Collectio Tripartita

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Die Collectio Tripartita ist eine kanonische Sammlung, die nach ihrer Gliederung in drei Teile benannt ist. Die ersten beiden Teile der anonymen Sammlung entstanden zwischen 1091 und 1095 in Nordfrankreich; der dritte Teil wurde etwas später (nach 1095, vielleicht in Chartres) hinzugefügt. Die Sammlung war weit verbreitet und zählt zu den Vorlagen des Decretum Gratiani.

Quellen, Fassungen, Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Sammlung enthält über 2500 Kanones, die aus sehr unterschiedlichen Rechtsquellen stammen, von denen einige um 1100 sonst nur sehr selten zitiert wurden (z. B. Auszüge aus den Digesten, den Beschlüssen des Quinisextum und verschiedene Väterstellen). Der erste Teil enthält vor allem gefälschte und echte Dekretalen (von Clemens I. bis Urban II.) der zweite Teil Beschlüsse von Konzilien (von Nicäa I bis Toledo VIII) sowie patristisches Material, der dritte Teil enthält Rechtsquellen unterschiedlichster Art. Während der erste und zweite Teil überwiegend chronologisch geordnet sind, ist der dritte Teil der Sammlung nach Rechtsmaterien in 29 größere Abschnitte eingeteilt. Zu den wichtigsten Vorlagen, die zur Erstellung der Tripartita dienten, gehörten die Pseudoisidorischen Fälschungen, die Collectio Britannica und der Quadripartitus. Das Vorwort, das sich in den Handschriften findet, ist ebenfalls aus einer älteren Sammlung (der Collectio Brugensis) übernommen; die enthaltenen Bezüge auf die folgende Sammlung passen daher nur teilweise auf die Tripartita.[1]

Die ersten beiden Teile werden in der Forschung zusammen als „Tripartita A“ bezeichnet, der dritte Teil als „Tripartita B“, seit Paul Fournier nachweisen konnte, dass die ersten beiden Teile eine Weile lang (vor ca. 1095) als selbständige Sammlung existiert haben mussten, bevor der dritte Teil hinzugefügt wurde.[2] Wie Fournier nachwies, ist Tripartita A dabei eine der Vorlagen des Decretum des Ivo von Chartres, während Tripartita B ein Auszug aus dieser Sammlung ist. Aufgrund dieser engen Verbindung wird teilweise vermutet, dass Ivo die Tripartita kompiliert habe, ein sicherer Beweis steht aber aus; für Teil A gilt Ivos Autorschaft als sehr unwahrscheinlich.[3]

Die Forschung unterscheidet zwei Fassungen der Sammlung, die vermutlich bald nach Zusammenfügung der beiden Teile entstanden. Die zweite Fassung enthält etwas mehr Material und bietet durch zusätzliche Überschriften, Inhaltsverzeichnisse und ähnliche Elemente einen besseren Überblick über die sehr große Zahl der Kanones.

Rezeption[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Tripartita hatte sowohl selbständig als auch als Quelle anderer Sammlungen großen Einfluss. Etwa 30 erhaltene Handschriften belegen, dass die Sammlung an vielen Orten Westeuropas benutzt wurde, und kurz nach 1100 war sie auch in Osteuropa bekannt. Zu den wichtigsten Sammlungen, die von der Tripartita abhängig sind, gehören das Decretum Ivos von Chartres und das Decretum Gratiani.

Editionen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Es gibt keine gedruckte Edition der Tripartita. Martin Brett bereitet gemeinsam mit mehreren Mitarbeitern eine kritische Edition vor, deren Arbeitstext online verfügbar ist und in der Forschung genutzt und zitiert wird:

Übersetzungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Robert Somerville, Bruce Clark Brasington: Prefaces to Canon Law Books in Latin Christianity: Selected Translations, 500–1317 . 2. Auflage. Catholic University of America Press, Washington 2020, S. 111–113. [Vorwort zur Collectio Brugensis, das aber mit der Tripartita überliefert wird.]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Martin Brett: Urban II and the Collections Attributed to Ivo of Chartres. In: Stanley A. Chodorow (Hrsg.): Proceedings of the Eighth International Congress of Medieval Canon Law: San Diego, University of California at La Jolla, 21–27 August 1988 (= Monumenta iuris canonici. Subsidia. Band 9). Biblioteca Apostolica Vaticana, Città del Vaticano 1992, S. 27–46.
  • Linda Fowler-Magerl: Clavis Canonum: Selected Canon Law Collections Before 1140: Access with Data Processing (= MGH. Hilfsmittel. Band 21). Hahn, Hannover 2005, ISBN 3-7752-1128-4, S. 188–191.
  • Lotte Kéry: Canonical Collections of the Early Middle Ages (ca. 400–1140): A Bibliographical Guide to the Manuscripts and Literature (= History of Medieval Canon Law). Catholic University of America Press, Washington, D.C. 1999, ISBN 0-8132-0918-8, S. 244–250 (google.de [abgerufen am 12. März 2023]).
  • Przemysław Nowak: The Manuscripts of the Collectio Tripartita in Poland. In: Bruce Clark Brasington, Kathleen Grace Cushing (Hrsg.): Bishops, Texts and the Use of Canon Law around 1100: Essays in Honour of Martin Brett (= Church, Faith, and Culture in the Medieval West). Ashgate, Aldershot 2008, S. 91–109.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Martin Brett: Urban II and the Collections Attributed to Ivo of Chartres. In: Stanley A. Chodorow (Hrsg.): Proceedings of the Eighth International Congress of Medieval Canon Law: San Diego, University of California at La Jolla, 21–27 August 1988 (= Monumenta iuris canonici. Subsidia. Band 9). Biblioteca Apostolica Vaticana, Città del Vaticano 1992, S. 27–46.
  2. Paul Fournier: Les collections attribuées à Yves de Chartres. In: Bibliothèque de l’École des Chartes. Band 57, 1896, S. 645–698 (persee.fr [abgerufen am 15. Oktober 2022]).
  3. Christof Rolker: Canon Law and the Letters of Ivo of Chartres (= Cambridge Studies in Medieval Life and Thought, Fourth Series. Band 76). Cambridge University Press, Cambridge 2010, ISBN 978-0-521-76682-1, S. 160–161, doi:10.1017/CBO9780511674709 (cambridge.org [abgerufen am 12. Juli 2022]).