Charles Tournemire

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Charles Tournemire, 1910

Charles Arnaud Tournemire (* 22. Januar 1870 in Bordeaux; † 4. November 1939 in Arcachon) war ein französischer Organist und Komponist.

Leben[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Charles Tournemire absolvierte in Paris seine musikalischen Studien bei César Franck (Orgel und Kontrapunkt), Charles-Marie Widor (Orgel), Vincent d’Indy (Komposition) und A. Toudou (Harmonielehre). Seit 1898 hatte er die Organistenstelle an der Pariser Kirche Ste-Clotilde inne; seine dortigen Amtsvorgänger waren die bekannten Organisten César Franck und Gabriel Pierné gewesen. 1919 wurde Tournemire Professor für Kammermusik am Conservatoire de Paris.

Werk[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zu seinen Lebzeiten gründete sich Tournemires Ruf vor allem auf seine Qualitäten als hervorragender Orgelspieler und -improvisator. Heute ist er vor allem durch seine acht Orchestersymphonien im Gedächtnis geblieben, hinzu kommt sein umfangreiches Werk L’Orgue Mystique (op. 55–57). Hier handelt es sich um einen Kompositionszyklus, der für jeden Sonntag im Jahreskreis fünf an die katholische Liturgie gebundene Stücke enthält, die von den entsprechenden gregorianischen Melodielinien inspiriert sind und mit flexibler Agogik interpretiert werden müssen. Aufgrund der engen Bindung an die Liturgie werden sie kaum in Konzerten gespielt. Bemerkenswert ist auch der Symphonie-Choral op. 69 für Orgel, der monothematisch angelegt ist und eine sehr komplexe, teilweise polytonale Tonsprache aufweist. Dieses Werk sowie die Symphonie sacrée zeugen von dem tief empfundenen mystischen Katholizismus Tournemires.

Der Komponist besaß ein kleines Haus auf der einsamen, sturmgepeitschten französischen Westküsten-Insel Ouessant, wo er sich gerne aufhielt. Dort, unter dem Eindruck des Tobens der Elemente, wurde er zu seinen visionären Orgelwerken inspiriert. Gerne hielt sich Tournemire in der Abtei von Solesmes und der Kathedrale von Amiens auf. Von seinen Zeitgenossen wurde er als temperamentvoll und unberechenbar beschrieben. Alle Musik, die nicht zur Verherrlichung Gottes komponiert wurde, erschien ihm sinnlos. Tournemire war auch ein berühmter Improvisator mit außergewöhnlicher Erfindungskraft, Inspiration und visionärem Ausdruck. Die Improvisation über Victimae paschali laudes, die auf Schallplatte aufgezeichnet wurde, gibt Zeugnis von seinen Fertigkeiten. Bis heute wird das Orgelwerk Tournemires zumindest in Deutschland kaum zu Gehör gebracht.

Neben seinen Orgelwerken sind auch die Douze Prélude-Poèmes für Klavier, angelegt als Meditationen über die Stationen des menschlichen Lebens, zu erwähnen. In diesem zyklischen Werk lotet Tournemire gekonnt die Resonanzen eines großen Konzertflügels aus. Tournemire schrieb ferner Opern und weitere Orchesterwerke.

Bekannte Schüler Tournemires waren Maurice Duruflé und Jean Langlais. Olivier Messiaen, dessen Stil in Tournemires Orchestersymphonien in Ansätzen bereits vorgeprägt erscheint, nannte ihn „den Meister der Arabeske“.

Werke (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Bühnenwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Nittetis, tragédie lyrique in drei Akten, Op. 30; Libretto nach Pietro Metastasio; 1905–1907; zwei Fassungen für Solisten, Chor und Orchester bzw. für Klavier und reduzierte Sängerbesetzung
  • Les Dieux sont morts, drame antique in zwei Akten, Op. 42; Libretto: Eugène Berteaux; 1910–1912
  • La Légende de Tristan, in drei Akten, Op. 53; Libretto: Albert Pauphilet; 1925–1926, Uraufführung 2022 am Theater Ulm[1]
  • Il poverello di Assisi, 5 épisodes lyriques, Op. 73; Libretto: Joseph Péladan; 1937–1939

Orchesterwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Sinfonie Nr. 1, Op. 18 „Romantique“
  • Sinfonie Nr. 2, Op. 36 „Ouessant“
  • Sinfonie Nr. 3, Op. 43 „Moscou“, 1912–1913
  • Sinfonie Nr. 4, Op. 44 „Pages symphoniques“
  • Sinfonie Nr. 5, Op. 47
  • Sinfonie Nr. 6, Op. 48 für Tenor, Chor, Orgel und Orchester
  • Sinfonie Nr. 7, Op. 49 „Les danses de la vie“
  • Sinfonie Nr. 8, Op. 51 „Le triomphe de la mort“

Orgelwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • L’orgue mystique:
    • Le Cycle de Noël, Op. 55
    • Le Cycle de Pâques, Op 56
    • Le Cycle après la Pentecôte, Op. 57
  • Sortie, Op. 3
  • Pièce symphonique, Op. 16
  • Triple Choral, Op. 41
  • Choral-Poèmes pour les sept Paroles du Christ, Op. 67
  • Symphonie sacrée, Op. 71
  • Deux Fresques symphoniques sacrées, Op. 75/76
  • Cinq Improvisations, reconstituées par Maurice Duruflé

Harmoniumwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Petites fleures musicales, Op. 66

Klavierwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Cloches de Châteauneuf-du-Faou, Op. 62

Diskografie (Auswahl)[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Orchesterwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Sinfonien 1, 2, 3, 4, 5, 7 und 8[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Moscow Symphony Orchestra – Antonio de Almeida (1994–1995)

Sinfonie Nr. 6[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Orchestre Philharmonique de Liège, Chœur Symphonique de Namur, Chœur Polyphonia de Bruxelles – Pierre Bartholomée

Sinfonien Nr. 3 und Nr. 7[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Orchestre Philharmonique de Liège et de la Communauté Francaise, Ltg: Pierre Bartholomée 2CD AUVIDIS V 4794

Orgelwerke[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

L’orgue mystique[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Georges Delvallée – komplett
  • Sandro R. Müller – komplett (Cybele)
  • Harald Feller – Nr. 3, 7, 17, 23 mit gregorianischen Gesängen (Ars Musici)
  • Harald Feller – Nr. 25, mit Messiaen und Durufle

Einzelnachweis[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Opernkritik concerti.de, 15. Dezember 2022

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Peter Ewers: Charles Tournemire: Aspekte zu Leben und Werk. Verlag Peter Ewers, Paderborn 2003, ISBN 3-928243-17-9.
  • Martin Geisz: César Franck und Charles Tournemire: Kompositionen für Sonntagsgottesdienst und Vesper aus Ste. Clotilde in Paris. Berlin 2023.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

VorgängerAmtNachfolger
Gabriel PiernéTitularorganist der Kirche Sainte-Clotilde et Sainte Valère
1898–1939
Flor Peeters