländern aufgrund der Pogrome im zairischen Russland nach Ludwigsburg. Ihnen folgten in den nächsten Jahrzehnten weitere Menschen aus diesen Regionen.[1]

Jüdische Gemeinde zur Zeit des Nationalsozialismus 1933-1949[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brennende Synagoge am Tag nach der Novemberpogrome

Nach dem 30. Januar 1933 steigerte sich in der Ludwigsburger Öffentlichkeit der zunehmende Einfluss der Nationalsozialisten und damit auch die Hetze gegen Juden. Julius Streicher hielt eine antijüdische Hetzrede und es gab erste Verhaftungen, bei denen jüdische Männer in sogenannte „Schutzhaft“ genommen wurden. Zudem begann der Boykott jüdischer Geschäfte und die Zurückdrängung der Juden aus dem Wirtschaftsleben. Schilder mit der Aufschrift „Kauft nicht bei Juden“ wurden von der SA aufgestellt. In öffentlichen Ämtern stehende Juden, wie beispielsweise der Fabrikant Max Elsas, waren zum Rücktritt aus ihren Funktionen gezwungen.

Im Jahr 1938 begann die Arisierung, und damit bedingt die Schließung, sämtlicher jüdischer Firmen und Geschäfte. Weitere Maßnahmen gegen jüdische Einwohner Ludwigsburgs, aus den Beschlüssen des Stadtrats, waren: die Kennzeichnung jüdischer Einwohner und Geschäfte im städtischen Adressbuch, die Beschulung jüdischer Kinder nur in der jüdischen Schule Stuttgart und die Sperrung des Stadtbads für jüdische Einwohner.

In Ludwigsburg gab es in der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 keine Ausschreitungen, da der Befehl zur Demolierung und Zerstörung der Synagoge Ludwigsburg nicht durchkam. Im Laufe des 10. Novembers 1938 wurden alle anwesenden jüdischen Männer in Ludwigsburg verhaftet und zunächst, nach der Untersuchungshaft, in sogenannte „Schutzhaft“ gebracht. Wenige Tage später wurde ein Teil der Männer in das KZ Welzheim gebracht. Parallel zu den Verhaftungen zündeten die Nationalsozialisten die Synagoge Ludwigsburg an und zerstörten sie. Zudem gab es Ausschreitungen gegen jüdische Geschäfte.

Die meisten Juden der 1933 in Ludwigsburg lebenden Juden sind zwischen 1933 und 1940 von Ludwigsburg weggezogen. Im Rahmen von sogenannten Kindertransporten kamen Hanna und Heinz Greilsamer, sowie Alfred Szylit nach England. Die nach Italien ausgewanderte Fabrikantenfamilie Berthold Weil wurde 1940 verhaftet und kam nach Dachau, wo sie vermutlich im Januar 1945 umkam. Andere Ludwigsburger Juden wanderten beispielsweise in die USA, nach Palästina, nach Kolumbien oder nach Argentinien aus.

Nach der Zerstörung der Synagoge 1938 und dem Wegzug vieler jüdischer Familien war jüdisches Gemeindeleben nur noch sehr beschränkt möglich. Zum wichtigsten Treffpunkt wurde das jüdische Gemeindehaus im ehemaligen Wohnhaus von Joseph Ottenheimer der Seestraße 75. Am 2. Juli 1939 wurde die israelitische Religionsgemeinde Ludwigsburg mit der israelitischen Religionsgemeinde Stuttgart vereinigt. Im Dezember 1941 waren von den ehemaligen Gemeindemitgliedern nur noch 18 Personen in Ludwigsburg. Alle mussten nach Vorschrift den Judenstern tragen.

Hinsichtlich der Deportationen von Juden aus Ludwigsburg wurden im Oktober 1938 die polnischen Juden aus Ludwigsburg ausgewiesen. Am 13. August 1940 wurde Florina Ottenheimer, mit den sogenannten „Euthanasieaktionen“ nach Grafeneck gebracht und dort ermordet. Am 26. November 1941 wurden einige Juden aus Ludwigsburg verhaftet und anschließend in das Ghetto Riga deportiert.

Um Ludwigsburg judenfrei zu machen, gab es Zwangsumsiedelungen in „Judendörfer“ und „Jüdische Altersheime“, bei denen unter anderem Max Elsas dabei war. Später wurden die Insassen der „Judendörfer“ und der „Jüdischen Altersheime“ in verschiedene KZ deportiert.

In Ludwigsburg konnten bis zum Kriegsende nur einige wenige, in sogenannter „privilegierter Mischehe“ lebende jüdische Personen oder nichtjüdische Personen jüdischer Abstammung bleiben. Die in Ludwigsburg überlebenden Personen und ihre Angehörigen waren Schikanen aller Art ausgesetzt. Sie erhielten als Lebensmittelkarten „Judenkarten“ und dadurch verkürzte Rationen oder mussten zwangsweise ihre Häuser verkaufen. Außerdem standen sie bis zum Kriegsende unter ständiger Überwachung durch die Gestapo.[1]

Nach 1945: "Wiedergutmachung", Aufklärung und Wiederbegegnung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jüdische Söhne und Töchter Ludwigsburgs[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joseph Süß Oppenheimer (1698-1738), Hoffaktor von Herzog Karl Alexander von Württemberg
  • Max Elsas (1858-1942), ehem. Stadtrat und stellv. Oberbürgermeister von Ludwigsburg
  • Walter Pintus (1880-1938), Arzt und Leiter des Ludwigsburger Kriegsgefangenenlazaretts im Ersten Weltkrieg
  • Harry Grenville (ehm. Heinz Greilsamer) (1926-2018), Kind aus Kindertransport nach England
  • Familie Kusiel, jüdische Familie mit Pferdehandel

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Ludwigsburg. Geschichte, Quellen und Dokumentation. Hrsg.: Stadt Ludwigsburg; Historischer Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg e.V. Karlsruhe 1998, ISBN 978-3-7650-8211-5.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t Joachim Hahn: Jüdisches Leben in Ludwigsburg. Geschichte, Quellen und Dokumentation. Hrsg.: Stadt Ludwigsburg; Historischer Verein für Stadt und Kreis Ludwigsburg e.V. Karlsruhe 1998, ISBN 978-3-7650-8211-5.
  2. Benigna Schönhagen, Joachim Hahn: Rezension von: Hahn, Joachim, Jüdisches Leben in Ludwigsburg. In: Schwäbische Heimat. Band 53, Nr. 2, 2002, ISSN 2750-4662, S. 251–252, doi:10.53458/sh.v53i2.6450 (wlb-stuttgart.de [abgerufen am 7. März 2024]).
  3. a b c d e Ludwigsburger Geschichtsblätter. - 52 (1998). In: Ludwigsburger Geschichtsblätter. Band 52, 1998, S. 1–237, doi:10.57962/regionalia-20005 (blb-karlsruhe.de [abgerufen am 6. März 2024]).