Car2x

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Symbolbild mehrerer typischer Car2x-Kommunikationsstränge

Car2x (ausgesprochen englisch „Car to x“) ist eine in den 2010er Jahren entwickelte Technik, bei der Fahrzeuge mit ihrer Umwelt („x“), aber auch untereinander kommunizieren. Der Datenaustausch zwischen benachbarten Fahrzeugen ist ein Sonderfall von Car2x und heißt Car2Car, im angelsächsischen Sprachraum häufig Vehicle2Vehicle- oder V2V-Kommunikation genannt.[1] Die Übertragung ist bei Car2x in beide Richtungen möglich, also vom Fahrzeug an die Umwelt und umgekehrt. Bei Car2x werden keine Bild- und Videodaten verarbeitet, sondern Sensordaten in Tabellenform, pro Übertragung nur wenige Kilobyte groß. Car2x soll die Verkehrssicherheit erhöhen, zu Energieeinsparungen führen und die Effizienz der Verkehre stärken.[2]

Übertragungstechnik und Anwendungsfälle[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für Car2x gibt es im Prinzip zwei Übertragungsarten. Die mit niedriger Latenz (also ohne fühlbare Zeitverzögerung), aber nur wenigen hundert Metern Reichweite ist der WLAN-Standard für Autos WLANp.[3] Ein typischer Anwendungsfall wären Fahrzeuge, die sich einer Kreuzung mit Ampel nähern, worauf die Ampel dann ad hoc umschaltet und den Verkehrsfluss weniger stört. Die zweite Übertragungsart geschieht über den Mobilfunk. Die teilnehmenden Fahrzeuge müssen dafür SIM-Karten installiert haben. Bei fehlendem Netzempfang speichert die Bordelektronik die Daten und sendet sie mit dem zurückliegenden Zeitstempel ab, sobald sie wieder online ist. Die Übertragungszeit zwischen Sender, der Cloud und dem Empfänger beträgt im Allgemeinen unter 3 Sekunden. Ein Anwendungsfall ist eine Wanderbaustelle in unübersichtlichem Gelände, die ihre jeweilige Position auf die Bildschirme aller im Umkreis von 4 Kilometer fahrenden Fahrzeuge meldet.

Die Car2x-Technologie wurde durch zwei Faktoren möglich: immer dichtere Datennetze und durch immer mehr Sensorik im Fahrzeug. So kann ein PKW bei plötzlich einsetzendem Glatteis über das ESP-Stabilisierungssystem andere Autofahrer warnen, ohne dass der Fahrzeugführer etwas davon merkt. Salzstreudienste ermitteln statistisch aus solchen Gefahrenstellen nicht nur Straßenzüge, die sie schnell bedienen müssen, sondern auch Gegenden, an denen sie tendenziell zu viel Salz streuen. Ein havariertes Fahrzeug setzt automatisch einen eCall ab, den nicht nur die Polizei, sondern auch Autos in der Nähe per Car2x übermittelt bekommen. Der Regensensor in Kombination mit hoher Scheibenwischerfrequenz schickt entsprechende Daten an alle in der Umgebung. Auch eine manuelle Eingabe durch den Fahrer ist möglich, etwa wenn er Pferde in Autobahnnähe oder Nebel aufziehen sieht.

Car2x wird seit Ende der 2010er Jahre in beiden Varianten (WLAN und Mobilfunk) als Zusatzpaket für fast alle Automobiltypen angeboten. Die Feldversuche waren weitgehend erfolgreich. Laut den Herstellern werden in keinem Fall persönliche Daten übertragen. Gegen Missbrauch, etwa durch mutwillige Falschmeldungen eines Fahrers, versuchen sich die Systeme durch Plausibilitäs-Algorithmen in der die Daten verarbeitenden Cloud abzusichern.

Häufig wird Car2x in einem Atemzug mit dem autonomen Fahren genannt, hat damit aber nur eingeschränkt etwas zu tun: Autonom fahrende Autos benötigen eine Vielzahl von Umweltdaten, wo die kleinen Datenmengen von Car2x eine geringe Rolle spielen. Car2x überträgt zum Beispiel keine Videos, während autonomes Fahren stark auf Videos und andere bildgebenden Verfahren aufbaut.

Die Car2x-Kommunikation stärkt Sicherheitssysteme wie Auffahrschutz, Spurhalteassistent und die Überwachung des toten Winkels, Auffahrwarnung (mit Bremsleuchten), Kreuzungsassistent, Einsatzfahrzeugmelder, Baustellenwarner und Möglichkeiten für das Platooning (Kolonnenbildung).

Ein Bericht der US-amerikanischen National Highway Traffic Safety Administration (NHTSA) listet die Anwendungen auf, die im Rahmen der US-europäischen Standardisierung (ETSI) geplant sind.[4][5][6] Frühere Anwendungsbeispiele legten den Schwerpunkt auf Effizienz und Verkehrssicherheit.[7]

Technologie-Übersicht[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

802.11p[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zweckgebundene Nahbereichskommunikation (DSRC). Die ursprüngliche Form nutzt WLAN-Technologie zwischen den Fahrzeugen, die dem Fahrzeug-Ad-hoc-Netz der in der Reichweite des WLANs der anderen sich befindenden Teilnehmer angehören. Da keine Infrastruktur erforderlich ist, ist diese Technik geeignet, zur Verkehrssicherheit in strukturschwachen Gebieten beizutragen. WLAN eignet sich für diese Anwendung auf Grund seiner kurzen Verzögerungszeiten wegen der kurzen Steuersequenzen und der daher geringen Datenmenge.[W 1] Die Funktechnik ist für die USA in den „IEEE 802.11“-Regeln definiert. In Europa als ITS-G5.[8]

3GPP (C-V2X)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Andere Car2x-Lösungen nutzen Mobilfunknetze, die als Cellular V2X (oder C-V2X) bezeichnet werden. Dies erleichtert die Unterscheidung von anderen Technologien. Zahlreiche Organisationen der Industrie, wie die 5G Automotive Association (5GAA), werben für die Nutzung von C-V2X, weil es gegenüber dem WLAN-basierten Standard gewisse Vorteile aufweisen soll.[9] C-V2X wurde ursprünglich als LTE der Version 14 der 3GPP definiert.

Neben den erwähnten Vorteilen können auch diverse Probleme beobachtet werden. Beispielsweise der nicht koordinierte Kanalzugriff „semi persistent scheduling“ im C-V2X Netzwerk erfordert komplexere und fehleranfälligere Algorithmen[10] als das bereits bewährte CSMA/CA, welches von der DSRC basierten Car2X Version verwendet wird.

Mit der Version 16 wurde die Funktionalität auf die Unterstützung des 5G-Standards erweitert. Eine Eigenschaft von C-V2X ist, dass es, verbunden mit höheren Kosten, auf- und abwärts kompatibel gestaltet ist.

Im Fahrzeug selbst läuft die Vernetzung über die sogenannte PC5-Schnittstelle.[11][12][L 1] Neben der Kommunikation über die PC5-Schnittstelle ermöglicht C-V2X die reguläre Kommunikation über die Uu-Schnittstelle zur Basisstation des Funknetzes.[L 2][13]

Anwendungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der VW Golf 8 wurde als erster PKW für V2X mit NXP-Technik ausgerüstet[14] und von Anwendern getestet[15].

Er benutzt die auf 802.11p basierende DSRC Technologie aufgrund der besser verfügbaren Testsysteme[16].

Verbände[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kritik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Krtitisiert wird an Car2x, dass jeder Hersteller eigene Standards verwendet, die in vielen Fällen mit den Standards anderer Hersteller inkompatibel sind. Dadurch bleibt der Nutzen besagter vor Gefahren warnender, in Teilen lebensrettender Technologie sehr begrenzt.[17]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Dominik Di Vincenzo: C2X-Kommunikation: Auswirkung der Vernetzung von Fahrzeugen auf die Architektur und Kommunikationsanforderungen. Studienarbeit. (e-fellows.net stipendiaten-wissen; 1038) GRIN-Verl., [München] 2014, ISBN 978-3-656-84037-4.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • WLAN
  1. WLAN überträgt CAM (Cooperative Awareness Messages), Decentralised Environmental Notification Messages (DENM) or Basic Safety Message (BSM)
  • LTE
  1. Die Bezeichnung PC5 bezieht sich auf einen Referenzpunkt der genutzt wird, um mit anderen Nutzergeräten zu kommunizieren. In der In 3GPP RAN Spezifikation wird dieser als sidelink bezeichnet. die ursprüngliche Bestimmung dieses Punktes war es, Behörden in Katastrophenfällen die Nutzung von LTE zu ermöglichen.
  2. Uu ist ein Schnittstellen-Protokoll

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Kim Tingley: How to Make Cars Cooperate. In: The New York Times. 9. November 2017, ISSN 0362-4331 (nytimes.com [abgerufen am 15. Februar 2020]).
  2. C-V2X ebnet den Weg hin zu 5G für autonomes Fahren. Abgerufen am 19. August 2018.
  3. WLANp. Abgerufen am 15. Februar 2020.
  4. NHTSA: Vehicle-to-Vehicle Communications: Readiness of V2V Technology for Application. (PDF; 4,92 MB) National Transportation Library, August 2014, abgerufen am 10. November 2023 (englisch).
  5. ETSI TR 102638 Intelligent Transport Systems (ITS); Vehicular Communications; Basic Set of Applications; Definitions. (PDF) Abgerufen am 20. August 2018 (englisch).
  6. SAE J2945/x family of standards. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar); abgerufen am 20. August 2018 (englisch).
  7. Xiao-Feng Xie, Zun-Jing Wang: SIV-DSS: Smart in-vehicle decision support system for driving at signalized intersections with V2I communication. In: Transportation Research Part C. Band 90, 2018, S. 181–197, doi:10.1016/j.trc.2018.03.008.
  8. EN 302 663 Intelligent Transport Systems (ITS); Access layer specification for Intelligent Transport Systems operating in the 5 GHz frequency band. (PDF) Abgerufen am 20. August 2018 (englisch).
  9. The Case for Cellular V2X for Safety and Cooperative Driving. (PDF) Abgerufen am 20. August 2018.
  10. So-Yi Jung, Hye-Rim Cheon, Jae-Hyun Kim: Reducing Consecutive Collisions in Sensing Based Semi Persistent Scheduling for Cellular-V2X. Hrsg.: 2019 IEEE 90th Vehicular Technology Conference (VTC2019-Fall) : proceedings : Honolulu, Hawaii, USA, 22-25 September 2019. Piscataway, NJ, ISBN 978-1-72811-220-6.
  11. Dino Flore: Initial Cellular V2X standard completed. 26. September 2016, abgerufen am 20. August 2018 (englisch).
  12. LTE V2X Communication – Scenario and OAI Roadmap. (PDF) S. 6, abgerufen am 20. August 2018 (englisch).
  13. Uu interface protocol stack. Abgerufen am 20. August 2018 (englisch).
  14. Sam Abue lsamid: Volkswagen Adds ‘Vehicle-To-Everything’ Communications To Revamped Golf With NXP Chips. Forbes, abgerufen am 31. März 2020 (englisch).
  15. Elektronik automotive (Hrsg.): ADAC testet C2X mit pWLAN. April 2020.
  16. V2X Testing Solutions. In: S.E.A Datentechnik GmbH. Abgerufen am 28. August 2020.
  17. Isabella Kroth: Sicherheitssysteme im Auto: Lebensrettende Technologie mit Mängeln. tagesschau.de-Internetportal (ARD Tagesschau), 8. Juli 2023