Cafeteria (Gattung)

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Cafeteria

Cafeteria roenbergensis

Systematik
ohne Rang: Diaphoretickes
ohne Rang: Sar
ohne Rang: Stramenopile (Stramenopiles)
ohne Rang: Bicosoecida
Familie: Cafeteriaceae
Gattung: Cafeteria
Wissenschaftlicher Name
Cafeteria
T. Fenchel & D. J. Patterson, 1988

Cafeteria ist eine Gattung im Meer lebender einzelliger Flagellaten innerhalb der Stramenopilen. Es sind kleine, bakterienfressende Einzeller.

Die Deutsche Gesellschaft für Protozoologie (DGP) hat Cafeteria zum „Einzeller des Jahres“ 2024 auserkoren.[1][2]

Merkmale[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die kleinen, farblosen Zellen sind bohnenförmig und rund drei bis zehn Mikrometer lang. Sie besitzen keine Zellhülle, also weder Zellwand noch Pellicula. Die zwei Geißeln setzen unterhalb der Spitze (subapikal) an, häufig innerhalb einer auffälligen Tasche, über die eine lippenähnliche Struktur hängt. Die vorne sitzende Geißel weist meist direkt nach vorne, die hintere nach hinten. Auf einer festen Oberfläche sitzende (sessile) Zellen ruhen auf der Spitze der hinteren Geißel. Die vordere Geißel dient in diesem Fall dazu, durch schraubige Bewegungen einen Wasserstrom zum Zellkörper hin zu erzeugen. Dieses Verhalten ist charakteristisch für die Gruppe der Bicosoecida.

Ultrastruktur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

LM-Aufnahme von C. roenbergensis oder C. burkhardae

Wie auch bei den anderen Vertretern der Stramenopilen trägt die vordere Geißel zwei Reihen dreiteiliger Mastigonemen. Cafeteria ist durch drei endständige Fibrillen gekennzeichnet, wobei die mittlere länger als die seitlichen ist. Die Zellen besitzen einen Zellkern. Der einzige Golgi-Apparat sitzt vor dem Kern in der Nähe der Geißelbasis. Es sind rund fünf wurstförmige Mitochondrien vorhanden. Typisch für Stramenopile besitzen die Mitochondrien tubuläre Cristae.

Die Zellen besitzen ejektile Organellen, sogenannte Extrusomen. Diese sind in einem charakteristischen Muster auf der Zelloberfläche verbreitet, besonders nahe dem Zellmund (Cytostom). Das Cytoskelett basiert auf einem asymmetrischen System, bestehend aus den zwei Geißeln-Basen, drei Mikrotubuli-Wurzeln und einem gegabelten Rhizoplast. Eine der drei Mikrotubuli-Wurzeln setzt am vorderen Basalkörper an und ist mit sekundären Cytoskelett-Mikrotubuli assoziiert. Dies ist ein häufiges Merkmal von Stramenopilen. Die anderen zwei Mikrotubuli-Wurzeln setzen am hinteren Basalkörper an. Die distalen Enden der zwei hinteren Wurzeln überlappen nicht. Die breitere der beiden Wurzeln besitzt zwölf Mikrotubuli und ist distal in drei Untereinheiten geteilt. Diese drei Untereinheiten definieren den Zellmund (Cytostom). Dieser ist in der Zellachse nach rechts verschoben.

Vermehrung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Cafeteria vermehrt sich durch einfache Zellteilung. Sexuelle Vermehrung ist nicht bekannt, ebenso wenig Dauerstadien wie Zysten.

Ernährung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schematische Darstellung der Nahrungssuche von C. roenbergensis oder C. burkhardae; a–c: Suche und Fang, d–e: Aufnahme der Beute bzw. f–g: Zurückweisung. Vordere Geißel (rot), hintere Geißel (blau), Aufnahmebereich (grüner Kreis), Nahrungsstrom (gekrümmte Pfeile), Objektbewegung (gerade Pfeile).
Schematische Darstellung der Nahrungssuche von Cafeteria cf. mylnikovii (früher Pseudobodo cf. tremulans); Bezeichnungen wie oben, zusätzlich h–i: Peitschen-Abstoßung (lash rejection). Die vordere Geißel dient als „Peitsche“.

Die Arten sind, soweit bis jetzt bekannt, obligat phagotroph und ernähren sich von Bakterien und kleinen Eukaryoten.

Verbreitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die fünf Arten sind im marinen Plankton und an vielen Oberflächen im Meer weit verbreitet. An den Oberflächen haften sie sich – typisch für die Bicosoecida – mit der hinteren Geißel an. Cafeteria roenbergensis ist eine der häufigsten und verbreitetsten Arten des heterotrophen Nanoplanktons. Sie kommt weltweit im Meerwasser vom oberflächennahen Wasser bis in die Tiefsee vor.[3] Im Süßwasser ist die Gattung bis jetzt nicht bekannt.

Systematik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Gattung gehört zur kleinen Gruppe Bicosoecida innerhalb der Stramenopilen. Es gibt mehrere Arten, von denen erst ein Teil beschrieben sind.[4] Die Sequenzierung der 18S rDNA der Typusart C. roenbergensis ergab, dass die meisten der unter dem Namen C. roenbergensis hinterlegten Sequenzen nicht zu dieser Art gehörten, sondern zu einer neuen Art C. burkhardae Schoenle & Arndt, 2020, die nun als häufigste Art des Cafeteria-Komplexes gilt.[5] Neben C. burkhardae wurden 2020 von Alexandra Schoenle et al. sechs neue Cafeteria-Arten sowohl anhand von morphologischen als auch molekularen Merkmalen identifiziert. Sie stammen aus marinen Oberflächengewässern und der Tiefsee; vom Atlantik, Pazifik, Mittelmeer, sowie dem Indischen Ozean und der Ostsee.[6][5]

  • Cafeteria atacamiensis Schoenle, Freches & Arndt, 2022, inkl. Cafeteria sp. ASchoenle-2022c[7]
    – gefunden in der Atacama-Wüste[6][5]
  • Cafeteria baltica Hohlfeld, Sachs, Wiechmann & Arndt, 2022, inkl. Cafeteria sp. ASchoenle-2022a[7]
    – isoliert aus dem Brackwasser der Ostsee[6][5]
  • Cafeteria biegae Schoenle & Arndt, 2020, inkl. Cafeteria sp. AleS-2019a[7]
    – Tiefsee-Sediment, Pliny Plain,[8] östl. Mittelmeer[6]
  • Phasenkontrastaufnahme von C. roen­bergensis (oder C. burkhardae)
    Cafeteria burkhardae Schoenle & Arndt, 2020, inkl. Cafeteria sp. AleS-2019b[7]
    – Referenzstamm vom Tiefsee-Sediment, östl. Vema Fracture Zone, Atlantik; Spezies ist kosmopolitisch[6][5][9]
  • Cafeteria chilensis Filz, Nitsche & Arndt, 2020, inkl. Cafeteria sp. AleS-2019c[7]
    – von einer Wasserprobe aus einem Felsbecken in Iquique, Chile[6]
  • Cafeteria graefeae Schoenle & Arndt, 2020, inkl. Cafeteria sp. AleS-2019d[7]
    – Tiefsee-Sediment aus dem Angolabecken, südöstl. Atlantik[6]
  • Cafeteria ligulifera Larsen & Patterson, 1990[6][10]
  • Cafeteria loberiensis Filz, Nitsche & Arndt, 2020, inkl. Cafeteria sp. AleS-2019e[7]
    – von einer Wasserprobe aus einem Felsbecken am Loberia Piont auf der Halbinsel Mejillones, Chile[6]
  • Cafeteria maldiviensis Schoenle, Rosse & Arndt, 2020, inkl. Cafeteria sp. AleS-2019f[7]
    – im Sediment um Nalaguraidhoo, Malediven[6]
  • Cafeteria minuta (Ruinen, 1938) Larsen & D.J.Patterson 1990,[6][4][11] veraltet Pseudobodo minuta[12][6]

Cafeteria mylnikovii Cavalier-Smith & Chao, 2005,[7][10] veraltet Pseudobodo tremulans Griessmann, 1913[13][14]
– eine Kultur aus Villefranche, westliches Mittelmeer[15][6]

Daneben sind folgende, bisher unbeschriebene Kulturen bekannt (Stand 2. Juni 2023):[7]

Verschiebungen:

Viren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Arten von Cafeteria wie C. roenbergensis (oder vielmehr C. burkhardae) können vom Cafeteria-roenbergensis-Virus (wissenschaftlich Rheavirus sinusmexicani) infiziert werden. Stämme von C. burkhardae mit ins Genom integrierten „endogenen“ Virophagen (englisch endogenous mavirus-like elements, EMALEs) können diese jedoch als Abwehrmechanismus benutzen.[9]

Etymologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Gattungsname Cafeteria wurde von den Erstbeschreibern und Protistologen Fenchel und Patterson gewählt, als sie auf der Namenssuche in einem Kaffeehaus saßen und feststellten, dass die Einzeller der Form einer Kaffeetasse ähnelten.[1][2]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Cafeteria – Sammlung von Bildern

Quellen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Charles J. O'Kelly: Cafeteria. 12. April 2004, abgerufen am 1. März 2013.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b Gestatten: Der Einzeller des Jahres 2024. Abgerufen am 6. Dezember 2023.
  2. a b Natur 2024: Hamster, Ammer, Pinscher und Co.- Auf: orf.at vom 14. Dezember 2023.
  3. Hartmut Arndt, Klaus Hausmann, Matthias Wolf: Deep-sea heterotrophic nanoflagellates of the Eastern Mediterranean Sea: qualitative and quantitative aspects of their pelagic and benthic occurrence. In: Mar Ecol Prog Ser. Band 256, 2003, S. 45–56 (PDF; 634 kB).
  4. a b c d Cafeteria T.Fenchel & D.J.Patterson, 1988 (Genus). AlgaeBase.
  5. a b c d e f Alexandra Schoenle, Manon Hohlfeld, Alexandra Rybarski, Maria Sachs, Eric Freches, Karla Wiechmann, Frank Nitsche, Hartmut Arndt: Cafeteria in extreme environments: Investigations on C. burkhardae and three new species from the Atacama Desert and the deep ocean. In: European Journal of Protistology. Band 85, August 2022, S. 125905; doi:10.1016/j.ejop.2022.125905.
  6. a b c d e f g h i j k l m n o p q r s t u v Alexandra Schoenle, Manon Hohlfeld, Mona Rosse, Paulina Filz, Claudia Wylezich, Frank Nitsche, Hartmut Arndt: Global comparison of bicosoecid Cafeteria-like flagellates from the deep ocean and surface waters, with reorganization of the family Cafeteriaceae. In: European Journal of Protistology. Band 73, April 2020, S. 125665; doi:10.1016/j.ejop.2019.125665.
  7. a b c d e f g h i j k l m n o p q NCBI Taxonomy Browser: Cafeteria, Details: Cafeteria (genus).
  8. Pliny Plain. Auf: Google Maps.
  9. a b Thomas Hackl, Sarah Duponchel, Karina Barenhoff, Alexa Weinmann, Matthias G. Fischer: Virophages and retrotransposons colonize the genomes of a heterotrophic flagellate. In: eLife. Band 10, Nr. e72674, 26. Oktober 2021, S. 1–20; doi:10.7554/eLife.72674, PMID 34698016, PMC 8547959 (freier Volltext).
  10. a b c Cafeteria T. Fenchel & D. J. Patterson 1988 in Encyclopedia of Life
  11. a b c WoRMS: Cafeteria T.Fenchel & D.J.Patterson, 1988 (Genus).
  12. Jakoba Ruinen: Notizen über Salzflagellaten. II. Über die Verbreitung der Salzflagellaten. In: Archiv für Protistenkunde, Band 90, 1938, S. 210–258, ISSN 0003-9365; WoRMS.
  13. NCBI Taxonomy Browser: Pseudobodo tremulans (species).
  14. SMHI: Pseudobodo tremulans Griessmann 1913. Mit Fotos.
  15. Karl Grießmann: Über marine Flagellaten. In: Archiv für Protistenkunde: Protozoen, Algen, Pilze, Band 32, 1914, S. 1–78. Siehe insbes. S. 27f.
  16. Thomas H. Teal, Tracy Guillemette, Michael Chapman, Lynn Margulis: Acronema sippewissettensis gen. nov. sp. nov., microbial Mat bicosoecid (bicosoecales = bicosoecida). In: European Journal of Protistology, Band 34, Nr. 4, 7. Dezember 1998, S. 402–414; doi:10.1016/S0932-4739(98)80009-6, PMID 11542254.
  17. Thomas Cavalier-Smith, Josephine Margaret Scoble: Phylogeny of Heterokonta: Incisomonas marina, a uniciliate gliding opalozoan related to Solenicola (Nanomonadea), and evidence that Actinophryida evolved from raphidophytes. In: European Journal of Protistology, Band 49, Nr. 3, August 2013, S. 328–353; doi:10.1016/j.ejop.2012.09.002, PMID 23219323.
  18. Nam Seon Kang, Kyung Ha Lee, Hae Jin Jeong, Yeong Du Yoo, Kyeong Ah Seong, Éric Potvin, Young Jong Hwang, Eun Young Yoon: Red tides in Shiwha Bay, western Korea: A huge dike and tidal power plant established in a semi-enclosed embayment system. In: Harmful Algae, Band 30, Supplement 1, Dezember 2013, S. S114-S130; doi:10.1016/j.hal.2013.10.011. Siehe insbes. Fig. 1 (Karte).
  19. Jens Boenigk, Steffen Jost, Thorsten Stoeck, Tobias Garstecki: Differential thermal adaptation of clonal strains of a protist morphospecies originating from different climatic zones. In: Applied Microbiology International (AMI): Environmental Microbiology, Band 9, Nr. 3, März 2007, S. 593–602; doi:10.1111/j.1462-2920.2006.01175.x. Siehe insbes. Tbl. 1, letzte Zeile.
  20. Thomas Cavalier-Smith, Ema E-Y. Chao: Phylogeny and Megasystematics of Phagotrophic Heterokonts (Kingdom Chromista). In: Journal of Molecular Evolution, Band 62, 22. März 2006, S. 388–420; doi:10.1007/s00239-004-0353-8, PDF. Siehe insbes. Tbl. 1.
  21. Simon Roux, Natalya Yutin, Matthias G. Fischer, Frederic Schulz: Establishing formal demarcation criteria for the Maveriviricetes class (“virophages”). Vorschlag 2022.006F an das ICTV vom Oktober 2021.