Birgit Herz

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Birgit Herz (* 24. Juni 1956 in Ottenhausen/Saar), geschiedene Warzecha, ist eine Universitätsprofessorin für die Pädagogik bei Verhaltensstörungen. Sie war von 1995 bis 2008 Professorin für Erziehungswissenschaft zur Verhaltensgestörtenpädagogik an der Universität Hamburg und von 2009 bis 2023 Lehrstuhlinhaberin für die Pädagogik bei Verhaltensstörungen an der Leibniz Universität Hannover.

Beruflicher Werdegang[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

1972 gründete Herz einen sozialpädagogischen Arbeitskreis für Schüler aus einer Obdachlosennotunterkunft in Völklingen/Saar und studierte von 1976 bis 1982 Verhaltensgestörtenpädagogik, Kunst und Evangelische Theologie an der Pädagogischen Hochschule des Saarlandes in Saarbrücken und an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität in Frankfurt am Main. In Frankfurt arbeitete sie von 1983 bis 1991 als Sonderschullehrerin, promovierte 1990 zu ihrer Vollzeitberufstätigkeit und wurde 1991 in Gestalttherapie graduiert. Nach zwei Jahren als Hochschulassistentin für Frauenforschung und Verhaltensgestörtenpädagogik an der Johann-Wolfgang-Goethe Universität (1992–1994) vertrat sie zunächst die Professur an der Universität Hamburg, deren Ruf sie 1995 erhielt und bis 2008 innehatte, bevor sie 2009 den Ruf als Lehrstuhlinhaberin an der Leibniz Universität Hannover annahm.

Arbeitsschwerpunkte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu ihren wissenschaftlichen Kernthemen an der Universität Hamburg bis zum Wechsel an die Leibniz Universität Hannover gehörten insbesondere die Geschlechterforschung[1][2][3], Kinderarmut und Bildung[4][5], institutionelle und soziale Desintegrationsprozesse[6][7] sowie die Begründung, Evaluation und Verstetigung eines alternativen Bildungsprojektes für Jugendliche aus der Prostitutions- und Drogenszene um den Hamburger Hauptbahnhof[8][9][10][11].

Seit 1997 eröffnete die enge Forschungskooperation mit den finnischen Universitäten Joensuu und Jyväskylä eine Vertiefung inklusions- und sonderpädagogischer Fragestellungen zur Lehrerbildung[12][13] auch im Hinblick auf die Implementation der konsekutiven Studiengänge an den deutschen Universitäten.

Mit der Rufannahme an die Leibniz Universität Hannover folgten als weitere Lehr- und Forschungsgebiete in ihrer Abteilung Pädagogik bei Verhaltensstörungen Kinderschutz[14][15], Exklusionsprozesse bei Heranwachsenden mit Verhaltensstörungen[16] sowie pädagogische Professionalisierung[17][18] im globalen Ökonomisierungsstress[19][20].

Mit dem interprofessionellen Fachbezug zu den zahlreichen Risikolagen von Kindern und Jugendlichen in heterogenen Notsituationen versteht Birgit Herz Erziehungswissenschaft und Sonderpädagogik als politische Handlungswissenschaft[21][22] in der Tradition der Kritischen Theorie. Sie vertrat in ihren wissenschaftlichen Studien demokratiepädagogische und kinderrechtstärkende Positionen[23][24]. Ihre Kritik an soziokulturellen Ausgrenzungsprozessen vulnerabler Kinder und Jugendlichen waren u. a. ein zentrales Motiv für ihre universitären[25] und außeruniversitären[26] Aktivitäten.

Birgit Herz war 2019 Gründungsmitglied und Mit-Herausgeberin der wissenschaftlichen Jahreszeitschrift ESE-Emotionale und Soziale Entwicklung in der Pädagogik bei Erziehungshilfe und Verhaltensstörungen beim Julius Klinkhardt Verlag und ist seit 2017 Mit-Herausgeberin der VHN Vierteljahreszeitschrift für Heilpädagogik und ihr Nachbargebiete beim Ernst Rheinhardt Verlag sowie Herausgeberin der Buchreihen „Studien zur Jugendhilfe“ beim Waxmann-Verlag, „Kinder, Krisen, Konflikte“ beim Lit-Verlag und zusammen mit David Zimmermann/HU Berlin und Thomas Müller/Uni Würzburg „Dialog Erziehungshilfe“ beim Klinkhardt-Verlag.

2023 erfolgte ihre Berufung in das Wissenschaftliche Konsortium des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend zur forschungsbezogenen Begleitung des Kinder- und Jugendstärkungsgesetzes.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Birgit Warzecha: Geschlechterdifferenz in der Sonderpädagogik. Forschung, Praxisprojekte, Perspektiven. Lit., Münster 1997.
  2. Birgit Warzecha: Geschlechterdifferenz in der Sonderpädagogik. Eine erste Annäherung. Kleine, Bielefeld 1996.
  3. Birgit Warzecha: Geschichte der Verhaltensgestörtenpädagogik – feministisch reflektiert. Kleine, Bielefeld 1995.
  4. Birgit Herz: Poverty and Social, Emotional and Behavioural Difficulties. In: Matti Kuorelahti, Kristiina Lappalainen (Hrsg.): At the Grass’ Root Level - Research and Visions. University Press, Joensuu 2007, S. 101–115.
  5. Birgit Herz, Ursel Becher, Ingrid Kunz, Christiane Mettlau, Herga Treeß, Margarethe Werdermann: Kinderarmut und Bildung in Hamburg. VS, Wiesbaden 2008.
  6. Birgit Herz: „Du kannst nicht immer gewinnen!“ Das Projekt Jugend mit Perspektive. Ein Hamburger Modell zur Integration bildungsbenachteiligter junger Menschen in die Arbeitswelt. Lit, Münster 2006.
  7. Birgit Warzecha: Institutionelle und soziale Desintegrationsprozesse bei schulpflichtigen Heranwachsenden. Lit, Münster 2001.
  8. Birgit Warzecha: Lehren und Lernen an der Grenze. Ein Projekt am Hamburger Hauptbahnhof. Lit, Münster 2001.
  9. Birgit Herz: „Um das Lernen nicht zu verlernen“. Niedrigschwellige Lernangebote für Jugendliche in der Straßenszene. Lit, Münster 2004.
  10. Birgit Herz: Lernen für Grenzgänger. Bildung für Jugendliche in der Straßenszene. Lit, Münster 2006.
  11. Birgit Herz: Lernbrücken für Jugendliche in Straßenszenen. Lit, Münster.
  12. Birgit Warzecha: Social and Institutional Processes of Disintegration of Adolescents and Youth. In: Kari Ruoho (Hrsg.): Emotional and Behavioural Difficulties. University Press, Joensuu 2000, S. 109–124.
  13. Birgit Herz, Matti Kuorelahti: Cross-Categorical Special Education Needs in Finland and Germany. Waxmann, Münster 2007.
  14. Birgit Herz: Kinder und Jugendliche mit Behinderung: Annäherungen an ein ambivalentes Praxisfeld im Kinderschutz. In: Carolyn Hollweg, Daniel Kieslinder (Hrsg.): Inklusion in den Erziehungshilfen III – Kinderschutz inklusiv gedacht. Schöneworth, Dähre 2022, S. 56–70.
  15. Birgit Warzecha: Misshandlung, sexueller Missbrauch und Vernachlässigung – Annäherungen an eine heilpä-dagogische Praxis mit traumatisierten Kindern. Fernuniversität Hagen, 2001.
  16. Birgit Herz, David Zimmermann, Matthias Meyer: „… und raus bist Du!“ Pädagogische und institutionelle Herausforderungen in der schulischen und außerschulischen Erziehungshilfe. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2015.
  17. Stephan Maykus, Silvia Wiedebusch, Birgit Herz, Muriel Franek, Niklas Gausmann: Inklusive Grundschule als Ort der Kooperation. Das Qualifizierungsmanual InproKiG zur interprofessionellen Förderung von Kindern: Grundlagen und Material. Beltz Juventa, Weinheim 2021.
  18. Birgit Herz: Schulische und außerschulische Erziehungshilfe. Ein Werkbuch zu Arbeitsfeldern und Lösungsansätzen. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2013.
  19. Birgit Herz: Deprofessionalisierungstendenzen in der schulischen und außerschulischen Erziehungshilfe: Ein exemplarischer Blick auf das universitäre Qualifizierungs-"Setting". In: David Zimmermann, Ulrike Fickler-Strang, Lars Dietrich, Katharina Weiland, (Hrsg.): Professionalisierung für Unterricht und Beziehungsarbeit mit psychosozial beeinträchtigten Kindern und Jugendlichen. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2019, S. 23–37.
  20. Birgit Herz: Ökonomisierungsstress und Unterrichtsstörungen. In: Benjamin Badstieber, Bettina Amrhein (Hrsg.): (Un-)mögliche Perspektiven auf herausforderndes Verhalten in der Schule. Beltz Juventa, Weinheim Basel 2022, S. 58–76.
  21. Birgit Herz: Inklusionssemantik und Risikoverschärfung. In: Sven Kluge, Andrea Liesner, Edgar Weiß (Hrsg.): Jahrbuch für Pädagogik 2015. Inklusion als Ideologie. Peter Lang, Frankfurt a. M. 2015, S. 59–76.
  22. Birgit Herz: Zur historischen Proximetrie einer Wissenschaftsdisziplin. Sonderpädagogik und die Dialektik von Inklusion und Exklusion. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 2017.
  23. Birgit Herz: Das Recht auf Bildung und gewaltfreie Erziehung. In: Björn Hagen (Hrsg.): „Und wer nimmt mich?“ Teilhabe braucht viele Wege. Beiträge zu Theorie und Praxis der Jugendhilfe. Schöneworth, Dähre 2015, S. 11–25.
  24. Birgit Herz, Margret Dörr: Unkulturen in Bildung und Erziehung. VS, Wiesbaden 2010.
  25. 2014–2022 Sprecherin der Dozenten in der schulischen und außerschulischen Erziehungshilfe an sonder- und inklusionspädagogischen Studienstätten.
    • 2020 Ehrenmitgliedschaft der DGfE;
    • 2014–2016 Vorsitzende der Kommission Psychoanalytische Pädagogik in der DGfE;
    • 2001 – 2009 Vorsitzende der Sektion Sonderpädagogik in der DGfE;
    • 1995 – 1997 Vorstandsmitglied der Kommission Pädagogik und Humanistische Psychologie in der DGfE
  26. Seit 1998 Mitglied in der Finanzkommission des Vereins “Paten für Straßenkinder e.V.”;
    • 2012–2016 Mitglied im wissenschaftlichen Beirat des "Diesterweg-Stipendium für Kinder und ihre Eltern" Hamburg; Jugendhauptschöffin am Amtsgericht Hamburg (2001–2004) und am Amtsgericht Frankfurt am Main (1985–1989)