Botschaft der Tunesischen Republik (Bonn)

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Ehemaliges Kanzleigebäude der Botschaft und heutiges Generalkonsulat, Godesberger Allee 103 (2014)

Die Botschaft der Tunesischen Republik in der Bundesrepublik Deutschland hatte von 1957 bis 1999 ihren Sitz im Bonner Stadtbezirk Bad Godesberg. Das ehemalige Kanzleigebäude der Botschaft liegt im Ortsteil Friesdorf an der Westseite der Godesberger Allee (Bundesstraße 9) mit der Adresse Godesberger Allee 103[1]. Es beheimatet seit 2006 ein tunesisches Generalkonsulat.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Nach der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zur Bundesrepublik Deutschland eröffnete die Tunesische Republik mit der Akkreditierung ihres Botschafters am 15. November 1957 eine Botschaft am Regierungssitz Bonn. Die Kanzlei der Botschaft hatte ihren Sitz von Beginn an in Bad Godesberg, dem räumlichen Schwerpunkt der diplomatischen Vertretungen, in einer zuvor der Gagfah gehörenden und von ihr genutzten[2] Villa (erbaut um 1922/23)[3][4] an der Kölner Straße 103 (heute Godesberger Allee 103), der damaligen Ausfallstraße nach Bonn. Als Residenz der Botschaft, Wohnsitz des Botschafters, diente ebenfalls von Beginn an ein Wohnhaus im Bad Godesberger Ortsteil Rüngsdorf (Fasanenstraße 11).[5] 1971 wurde ein tunesisches Generalkonsulat in Bonn gegründet, das zunächst im Botschaftsgebäude beheimatet war, Anfang 1977 in ein einfaches Konsulat mit Sitz im Ortsteil Rüngsdorf (Rüngsdorfer Straße 6) umgewandelt und im Dezember 1980 nach Düsseldorf verlegt wurde.[6]

Im Botschaftsgebäude war die zuvor in Hamburg ansässige inoffizielle Vertretung der im Algerienkrieg (1954–1962) als Unabhängigkeitsbewegung gegenüber Frankreich auftretenden Nationalen Befreiungsfront (FLN) beheimatet, die als Führungsstelle für Europa agierte. Am 5. November 1958 wurde der drei Monate zuvor nach Bonn entsandte FLN-Vertreter, der Rechtsanwalt Améziane Aït Ahcène (1931–1959), an seinem letzten Amtstag in seinem Auto vor dem Gebäude angeschossen und verstarb in der Folge wenige Monate später in Tunis.[7] Für die Tat war möglicherweise die vom französischen Geheimdienst betriebene Terrororganisation La Main Rouge (Rote Hand) unter Beteiligung des mit der FLN rivalisierenden Mouvement national algérien (MNA) verantwortlich.[8][9] Es handelte sich um eines der ersten politischen Attentate in der Geschichte der Bundesrepublik.[10] Ende Dezember 1959 kam es zu einem Überfall durch einen bewaffneten Mann auf das Botschaftsgebäude, der ebenfalls der Roten Hand zugerechnet wird.[11] Im März 1960 versuchte Frankreich vergeblich, auf offiziellem Wege die Schließung der FLN-Vertretung zu erreichen und wurde hierin vom Auswärtigen Amt unterstützt. Nach einem Heimataufenthalt im April 1960 übernahm der damalige tunesische Botschafter selbst die Leitung der FLN und ihres militärischen Arms ALN für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland. 1961 wechselte der Chefvertreter der FLN in die marokkanische Botschaft.[12][13] Nachdem Algerien 1962 seine Unabhängigkeit erlangt hatte, nahm die tunesische Botschaft die konsularischen Interessen des Landes in der Bundesrepublik mit Ausnahme von Nordrhein-Westfalen bis zur Eröffnung der algerischen Botschaft nach Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen beiden Ländern im Juni 1963 wahr.[14]

Im Zuge der Verlegung des Regierungssitzes zog die tunesische Botschaft 1999 nach Berlin um. In Bonn bestand bis 2005 noch eine Militärabteilung der Botschaft (Ortsteil Friesdorf, Frankengraben 10).[15] In das vormalige Kanzleigebäude der Botschaft wurde 2005/06[16] das zuvor in Düsseldorf ansässige Konsulat verlegt, im November 2006 wurde es in den Rang eines Generalkonsulats erhoben.[17] Der Konsularbezirk umfasst die Länder Nordrhein-Westfalen, Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland; es handelt sich um das derzeit einzige tunesische Generalkonsulat in Deutschland (Stand: 2023).[18]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Hilda Ortiz Lunscken (Hrsg.); Hilda Ortiz Lunscken, Ingeborg Fischer-Dieskau (Fotos: Martin Krockauer): Pour Memoire. To Remind. Zur Erinnerung – Botschafterresidenzen am Rhein. Ortiz-Lunscken Publishers, Bonn 1999, ISBN 3-9806801-0-X, S. 112/113. [mit Fotos der ehemaligen Botschafterresidenz]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Godesberger Allee 101–103 – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise und Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. laut Liegenschaftskarte Godesberger Allee 101–103; 1930–1977 Kölner Straße 103, bis 1930 Bonner Straße 159
  2. Adressbuch der Stadt Bad Godesberg, Ausgabe 1957/58, J. F. Carthaus, Bonn 1957, S. 47. (online)
  3. Einwohnerbuch der Bürgermeisterei Godesberg 1921/22. Jean Schneider, Bad Godesberg 1921, S. 48. (online)
  4. Einwohnerbuch der Bürgermeisterei Godesberg 1924/25. Jean Schneider, Bad Godesberg 1924, S. 45. (online)
  5. Hilda Ortiz Lunscken (Hrsg.); Hilda Ortiz Lunscken, Ingeborg Fischer-Dieskau (Fotos: Martin Krockauer): Pour Memoire. To Remind. Zur Erinnerung – Botschafterresidenzen am Rhein.
  6. Mohamed Néjib Bouraoui: Die Bilateralen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Tunesien auf dem politischen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Gebiet, M.N. Bouraoui, 1987, S. 129.
  7. AIT AHCENE, Der Spiegel, 6. Mai 1959
  8. Plötzlich fielen aus einem schwarzen Auto Schüsse, Hamburger Abendblatt, 6. November 1958
  9. Mercier ging durch die Stadt, Der Spiegel, 19. November 1958
  10. Claus Leggewie: Kofferträger: Das Algerien-Projekt der Linken im Adenauer-Deutschland. Rotbuch, Berlin 1984, ISBN 3-88022-286-X, S. 45.
  11. Kofferträger: das Algerien-Projekt der Linken im Adenauer-Deutschland, Rotbuch Verlag, Berlin 1984, ISBN 3-88022-286-X, S. 185.
  12. Erich Schmidt-Eenboom, Matthias Ritzi: Im Schatten des Dritten Reiches: der BND und sein Agent Richard Christmann, Links, Berlin 2011, ISBN 978-3-86153-643-7, S. 188/189.
  13. Klaus Jürgen Müller: Bonn zwischen Paris und den Arabern – Die Bundesrepublik und der Algerienkrieg 1954–1962. In: Volker J Bergeest (Hrsg.): Liber amicorum für Gerrit Winter, Verlag Versicherungswirtschaft, Karlsruhe 2007, ISBN 978-3-89952-338-6, S. 51–61 (hier: S. 58 ff.).
  14. Wahrnehmung der algerischen konsularischen Interessen in der Bundesrepublik Deutschland vom 26. September 1962. In: Der Hessische Minister des Innern (Hrsg.): Staatsanzeiger für das Land Hessen. 1962 Nr. 41, S. 1378, 1116 (Online beim Informationssystem des Hessischen Landtags [PDF; 3,6 MB]).
  15. Adressen der diplomatischen und konsularischen Missionen in Deutschland (PDF-Datei; 538 kB), Stand: 3. Mai 2005.
  16. Vertretungen Tunesien (Memento vom 22. Juni 2006 im Internet Archive), Auswärtiges Amt
  17. Berufskonsularische Vertretung der Tunesischen Republik, Bonn – Bek. d. Ministerpräsidenten v. 15.12.2006 - III A 2 03.50-2/05. In: Ministerialblatt (MBl. NRW.), Ausgabe 2007 Nr. 1 vom 9. Januar 2007
  18. Vertretungen Tunesien, Auswärtiges Amt

Koordinaten: 50° 41′ 56,7″ N, 7° 8′ 17,1″ O