Benutzerin:WvBayreuth/Hatschi Bratschis Luftballon

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Hatschi Bratschis Luftballon ist ein 1904 erschienenes Kinderbuch und zugleich das erste Buch von Franz Karl Ginzkey. Es ist ein Abenteuerroman in Versen und wurde verziert mit Illustrationen des künstlers Ernst von Dombrowski. Es gilt als das meistverbreitete Kinderbuch in Österreich. Durch die 1968 erschienene verbesserte Ausgabe ist es eines der am stärksten nach dem Tode des Autors veränderten Werke der österreichischen Literatur.

Form[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Verserzählung kommt in Knittelvers und Paarreim daher, die Rhetorik ist naiv-narrativ-deklamatorisch.

Handlung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Türke (in der Ausgabe von 1968: Zauberer) Hatschi Bratschi reist mit einem Heißluftballon an, um den Knaben Fritz zu rauben, fällt aber aus dem Luftgefährt heraus, sodass der Knabe über den Fesselballon verfügen kann. Die Hexe Kniesebein klammert sich an den Ballon, stürzt aber über einer Fabrik in den Schornstein ab. Über heimische Landschaft und Alpen fliegt Fritz nach Italien und äußert sich positiv über dieses Land. Eine Familie von Menschenfressern (in der Ausgabe von 1968: eine Gruppe von Affen) will ihn fangen, fällt aber ins Meer. Fritzchen fliegt im Ballon über die Wüste in die Türkei (in der Ausgabe von 1968: Morgenland) und findet in Hatschi Bratschis Haus gefangene Kinder, die er befreit und mit denen er ein Festmahl veranstaltet.

Interpretation[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

'Hatschi Bratschis Luftballon' steht in der Nachfolge der Türkenoper und -erzählungen, die besonders im Österreich des 18. Jahrhunderts sehr populär waren. Mozarts Zaide und Die Entführung aus dem Serail sowie Joseph Frieberths Singspiel Das Serail oder Die unvermuthete Zusammenkunft in der Sclaverey zwischen Vater, Tochter und Sohn (1777 in Wels uraufgeführt), sind nur die bekanntesten Beispiele. Insgesamt hat man Hunderte solcher Türkenoper identifiziert. Im neunzehnten Jahrhundert hatte das Genre zahlreiche Nachfolger wie Rossinis L’Italiana in Algeri. Indem die Bearbeiterinnen und Bearbeiter von 1968 den Türken der Handlung von Hatschi Bratischis Luftballon durch einen Zauberer ersetzten, gelang es ihnen, den Gehalt des Buches zu entfernnen und ein gehaltsfreies Buch zu schaffen, wie es ideal in ihre Zeit passte.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bis heute kennt jedes Kind in Österreich lange Passagen aus Hatschi Bratischs Luftballon auswendig. So kommt es, dass die schäbigste Ecke von Ginzkeys Heimatstadt Salzburg Ginzkeyplatz benannt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland blieb das Werk weitgehend unbekannt.

Die verbesserte Ausgabe von 1968[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Unter der neugewählten Regierung von Bruno Kreisky und Norbert Steeger wollte man alle Erinnerungen an die Türkenkriege vermeiden, um die in ihrer Anzahl stetig steigenden Türkinnen und Türken in Österreich nicht zu diskriminieren. Es bot sich an, die »Türken« in »Zauberer« zu korrigieren, zumal Hatschi Bratschi in der Urfassung am Ende als »Zauberer« tituliert wird, und um die Zauberinnen und Zauberern des Landes und damit auch das österreichische Klein- sowie Schaustellerinnen- und Schaustellergewerbe zu fördern. Auch die Familie von Menschenfresserinnen und Menschenfressern herabzusetzen, erschien unter der Regierung des weltläufigen Bundeskanzlers Kreisky und seiner SPÖ nicht mehr zeitgemäß. Erstens konnte es kaum noch für statthaft angesehen werden, diätetische Minderheiten zu diffamieren, zumal gerade in jenen Jahren die alternative Ernährung in allen sozialen Schichten stark im Kommen war. Zum zweiten wollten die Bearbeiterinnen und Bearbeiter des Textes durch Einsetzung von Äffinnen und Affen statt Menschenfresserinnen und Menschenfressern die Popularität der zoologischen Gärten in Österreich steigern, deren Besucherzahlen rückläufig zu werden drohten. Da im Original die Menschenfresserinnen und Menschenfresser »klettern nach der Affen Weise«, sind die Bearbeiterinnen und Bearbeiter auf die Idee gekommen, sie zu Äffinnen und Affen umzudichten. Freilich stellt sich die Frage, ob dies eine Diskriminierung der Menschenfresserinnen und Menschenfresser darstellt. Der Ruf »Hei!« wurde durch »Und« ersetzt, (später im Text freilich wieder verwendet), um nicht an den Deutschen Gruß der Nationalsozialistinnen und Nationalsozialisten zu erinnern. Einige Passagen wurden in der fortschrittlichen Ausgabe von 1968 ganz gestrichen. So die Bitte an den Klapperstorch (V. 74 – 79), da man Schülerinnen und Schülerinnen jener Jahre den Glauben ein solches Fabeltier nicht mehr zumuten wollte, ebensowenig wie die in jener Passage genannten und inzwischen in Verruf geratenen Berufe Bürstenbinder, Äpfelfrau und Königssohn. Auch auf der Tanz der Hexe auf dem Schornstein wurde verzichtet (V. 116 – 117), da man mit einem solchen Tanz die in der Fabrik arbeitenden Arbeiterinnen und Arbeiter provoziert hätte. Vollends inakzeptabel erschien es, dass die Hexe von drei schwäbischen Raben gefressen wird (V. 128 – 131), da in jenen Jahren 80 % aller Touristinnen und Touristen in Österreich aus der Bundesrepublik Deutschland anreisten. Ebenso verzichtete man auf das Angeln mit der »Zauberangelschnur«, da Anglerinnen und Angler mit dieser Passage sich hätten diskriminiert fühlen können (V. 174 – 179). Forum Verlag Anton Pustet Sach- und Fachleute wirkten. In der aufgeklärten, fortschrittlichen Zeit von 1968 war ein adeliger, illustrer Illustrator wie Ernst von Dombrowski nicht mehr illustragbar. Die neuen, volksnahem Abbildungen schuf der bürgerliche Rolf Rettich, Autor und Illustrator von Kinderbüchern sowie Trickfilmzeichner, es waren farbenfrohe Illustrationen. Auch hier gelang es, auf Gehalt und künstlerische Aussage zu verzichten. Die Bearbeitung von Klassikern hat in Österreich Tradition; Österreichische Bundeshymne, derzeit wird an einer Verbesserung der Werke Goethes und Schillers gearbeitet. (»Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern und Schwestern.« Friedrich Schiller: Wilhelm Tell.)


Die Verbesserungen im einzelnen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

V. 18: 1904: Der Türke aus dem Türkenland. 1968: Der Zauberer aus dem Morgenland.

V. 27: 1904: Du kommst mit mir ins Türkenland. 1968: Der Zauberer aus dem Morgenland.

V. 184 – 205 1904: Aber mit dem großen Messer Kommen schon die Menschenfresser. Tückisch nähern sie sich leise, Klettern nach der Affen Weise. „Fangt ihn nur, geschwind, geschwind!“ Schreit das Menschfresserkind. „Schnell, das Wasser ist schon lau!“ Ruft die Menschenfresserfrau. Fritzchen, hörst du nicht das Schrei’n? Willst du aufgefressen sein? Ja, er hört das Schrein zum Glück, Schaut hinunter und zurück. Hei, da saust der Luftballon Pfeilschnell durch die Luft davon. Reißt mit sich den ersten Mann, Der sich kaum erhalten kann. Diesem hängt mit wildem Schrei’n Sich der zweite an das Bein. Brüllend stürzt der dritte schwer In das wild bewegte Meer. Und zwei andre, die schon sinken Müssen noch viel Wasser trinken.

1968: Aber ach mit viel Geschrei Eilen Affen schnell herbei. Tückisch nähern sie sich leise, Klettern nach der Affen Weise. Fritzchen, hörst du nicht das Schrei’n? Willst du ganz verloren sein? Ja, er hört das Schrei’n zum Glück, Schaut hinunter und zurück. Und da saust der Luftballon Pfeilschnell durch die Luft davon. Reißt mit sich den ersten Affen hei, dem macht das viel zu schaffen. Diesem hängt mit wildem Schrei’n Sich der zweite an das Bein. Brüllend stürzt der dritte schwer In das wild bewegte Meer. Schließlich, mit entsetztem Schrei Stürzen auch die letzten zwei.

V. 223 1904: Er kommt bis in das Morgenland. 1986: Er kommt bis in das Türkenland.

V. 245 1904: Und auch die Türken freu’n sich sehr. 1986: Und alle Leute freu’n sich sehr.


Kürzungen:

In der verbesserten Ausgabe von 1968 fehlen folgende Passagen, da die fortschrittlichen Bearbeiterinnen und Bearbeiter diese für die Leserinnen und Leser als nicht mehr zumutbar qualifizierten:

V. 74 – 79 (Bitte an den Klapperstorch):

Bring’ auch mir drei kleine Kinder, schau sie dir nur an genau! Eines einem Bürstenbinder, Eines einer Äpfelfrau Und das dritte, das ist schon Gar ein kleiner Königssohn!“


V. 116 – 117 (Die Hexe auf dem Schornstein):

Auf des Schornsteins hohem Kranz Tanzt sie einen wilden Tanz.


V. 128 – 131 (Das Grab der Hexe):

Ei, wo wird sie nun begraben? Aus dem schönen Lande Schwaben Kommen schon drei große Raben, Die sie schnell gefressen haben.


V. 174 – 179 (Angeln in Italien):

Viele Fische, groß und klein, Einer muß gefangen sein. Einen großen fängt er nur Mit der Zauberangelschnur.



Fortsetzung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sonstiges[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

ÖKategorie:Literarisches Werk

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