Brombrenztraubensäure

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Strukturformel
Strukturformel von Brombrenztraubensäure
Allgemeines
Name Brombrenztraubensäure
Andere Namen
  • 3-Brom-2-oxopropionsäure
  • 3-Brompyruvat
  • 3-Bromopyruvat
  • 3-BP
  • 3BP
Summenformel C3H3BrO3
Kurzbeschreibung

weißer Feststoff[1]

Externe Identifikatoren/Datenbanken
CAS-Nummer 1113-59-3
EG-Nummer 214-206-5
ECHA-InfoCard 100.012.915
PubChem 70684
ChemSpider 63850
Wikidata Q3608257
Eigenschaften
Molare Masse 166,96 g·mol−1
Aggregatzustand

fest[1]

Dichte

1,73 g·cm−3[2]

Schmelzpunkt

77–82 °C[1]

Löslichkeit
  • löslich in Wasser (1 g/10 ml)[1]
  • löslich in Dimethylsulfoxid und Ethylacetat[3]
Brechungsindex

1,465[2]

Sicherheitshinweise
GHS-Gefahrstoffkennzeichnung[1]
Gefahrensymbol

Gefahr

H- und P-Sätze H: 314
P: 280​‐​305+351+338​‐​310[1]
Soweit möglich und gebräuchlich, werden SI-Einheiten verwendet. Wenn nicht anders vermerkt, gelten die angegebenen Daten bei Standardbedingungen. Brechungsindex: Na-D-Linie, 20 °C

Brombrenztraubensäure (auch: 3-Brompyruvat oder engl. 3-Bromopyruvate; kurz: 3-BP) ist eine organische chemische Verbindung aus der Gruppe der Derivate der Brenztraubensäure. 3-Bromopyruvat ist eine englischsprachige Substanzbezeichnung, die häufig in der deutschen Allgemeinsprache übernommen wird, aber fachsprachlich nicht korrekt ist.

Die Salze und Ester der Brombrenztraubensäure werden als 3-Brompyruvate bezeichnet.

Gewinnung und Darstellung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brombrenztraubensäure kann durch Bromierung von Brenztraubensäure unter Verwendung von Brom in Gegenwart von Schwefelsäure gewonnen werden.[4]

Eigenschaften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brombrenztraubensäure ist ein weißer Feststoff, der löslich in Wasser ist.[1]

Potenzielle Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Brombrenztraubensäure gilt als ein Affinitätsmarker für Cysteinreste. Es ist auch bei der Synthese von Imidazo[1,2-a]pyridin-2-carbonsäuren und substituierten Pyronen beteiligt.

Chemisch gesehen ist Brombrenztraubensäure ein Alkylans.[5] Der postulierte onkologische Wirkmechanismus geht allerdings über die Glykolyse (Inhibierung des Enzyms Glycerinaldehyd-3-phosphat-Dehydrogenase[6] und des Enzyms Hexokinase II[7]) und die Mitochondrien.[8] Die Verbindung wird als potenzielles Zytostatikum, beispielsweise gegen Bronchialkarzinome, diskutiert.[3][9] In einer Tierstudie konnte 2004 in 19 Ratten eine vollständige Rückbildung von Xenografts aus hepatozellulären Karzinomzellen beobachtet werden,[3] was eine Verwendung für weitere klinische Studien interessant erscheinen ließ.[10] Die Verbindung ist in Deutschland nicht als Krebsmedikament zugelassen und noch nicht hinreichend erforscht.[11] Bei ClinicalTrials.gov sind keine klinischen Studien an Patienten mit Brombrenztraubensäure registriert.

Im Tierversuch konnten die erheblichen Nebenwirkungen, wie beispielsweise Lebernekrosen, durch eine intraarterielle Infusion deutlich reduziert werden.[12] Das US-amerikanische Unternehmen PreScience Labs hat für intraarteriell verabreichte Brombrenztraubensäure (Firmenbezeichnung: PSL-001) seit 2014 den Orphan-Drug-Status für die Behandlung von seltenen Formen des Pankreaskarzinoms (rare carcinoma of pancreas).[13] Das Unternehmen gibt auf seiner Website an, dass die FDA die Patientenrekrutierung für eine Phase-I-Studie im Januar 2013 genehmigt hat, die das Unternehmen im Jahr 2015 beginnen wollte.[14] Weiter führt das Unternehmen auf seiner Internetpräsenz aus, dass PSL-001 von 2010 bis 2012 bei Patienten im Rahmen von Compassionate Use zur Anwendung kam.[15] PreScience Labs ist exklusiver Lizenznehmer von Brombrenztraubensäure-Patenten der Johns Hopkins University.[16][17][18] Entgegen der Ankündigung des Unternehmens wurde die Phase-I-Studie bisher noch nicht begonnen (Stand: August 2016).[7]

Tod durch Überdosierung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Ende Juli 2016 wurde öffentlich, dass nach einer alternativmedizinischen Behandlung durch einen Heilpraktiker in einer Brüggener Praxis für Naturheilkunde, bei der auch Brombrenztraubensäure involviert war, mindestens drei Menschen gestorben waren.[11] In der Folge kam es zu polizeilichen Ermittlungen, die per 18. August auf 70 Todesfälle im Zusammenhang mit der Praxis erweitert wurden.[19] In einem weiteren Bericht wurde die Staatsanwaltschaft im Jahr 2016 dahingehend zitiert, dass die fragliche Therapie nicht Todesursache gewesen sein müsse, da häufig Patienten die Praxis aufsuchten, die Krebs im Endstadium hatten.[20] Im April 2018 wurde der Heilpraktiker von der Staatsanwaltschaft Krefeld wegen fahrlässiger Tötung in drei Fällen angeklagt, weil das von ihm überdosierte Mittel rechtsmedizinisch nachweisbar todesursächlich bei den drei gestorbenen Patienten gewesen sei.[21][22] Im Juli 2019 erging ein Urteil zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen fahrlässiger Tötung gegen den Heilpraktiker, unter Feststellung einer "schweren Verletzung der Sorgfaltspflicht".[23]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f g Datenblatt Bromopyruvic acid, ≥97.0% (T) bei Sigma-Aldrich, abgerufen am 6. August 2016 (PDF).
  2. a b Carl L. Yaws: The Yaws Handbook of Physical Properties for Hydrocarbons and Chemicals: Physical Properties for More Than 54,000 Organic and Inorganic Chemical Compounds, Coverage for C1 to C100 Organics and Ac to Zr Inorganics. Gulf Professional Publishing, 2015, ISBN 978-0-12-801146-1 (Google Books).
  3. a b c Datenblatt Bromopyruvic acid, 97% bei Alfa Aesar, abgerufen am 7. August 2016 (Seite nicht mehr abrufbar).
  4. Manojkumar R. Bhandari, Carl J. Lovely: Encyclopedia of Reagents for Organic Synthesis. 2001, ISBN 978-0-470-84289-8, 3-Bromopyruvic Acid, doi:10.1002/047084289X.rn01049.
  5. Ebi Web Team: 3-bromopyruvic acid (CHEBI:131461). In: ebi.ac.uk. 21. März 2016, abgerufen am 22. August 2016 (englisch).
  6. P. Dell'Antone: Targets of 3-bromopyruvate, a new, energy depleting, anticancer agent. In: Medicinal chemistry. Band 5, Nummer 6, November 2009, S. 491–496, PMID 19534685.
  7. a b rme: Warburg-Effekt: Wie 3-Bromopyruvat Krebs besiegen soll. In: aerzteblatt.de. 15. August 2016, abgerufen am 24. August 2016.
  8. M. C. Shoshan: 3-Bromopyruvate: targets and outcomes. In: Journal of bioenergetics and biomembranes. Band 44, Nummer 1, Februar 2012, S. 7–15, doi:10.1007/s10863-012-9419-2, PMID 22298255 (Review).
  9. Peter L. Pedersen: 3-bromopyruvate (3BP) a fast acting, promising, powerful, specific, and effective “small molecule” anti-cancer agent taken from labside to bedside: introduction to a special issue. In: Journal of Bioenergetics and Biomembranes. Band 44, Nr. 1, März 2012, S. 1–6, doi:10.1007/s10863-012-9425-4.
  10. Sandra S. Meyer: Glukosestoffwechsel und Strahlentherapie solider, maligner Tumoren (Memento vom 7. August 2016 im Internet Archive), Dissertation 2011, urn:nbn:de:hebis:77-30740.
  11. a b Tote nach alternativer Krebstherapie: Fragwürdige Methoden. In: Spiegel Online. Abgerufen am 7. August 2016.
  12. M. Vali, E. Liapi u. a.: Intraarterial therapy with a new potent inhibitor of tumor metabolism (3-bromopyruvate): identification of therapeutic dose and method of injection in an animal model of liver cancer. In: Journal of vascular and interventional radiology : JVIR. Band 18, Nummer 1 Pt 1, Januar 2007, S. 95–101, doi:10.1016/j.jvir.2006.10.019, PMID 17296709.
  13. Orphanet: 3 bromopyruvate. In: orpha.net. 23. August 2016, abgerufen am 24. August 2016 (englisch).
  14. About PreScience Labs. In: presciencelabs.com. 6. April 2013, archiviert vom Original am 3. August 2016; abgerufen am 12. Januar 2023 (englisch).
  15. Clinical Development Program – Liver Cancers. In: presciencelabs.com. 6. April 2013, archiviert vom Original am 11. August 2016; abgerufen am 12. Januar 2023 (englisch).
  16. Patent US7547673B2: Therapeutics for cancer using 3-bromopyruvate and other selective inhibitors of ATP production. Angemeldet am 13. September 2002, veröffentlicht am 16. Juni 2009, Anmelder: The Johns Hopkins University, Erfinder: Young He Ko et al.
  17. Patent EP2114413B1: Therapeutische Mittel zur Krebsbehandlung mit 3-Brompyruvat. Angemeldet am 17. Dezember 2007, veröffentlicht am 22. Oktober 2014, Anmelder: The Johns Hopkins University, Erfinder: Jean-Francois Geschwind, Mustafa Vali.
  18. Anti-cancer drug technology, PSL-001. In: presciencelabs.com. 6. April 2013, archiviert vom Original am 8. August 2016; abgerufen am 12. Januar 2023 (englisch).
  19. WDR: Krebszentrum Brüggen: Ermittlungen in 70 Todesfällen. In: wdr1.de. Archiviert vom Original am 24. August 2016; abgerufen am 12. Januar 2023.
  20. Tote nach Krebstherapie: Heilpraktiker durfte experimentellen Wirkstoff verwenden. In: Spiegel Online. Abgerufen am 27. August 2016.
  21. Martin Röse: Fahrlässige Tötung von Krebspatienten: Staatsanwaltschaft klagt Brüggener Heilpraktiker an. Abgerufen am 17. April 2018.
  22. Tod von drei Krebspatienten: Staatsanwaltschaft Krefeld klagt Heilpraktiker an. In: Spiegel Online. 12. April 2018 (spiegel.de [abgerufen am 17. April 2018]).
  23. Tod von Krebspatienten - Bewährungsstrafe für Heilpraktiker. In: Spiegel Online. 15. Juli 2019 (spiegel.de [abgerufen am 15. Juli 2019]).