Benutzer:Zenon/Exzerpt: Minima Moralia

aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Theodor W. Adorno (1947): Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben
ISBN 3-518-01236-3 (Bibliothek Suhrkamp, 1982)


Was hat mich zum Lesen veranlasst?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

NOTIZ - Zenon 12:16, 24. Aug 2003 (CEST)
Auf das Stichwort "Adorno" reagiert ein Kollege ablehnend: Adorno habe Friedrich Schiller für einen Faschisten gehalten. Als ich nachfrage, nennt er mir als Quelle dieser Information die Schiller-Biographie von Peter-André Alt (ISBN 3-406-45905-6). Die genaue Belegstelle (in Band 1, Seite 13) lautet:
1955 erklärt Thomas Mann, der als gesamtdeutscher Festredner in Stuttgart und Weimar auftritt, Schiller zum "Seelenarzt", der durch "Arbeit am Geist der Nation, ihrer Moral und Bildung" ein Therapeut "unserer kranken Zeit" werden könne. Die exemplarische Gegenposition bezieht Theodor W. Adorno in der 1951 veröffentlichten MINIMA MORALIA, wenn er Schiller als intellektuellen Gewaltmenschen bezeichnet, dessen abstrakter Idealismus die Signatur des Diktatorischen trage, weil er die soziale Wirklichkeit "aus einem Prinzip ableiten" möchte: "Im innersten Gehäuse des Humanismus, als dessen eigene Seele, tobt gefangen der Wüterich, der als Faschist die Welt zum Gefängnis macht.
Diese Stelle und deren Kontext möchte ich mir in Adornos "Reflexionen" jetzt näher ansehen.
Die Lektüre hat ohnedies aus zwei Gründen angestanden:

  1. Ich kann dieses wichtige Werk sicherlich gut für den Adorno-Artikel in der Wikipedia gebrauchen, den ich in diesen Wochen intensiv bearbeite.
  2. Adornos "traurige Wissenschaft" vom "richtigen Leben" eignet sich vorzüglich als Einstimmung für den im September beginnenden philosophischen Gesprächskreis zum Thema "Was ist ein gutes Leben?"

Welchen Begriff des Lebens hat die Philosophie?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 7
Was einmal den Philosophen Leben hieß, ist zur Sphäre des Privaten und dann bloß noch des Konsums geworden, die als Anhang des materiellen Produktionsprozesses, ohne Autonomie und ohne eigene Substanz, mitgeschleift wird. Wer die Wahrheit übers unmittelbare Leben erfahren will, muss dessen entfremdeter Gestalt nachforschen, den objektiven Mächten, die die individuelle Existenz bis ins Verborgenste bestimmen.

Welchen Anteil hat Max Horkheimer an den Minima Moralia?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 11f
Den unmittelbaren Anlass zur Niederschrift bot der fünfzigste Geburtstag Max Horkheimers am 14. Februar 1945. Die Ausführung fiel in eine Phase, in der wir, äußeren Umständen Rechnung tragend, die gemeinsame Arbeit unterbrechen mussten. Dank und Treue will das Buch bekunden, indem es die Unterbrechung nicht anerkennt. Es ist Zeugnis eines dialogue intérieur: kein Motiv findet sich darin, das nicht Horkheimer ebenso zugehörte wie dem, der die Zeit zur Formulierung fand.
Der spezifische Ansatz der Minima Moralia, eben der Versuch, Momente der gemeinsamen Philosophie von subjektiver Erfahrung her darzustellen, bedingt es, dass die Stücke nicht durchaus vor der Philosophie bestehen, von der sie doch selber ein Stück sind. Das will das Lose und Unverbindliche der Form, der Verzicht auf expliziten theoretischen Zusammenhang mit ausdrücken. Zugleich möchte solche Askese etwas von dem Unrecht wieder gutmachen, dass einer allein an dem weiterarbeitete, was doch nur von beiden vollbracht werden kann, und wovon wir nicht ablassen.

Was heißt Abklärung?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 20
Wenn von einem Menschen vorgeschrittenen Alters gerühmt wird, er sei besonders abgeklärt, so ist anzunehmen, dass sein Leben eine Folge von Schandtaten darstellt. Aufregung hat er sich abgewöhnt. Das weite Gewissen installiert sich als Weitherzigkeit, die alles verzeiht, weil sie es gar zu gründlich versteht. [Antizipiert dieses Wort eine "Systemkritik" an Luhmanns Plädoyer für "Soziologische Abklärung"? - Zenon 11:48, 26. Aug 2003 (CEST)]

Sind heutige Intellektuelle noch Gebildete?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 23
Wir stellen den Verfall der Bildung fest, und doch ist unsere Praxis, gemessen an der Jacob Grimms oder Bachofens, der Kulturindustrie in Wendungen ähnlich, von denen wir nichts ahnen. Überdies können auch wir längst nicht mehr Latein und Griechisch wie Wolf oder Kirchhoff. Wir deuten auf den Übergang der Zivilisation in den Analphabetismus und verlernen es selber, Briefe zu schreiben oder einen Text von Jean Paul zu lesen, wie er zu seiner Zeit muss gelesen worden sein.

Wie kann man richtig leben, wenn das Ganze das Unwahre ist?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 24
Es gibt aus der Verstricktheit keinen Ausweg. Das einzige, was sich verantworten lässt, ist, den ideologischen Missbrauch der eigenen Existenz sich zu versagen und im übrigen privat so bescheiden, unscheinbar und unprätentiös sich zu benehmen, wie es längst nicht mehr die gute Erziehung, wohl aber die Scham darüber gebietet, dass einem in der Hölle noch die Luft zum Atmen bleibt.

Hat man als Intellektueller Grund zum Selbsthass?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 25
Der Umstand, dass Intellektuelle meist mit Intellektuellen zu tun haben, sollte sie nicht dazu verführen, ihresgleichen für noch gemeiner zu halten als den Rest der Menschheit.

Ist ein Reicher finanziell unabhängiger als ein Armer?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 29
[...] jene Privilegierten sind es gerade, denen die Verfolgung des Interesses zur zweiten Natur wurde - sonst behaupteten sie nicht das Privileg.

Wie kommt es zu einer guten Beziehung?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 33
Der Blick auf mögliche Vorteile ist der Todfeind der Bildung menschenwürdiger Beziehungen überhaupt; aus solchen kann Solidarität und Füreinandereinstehen folgen, aber nie können sie im Gedanken an praktische Zwecke entspringen.

Wie lebt man unter allen Umständen richtig?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 42
Es gibt kein richtiges Leben im falschen.

Wie verhalten sich Schönheit und Wahrheit zueinander?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zitat - Seite 43 - David Hume:
Genauigkeit kommt immer der Schönheit zugute und richtiges Denken dem zarten Gefühl.

Wie hat sich das Schenken entwickelt?[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ZITAT - Seite 46
Wirkliches Schenken hatte sein Glück in der Imagination des Glücks des Beschenkten. Es heißt wählen, Zeit aufwenden, aus seinem Weg gehen, den anderen als Subjekt denken: das Gegenteil von Vergesslichkeit. Eben dazu ist kaum einer mehr fähig. Günstigenfalls schenken sie, was sie sich selber wünschten, nur ein paar Nuancen schlechter. Der Verfall des Schenkens spiegelt sich in der peinlichen Erfindung der Geschenkartikel, die bereits darauf angelegt sind, dass man nicht weiß, was man schenken soll, weil man es eigentlich gar nicht will.

Stellungnahmen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • So paradox es gegenüber einem Buch so durchkonstruierter und genau funktionierender Sprache klingen mag, dieses Buch ist in gewissem Sinn romantisch; das heißt: es erhebt den absoluten Anspruch, aber es kommt aus der Dialektik nicht heraus.
  • Man sagt, der Begleiter des Sirius, weiß von Farbe, sei von dermaßen dichter Materie, dass ein Kubik-Zoll davon bei uns eine Tonne wiegen würde. Darum hat er auch ein ungeheuer starkes Gravitationsfeld, ähnlich dem, das Ihr Buch umgibt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Jörg Drews & Karl-Heinz Nusser (1988): MINIMA MORALIA. Reflexionen aus dem beschädigten Leben
> Walter Jens (Hrsg.): Kindlers neues Literatur-Lexikon (Band 1, Seite 107f)
ISBN 3-463-43200-5 (Studienausgabe, 1996)