Canones Romanorum ad Gallos episcopos

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Die Canones (synodi) Romanorum ad Gallos episcopos (Jaffé-Nummer: JK post 285; CPL-Nummer: 1632; Incipit: Dominus inter cetera) sind eine kleine Sammlung von römischen Synodalbeschlüssen aus dem späten 4. Jahrhundert in Form eines Briefes an die Bischöfe Galliens. Die Forschung geht überwiegend davon aus, dass Papst Siricius das Schreiben nach 384 verfasste,[1][2][3] aber auch die Zuschreibung zu Damasus I. und damit eine Datierung auf die Jahre 382 bis 384 wird vertreten.[4][5][6] Anhänger einer Frühdatierung haben das Schreiben als ‚erste Dekretale‘ bezeichnet;[7] in der Regel wird dies aber über ein anderes Schreiben des Siricius gesagt, nämlich das an Himerius von Tarragona aus dem Jahr 385, das nach seinem Incipit auch Directa ad decessorem genannt wird (Jaffé-Nummer: JK 255).[8]

Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das anonym überlieferte, aber offensichtlich von einem römischen Bischof verfasste Schreiben gibt sich als Antwort auf eine Anfrage gallischer Bischöfe (Reskript) zu Fragen der kirchlichen Disziplin aus und zitiert dabei die Canones. Das erste Thema sind Mädchen und Frauen, die aus religiösen Gründen sexuelle Enthaltsamkeit gelobt haben oder dies beabsichtigen; wenn sie dennoch heirateten, so der Papst, solle ihnen eine schwere Buße auferlegt werden. Zweitens geht es um Priester, die dem Schreiben zufolge sowohl nach biblischen Vorschriften als auch laut kirchlicher Tradition körperliche Enthaltsamkeit üben müssten; dies wird damit begründet, dass Priester wie die Leviten des Alten Testament sexuell abstinent sein sollten, wenn sie Kulthandlungen vollzogen, sowie mit der größeren Glaubwürdigkeit, wenn ein Priester weiblichen Laien sexuelle Enthaltsamkeit als Tugend predige. Sexuelle Kontakte werden in diesem Zusammenhang als ‚Verunreinigung‘ (pollutio) beschrieben; in der Forschung ist diese Stelle als Beleg verstanden worden, dass der Zölibat der Priester in der Westkirche vor allem mit kultuischer Reinheit begründet worden sei.[9] Eine Reihe weiterer Fragen werden kürzer behandelt: Kleriker sollen keine Spiele ausrichten und dürfen nur einmal heiraten; Diakone dürfen keine Sünder rekonzilieren; die Wirksamkeit des Chrisam; Leviratsehen, obwohl früher zulässig, sind Christen verboten; wer in Ausübung öffentlicher Ämter für Todesstrafen und Folter verantwortlich ist, kann erst nach hinreichender Buße Bischof werden; die Ehe zwischen einer Frau und ihrem Onkel ist verboten; vor dem Bischofsamt sind die anderen Weihegrade in gebührender Zeit zu durchlaufen; wer Bischof einer Kirche ist, darf nicht andernorts Bischof werden (Translationsverbot); Kleriker, die von ihren Ämtern abgesetzt werden, dürfen auf keinen Fall andernorts wieder aufgenommen werden; kein Bischof soll außerhalb seiner Diözese Weihen spenden.

Überlieferung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Canones sind als Teil anderer kanonischer Sammlungen überliefert, nämlich der Collectio Sancti Mauri sowie der beiden rhätischen Sammlungen, die als Collectio Weingartensis und Collectio Tuberiensis bekannt sind; alle drei stammen wohl aus dem späten sechsten Jahrhundert.[10] Die Collectio Sancti Mauri ist in drei Handschriften erhalten, nämlich einer aus dem achten Jahrhundert (Den Haag, Museum Meermanno, 10.B.4) und zweien aus dem neunten (Paris, BnF, lat. 145 und BAV, Reg. lat. 1127). Étienne Baluze berichtet, eine weitere (heute verlorene) Handschrift in Laon gesehen zu haben.[11] Von den beiden anderen Sammlungen ist jeweils nur eine Abschrift bekannt. Die älteren Forschung (bis einschließlich Duval) kannte nur die beiden jüngeren Handschriften der ersten Sammlung.[12]

Editionen und Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die editio princeps erfolgt durch Jacques Sirmond. Eine kritische Edition auf Basis aller bekannter Handschriften fehlt.

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Detlev Jasper: The Beginning of the Decretal Tradition: Papal Letters from the Origin of the Genre Through the Pontificate of Stephen V. In: Detlev Jasper, Horst Fuhrmann: Papal Letters in the Early Middle Ages (= History of Medieval Canon law [Band 2]) Catholic University of America Press, Washington 2001, hier S. 28–32.
  2. Christian Hornung: Directa ad decessorem. Ein kirchenhistorisch-philologischer Kommentar zur ersten Dekretale des Siricius von Rom (= Jahrbuch für Antike und Christentum Ergänzungsband 8) Aschendorff, Münster 2011, ISBN 978-3-402-10915-1, S. 283.
  3. Roger Gryson: Dix ans de recherches sur les origines du célibat ecclésiastique. Réflexion sur les publications des années 1970–1979. In : Revue Théologique de Louvain Band 11, 1980, S. 157–185, hier S. 165–167; doi:10.3406/thlou.1980.1763.
  4. Ernest Charles Babut: La plus ancienne décrétale. Société Nouvelle de Librairie et d’Édition, Paris 1904.
  5. Yves-Marie Duval: La décrétale Ad Gallos episcopos, son texte et son auteur : texte critique, traduction française et commentaire (= Supplements to Vigiliae Christianae Band 73). Brill, Leiden 2005, ISBN 90-04-14170-7
  6. Ursula Reutter: Damasus, Bischof von Rom (366–384). Leben und Werk (= Studien und Texte zu Antike und Christentum. Band 55). Mohr Siebeck, Tübingen 2009, ISBN 978-3-16-149848-0, hier S. 232.
  7. Zuerst Ernest Charles Babut: La plus ancienne décrétale. Société Nouvelle de Librairie et d'Édition, Paris 1904.
  8. Klaus Zechiel-Eckes: Die erste Dekretale. Der Brief Papst Siricius’ an Bischof Himerius von Tarragona vom Jahr 385 (JK 255). Aus dem Nachlass herausgegeben von Detlev Jasper (= MGH. Studien und Texte Band 55). Hahn, Hannover 2013, ISBN 978-3-7752-5715-2.
  9. Roger Gryson: Les origines du célibat ecclésiastique du premier au septième siècle, Gembloux 1970, hier S. 131.
  10. Lotte Kéry: Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400–1140): A Bibliographical Guide to the Manuscripts and Literature (= History of Medieval Canon law [Band 1]) Catholic University of America Press, Washington 1999, hier S. 42, 42–43 bzw. 45–46. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  11. Lotte Kéry: Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400–1140): A Bibliographical Guide to the Manuscripts and Literature (= History of Medieval Canon law [Band 1]) Catholic University of America Press, Washington 1999, hier S. 45. eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche
  12. Detlev Jasper: The Beginning of the Decretal Tradition: Papal Letters from the Origin of the Genre Through the Pontificate of Stephen V. In: Detlev Jasper, Horst Fuhrmann: Papal Letters in the Early Middle Ages (= History of Medieval Canon law [Band 2]) Catholic University of America Press, Washington 2001, ISBN 0-8132-0919-6 Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3D%7B%7B%7B1%7D%7D%7D~GB%3D~IA%3Djasper-fuhrmann-papal-letters-in-the-early-middle-ages~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D, S. 3–133, hier S. 29.