Bernhard Ycart

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Bernhard Ycart (geboren vor 1470; gestorben nach 1480) war ein spanischer Komponist, Sänger und Kleriker der frühen Renaissance, der in Italien gewirkt hat.[1][2][3]

Leben und Wirken[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bernhard Ycart stammte aus der Diözese Tortosa (Provinz Tarragona). Weder seine Geburts- noch seine Sterbedaten konnten bisher von der musikhistorischen Wissenschaft ermittelt werden. Überliefert sind außer seinen Werken nur gewisse Belege mit gesicherter Jahreszahl, in denen sein Name vorkommt. So ist er erstmals erwähnt im Jahr 1478 als Sänger am Hof von König Ferdinand I. in Neapel, das damals zum Königreich Aragon gehörte; für den Fall, dass sich der Name Picchart auf ihn bezieht, ist es möglich, dass er sich dort schon 1476 aufhielt. Am 27. Oktober 1478 erhielt er die päpstliche Zusprechung einer Pfründe; er wird hier als Kleriker aus der Diözese Tortosa bezeichnet. Im gleichen Dokument wurde ihm das Amt eines Abts am Kloster Santa Maria del Pendino in der Region Basilicata „in commendam“ (auf Empfehlung) zugesichert. Zuletzt wurde Ycart in einer Liste der Sänger am neapolitanischen Hof vom 25. oder 27. Oktober 1480 aufgeführt; sein Name steht hier gerade vor dem von Johannes Tinctoris.

Bedeutung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Hof in Neapel verzeichnet in den 1470er und in den 1480er Jahren ein blühendes musikalisches Leben; außer Ycart wirkten hier weitere Komponisten mit. Der Biograf des Musiktheoretikers Franchinus Gaffurius, Pantaleone Malegolo, berichtet von Diskussionen über musiktheoretische Themen zwischen Gaffurius und Ycart. Von Ycart selbst gibt es jedoch keine musiktheoretischen Schriften. Er wird aber in dem Dialogus in arte musica von John Hothby erwähnt, außerdem in der Schrift Tractatus practicabilium proportionum (um 1482) von Gaffurius. Darüber hinaus lässt auch die gemeinsame Überlieferung von Werken Hothbys und Ycarts vermuten, dass Ycart zu diesem norditalienischen Kreis gehörte.

Die Magnificat-Vertonungen und die Messensätze Ycarts sind wahrscheinlich schon vor seinem Aufenthalt in Neapel entstanden, weil sie in einem Teil des Codex Faenza überliefert sind, der von Johann Godendach 1473/74 geschrieben wurde. In dem Magnificat sexti toni wird der gleiche freie Cantus firmus verwendet wie in den Messensätzen dieser Handschrift; hier liegt ein frühes Beispiel für die Parodietechnik vor, die dann im 16. Jahrhundert zur Blüte kam. Dagegen waren die ausgedehnten Lamentationen von Bernhard Ycart ziemlich sicher für die Feiern der Karwoche bestimmt, die zu dieser Zeit in Neapel aufwendig begangen wurden. Seine weltlichen Stücke können ihm nur durch sein Namenskürzel auf dem Manuskript zugeschrieben werden. Ycarts Musik war eine gewisse Zeit im Umlauf, was dadurch bezeugt wird, dass zwei seiner Lamentationen im Jahr 1506 von dem Verleger Ottaviano dei Petrucci veröffentlicht wurden.

Werke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Geistliche Werke
    • Kyrie und Gloria zu vier Stimmen
    • Magnificat primi toni zu drei Stimmen
    • Magnificat secundi toni zu vier Stimmen
    • Magnificat sexti toni zu vier Stimmen
    • Motette „O princeps Pilate“ zu vier Stimmen
    • Lamentation „Quomodo sedet“
    • Lamentation „Quomodo obtexit“
    • Lamentation „Recordare Domine“
    • Missa „De amor tu dormi“ (verloren)
    • Missa „Voltate in qua“ (verloren)
  • Weltliche Werke
    • Chanson „Non toches a moy“ zu vier Stimmen
    • „Pover me mischin dolente“
    • „Se io te o dato“
    • textloses Stück

Literatur (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • F. A. Gallo: Citazioni da un trattato di Dufay. In: Collectanea historiae musicae Nr. 4, 1966, Seite 149–152
  • I. Pope / M. Kanazawa: The Musical Manuscript Montecassino 871: a Neapolitan Repertory of Sacred and Secular Music of the Late Fifteenth Century, Oxford 1978
  • Allan W. Atlas: On The Neapolitan Provenance of the Manuscript Perugia, Biblioteca Comunale Augusta, 431 (G 20). In: Musica disciplina Nr. 31, 1977, Seite 45–105
  • Allan W. Atlas: Music at the Aragonese Court of Naples, Cambridge 1985
  • R. M. Stephenson: Spanish Musical Impact beyond the Pyrenees (1250–1500). In: Kongressbericht España en la música de occidente, herausgegeben von J. Lopez-Calo / E. Casares Rodicio / I. Fernandez de la Cuesta, Band 1, Madrid 1987, Seite 115–164 (hier 148–151)
  • G. Ciliberti: Struttura e provenienza del manoscritto Perugia, Biblioteca Comunale 431 (G 20): nuovi contributi. In: Kongressbericht La musica e il sacro, herausgegeben von B. Brumana / G. Ciliberti, Florenz 1997, Seite 21–63 (= Historiae musicae cultores biblioteca 79)

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Die Musik in Geschichte und Gegenwart (MGG), Personenteil. Band 17, Bärenreiter/Metzler, Kassel/Basel 2007, ISBN 978-3-7618-1137-5.
  2. Marc Honegger, Günther Massenkeil (Hrsg.): Das große Lexikon der Musik. Band 8: Štich – Zylis-Gara. Herder, Freiburg im Breisgau u. a. 1982, ISBN 3-451-18058-8.
  3. Stanley Sadie (Hrsg.): The New Grove Dictionary of Music and Musicians. 2. Auflage. Band 27, McMillan, London 2001, ISBN 0-333-60800-3.