Collectio Anselmo dedicata

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Die Collectio Anselmo dedicata (lat. „Die Anselm gewidmete Sammlung“) ist eine umfangreiche kanonische Sammlung, die im späten 9. Jahrhundert in Norditalien entstand. Der unbekannte Kompilator widmete sein Werk dem Erzbischof Anselm II. von Mailand, in dessen Pontifikat (882–896) die Sammlung demnach abgeschlossen wurde. Die Anselmo dedicata ist nach Rechtsmaterien in zwölf Bücher geteilt und enthält neben echten Dekretalen und Konzilsbeschlüssen auch viele Pseudoisidorische Fälschungen und Auszüge aus dem Römischen Recht.

Quellen, Gliederung, Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beginn des Hauptteils der Collectio Anselmo dedicata in Bamberg, Staatsbibliothek, Msc.Can.5, fol. 4r.

Die Sammlung enthält über 2000 Kanones und gehört damit zu den umfangreichsten kanonischen Sammlungen des Mittelalters. Die meisten Texte stammen aus Dekretalen, auffällig viele sind dem römischen Recht entnommen; die Bibel, Konzilsbeschlüsse oder patristische Werke sind hingegen nur in geringem Maße berücksichtigt. Als Vorlagen, denen diese Materialien entnommen wurden, dienten unter anderem Pseudoisidor, die Epitome Iuliani und eine bestimmte Überlieferung des Registers der Briefe Gregors des Großen.

Die Sammlung ist nach Rechtsmaterien in zwölf Bücher geteilt, die ihrerseits nach Rechtsquellen in jeweils zwei oder drei Abschnitte unterteilt sind, nämlich erstens Dekretalen (und wenige Konzilsbeschlüsse), zweitens Briefe Gregors des Großen und in manchen Büchern noch drittens römisches Recht.

Besonders viele Kanones widmen sich der kirchlichen Hierarchie, d. h. den Rechten des Papstes, der Patriarchen, Metropoliten, Diözesanbischöfe und Chorbischöfe sowie der Bedeutung des Palliums. Die Rechte der römischen Kirche und der Metropoliten werden ausführlich dargestellt, zu den Chorbischöfen hingegen versammelt die Anselmo dedicata Kanones, die ihre Rechte begrenzen. Ebenfalls ungewöhnlich für eine lateinische Rechtssammlung sind die vielen Kanones, die die griechische Christenheit betreffen. Hingegen sind das Eherecht und andere Laien betreffende Themen nicht oder nur sehr knapp behandelt.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Aus dem Mittelalter sind sechs vollständige Handschriften erhalten, die nördlich und südlich der Alpen entstanden, dazu kommen eine unvollständige, vier nur fragmentisch erhaltene und eine 1944 verbrannte Handschrift sowie sechs moderne Abschriften mittelalterlicher Kodices. Diese Überlieferung spricht dafür, dass die Anselmo dedicata relativ weit verbreitet war. Anfang des 11. Jahrhunderts benutzte unter anderem Burchard von Worms die Anselmo dedicata für seine eigene Sammlung, den Liber decretorum. Die Verwendung der Sammlung lässt sich bis ins 12. Jahrhundert nachweisen, unter anderem bei Bernhard von Pavia.

Editionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt keine vollständige gedruckte Ausgabe. Jean Claude Besse hat 1959 das Vorwort sowie das erste Buch ediert und 1960 Incipit und Explicit aller Kanones abgedruckt (jeweils nach Paris, BnF, lat. 15392); Giuseppe Russo hat die römischrechtlichen Texte der Anselmo dedicata (nach Modena, Biblioteca capitolare, O. II. 2) ediert. Der Widmungsbrief wurde von Isolde Schröder 2022 kritisch ediert.

  • Jean Claude Besse (Hrsg.): Histoire des textes du droit de l’Église au Moyen-Age de Denys à Gratien: Collectio Anselmo dedicata: étude et texte, Paris 1960.
  • Jean Claude Besse: Collectionis “Anselmo dedicata” liber primus. In: Revue de Droit canonique 9 (1959) 207–296.
  • Giuseppe Russo (Hrsg.): Tradizione manoscritta di Leges romanae nei codici dei secoli IX e X della Biblioteca capitolare di Modena, Modena 1980.
  • Isolde Schröder (Hrsg.): Epistolae variorum (MGH Epp. 9), 163–166, Nr. 74.

Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Robert Somerville, Bruce Clark Brasington: Prefaces to Canon Law Books in Latin Christianity: Selected Translations, 500–1317 . 2. Auflage. Catholic University of America Press, Washington 2020, S. 81–83. [Widmungsbrief]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Linda Fowler-Magerl: Clavis Canonum: Selected Canon Law Collections Before 1140: Access with Data Processing (= MGH. Hilfsmittel. Band 21). Hahn, Hannover 2005, ISBN 3-7752-1128-4, S. 70–74.
  • Lotte Kéry: Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400–1140): A Bibliographical Guide to the Manuscripts and Literature (= History of Medieval Canon Law). Catholic University of America Press, Washington, D.C. 1999, ISBN 0-8132-0918-8, S. 124–128 (google.de [abgerufen am 12. März 2023]).

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]