Cortisolaufwachreaktion

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Die Cortisol-Aufwachreaktion (kurz: CAR = Cortisol awakening response) findet direkt nach dem Aufwachen am frühen Morgen statt und lässt die Konzentration von dem Hormon Cortisol im Blut und Speichel bei gesunden Menschen um etwa 50 – 156 % ansteigen.[1] Die Bedeutung der Cortisol-Aufwachreaktion ist noch nicht eindeutig wissenschaftlich geklärt, man nimmt aber an, dass Cortisol die Energiereserven im Körper mobilisiert, um den Stoffwechsel auf den bevorstehenden Tag und möglichen Stress vorzubereiten.

Unmittelbar nach dem Erwachen beginnt die Ausschüttung des Hormons Cortisol, die nach 30–45 min. ihren Höhepunkt erreicht.[1]

Definition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Kurz nach dem Erwachen steigt die Konzentration von Cortisol um etwa 50 – 156 % im Blut und Speichel an. Dies tritt bei jedem Menschen unabhängig von seinem Alter auf, wobei die Höhe des Anstiegs variieren kann. Der Hypothalamus empfängt einen Reiz, der ihn dazu veranlasst CRF (Corticotropin Releasing Faktor) auszuschütten. Dies signalisiert der Hypophyse, den Botenstoff ACTH (Adrenocorticotropin) freizusetzen und die Nebennierenrinde zur Cortisolausschüttung anzuregen.[2] Die Cortisol-Aufwachreaktion erreicht 30 bis 45 Minuten nach dem Erwachen ihren Höhepunkt.[3][4][5]

Die höchste Cortisol-Ausschüttung findet im zweiten Teil der Nacht statt, die dann wiederum am frühen Morgen auftritt. Danach sinkt der Cortisol-Spiegel im Tagesverlauf bis zum niedrigsten Wert während der ersten Hälfte der Nacht. Die Cortisol-Aufwachreaktion unterliegt einem zirkadianen Rhythmus.[6][7][8][9] Eine Cortisol-Reaktion kann aber auch durch andere Faktoren oder Krankheiten ausgelöst werden und u. U. einer medizinischen Behandlung bedürfen.[10][11] Dies kann durch mehrere Faktoren beeinflusst werden, insbesondere durch Stress, Traumata, Schwangerschaft, Übergewicht, Schockzustände, sowie durch verschiedene Erkrankungen.[12][13][14][15][16]

Einflüsse auf die Cortisol-Aufwachreaktion[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Schlaf[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Der Faktor Schlaf spielt für die Cortisol-Aufwachreaktion eine wichtige Rolle: Ist die Schlafdauer zu kurz oder ist der Schlaf nicht erholsam, hat dies negative Auswirkungen auf die Ausschüttung von Cortisol und die Cortisol-Aufwachreaktion. Zudem gibt es noch weitere Faktoren, deren Einfluss auf die Cortisol-Aufwachreaktion nachgewiesen wurde:

  • Schichtarbeit: Krankenschwestern, die an den Morgenschichten mit sehr frühem Erwachen (zwischen 4:00 und 5:30 Uhr) arbeiteten, hatten eine größere und verlängerte Cortisol-Aufwachreaktion als diejenigen, die in der späten Tagesschicht (zwischen 6:00 und 9:00 Uhr) oder der Nachtschicht (zwischen 11:00 Uhr und 2:00 Uhr) arbeiteten. Eine weitere Studie stellte jedoch fest, dass diese größere Ausschüttung an Cortisol auf eine erhöhte Belastung und beeinträchtigte Schlafqualität vor Schichtwechsel zurückzuführen war („Wenn diese Faktoren berücksichtigt wurden, war der Unterschied in der Cortisol-Aufwachreaktion im Zusammenhang mit dem experimentellen Zustand nicht mehr signifikant“, aus: Kudielka & Kirschbaum (2017)[17]).
  • Nickerchen: Studenten, die in den frühen Abendstunden (zwischen 18:45 und 20:30 Uhr) ein Nickerchen machten, hatten keine Cortisol-Aufwachreaktion, was darauf hindeutet, dass die Reaktion erst nach dem Nachtschlaf auftritt.[18]
  • Aufwachen bei Licht: Cortisol-Aufwachreaktion ist größer, wenn die Menschen bei Licht aufwachen statt in Dunkelheit.[19][20]
  • Lärm: Die Cortisol-Aufwachreaktion ist nach einer nächtlichen Exposition gegenüber Verkehrslärm oder niederfrequentem Lärm (ca. 40 dB L(A)eq.)[21][22][23] signifikant vermindert.[24]
  • Wecken durch einen Wecker oder spontanes Erwachen: Es gibt keinen Unterschied zwischen Tagen, an denen ein Mensch spontan aufwacht oder durch einen Wecker geweckt wurde.[3]
  • Schmerzmittel, Hormonpräparate: manche Medikamente unterdrücken die Cortisolausschüttung, indem sie einen negativen Einfluss auf die ACTH Ausschüttung der Hypophyse besitzen.[25]

Psychologische Faktoren[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Frühaufsteher zeigen eine größere Cortisol-Aufwachreaktion als Spätaufsteher.[26]
  • Erschöpfung: hemmt die nächtliche Ausschüttung von Cortisol und die Cortisol-Aufwachreaktion fällt geringer aus.[27]
  • Schmerzen: je stärker die Schmerzen, desto geringer fällt die nächtliche Ausschüttung von Cortisol und die Cortisol-Aufwachreaktion aus.[28]
  • Sozioökonomische Faktoren, sozialer Status und materieller Lebensstandard: Je besser diese Bedingungen sind, desto geringer fällt die Cortisol-Aufwachreaktion aus.[29][30]

Stress[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Cortisol-Aufwachreaktion fällt für diejenigen größer aus, die:

  • an einem normalen Arbeitstag aufwachen statt an einem Urlaubstag,[31]
  • früher aufstehen,[26]
  • unter akutem Stress leiden, z. B. Prüfungen an der Schule oder Universität,[1]
  • unter starker Arbeitsbelastung oder Überforderung leiden.[32]
  • Burn-out-Syndrom: Lehrer, die unter hoher Stressbelastung litten, wiesen einen hohen Cortisolanstieg auf, wohingegen Lehrer mit Burn-Out-Symptomen eine verringerte Cortisolausschüttung aufwiesen.[33]

Verschiedene Alltagssituationen sind mit Stress verbunden: Je heftiger das Stresspensum, desto höher die Cortisol-Ausschüttung. Wird keine Lösung für den Stressfaktor gefunden, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass die ständige Ausschüttung von Cortisol die Gesundheit beeinträchtigen und schädigen kann, z. B. durch einen Herzinfarkt.[34]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c Tobias Stalder, Clemens Kirschbaum, Brigitte M. Kudielka, Emma K. Adam, Jens C. Pruessner: Assessment of the cortisol awakening response: Expert consensus guidelines. In: Psychoneuroendocrinology. Band 63, S. 414–432, doi:10.1016/j.psyneuen.2015.10.010 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  2. Bernhard Kleine, Winfried Rossmanith: Hormone und Hormonsystem – Lehrbuch der Endokrinologie. Springer Spektrum; Heidelberg – Berlin 2013, ISBN 978-3-642-37091-5.
  3. a b Stefan Wüst, Jutta Wolf, Dirk H. Hellhammer, Ilona Federenko, Nicole Schommer: The cortisol awakening response – normal values and confounds. In: Noise & Health. Band 2, Nr. 7, 2000, ISSN 1463-1741, S. 79–88, PMID 12689474.
  4. A. Steptoe, B. Serwinski: Chapter 34 – Cortisol Awakening Response. Stress: Concepts, Cognition, Emotion, and Behavior. Handbook of Stress, Series Volume 1, Academic Press, London – Oxford – Boston –New York – San Diego 2016, Pages 277–283, ISBN 978-0-12-801137-9.
  5. Günther K. Stalla: Kortisol. Regulation und Substitution. Deutsche Gesellschaft für Endokrinologie e.V. Hormone & Stoffwechsel. (PDF 1,2 MB).
  6. Expertise – Methode: Cortisol Awakening Response (CAR). daacro Contract Research, Trier, abgerufen am 21. August 2017 (Archiv).
  7. J. Hellhammer, E. Fries, O.W. Schweisthal, W. Schlotz, A.A. Stone, D. Hagemann: Several daily measurements are necessary to reliably assess the cortisol rise after awakening: State and trait components. Psychoneuroendocrinology 2007 (32): p. 80–86, doi:10.1016/j.psyneuen.2006.10.005.
  8. Yoichi Chida, Andrew Steptoe: Cortisol awakening response and psychosocial factors: A systematic review and meta-analysis. Review. Biological Psychology Volume 80, Issue 3, March 2009, Pages 265–278, doi:10.1016/j.biopsycho.2008.10.004.
  9. Angela Clowa, Frank Hucklebridge, Tobias Stalder, Phil Evans, LisaThorna: The cortisol awakening response: More than a measure of HPA axis function. Review. Neuroscience & Biobehavioral Reviews, Volume 35, Issue 1, September 2010, Pages 97–103, doi:10.1016/j.neubiorev.2009.12.011.
  10. DocCheck Flexikon: Cortisol. (Archiv).
  11. Jörg Braun, Dirk Müller-Wieland: Basislehrbuch Innere Medizin. Urban & Fischer Verlag / Elsevier GmbH, München – Jena 2017, ISBN 978-3-437-41115-1.
  12. Dunja Voos: Cortisol: Das Stresshormon. Cortisol ist ein körpereigenes Hormon, das an vielen Stoffwechselvorgängen beteiligt ist und bei Stress vermehrt freigesetzt wird. Apotheken-Umschau, 30. März 2017 (Archiv).
  13. Bessel A. van der Kolk: Psychische Folgen traumatischer Erlebnisse: Psychologische, biologische und soziale Aspekte von PTSD. Institut für Traumatherapie. (Archiv)
  14. Ellen R. Klaassens, Erik J. Giltay, Pim Cuijpers, Tineke van Veen, Frans G. Zitman: Adulthood trauma and HPA-axis functioning in healthy subjects and PTSD patients: A meta-analysis. Review. Psychoneuroendocrinology Volume 37, Issue 3, March 2012, Pages 317–331, doi:10.1016/j.psyneuen.2011.07.003.
  15. Michèle Wessa, Nicolas Rohleder, Clemens Kirschbaum, Herta Flora: Altered cortisol awakening response in posttraumatic stress disorder. Psychoneuroendocrinology, Volume 31, Issue 2, February 2006, Pages 209–215, doi:10.1016/j.psyneuen.2005.06.010.
  16. Saskia van Liempt, Johan Arends, Pierre J.M. Cluitmans, Herman G.M. Westenberg, René S. Kahn, Eric Vermetten: Sympathetic activity and hypothalamo-pituitary–adrenal axis activity during sleep in post-traumatic stress disorder: A study assessing polysomnography with simultaneous blood sampling. Psychoneuroendocrinology, Volume 38, Issue 1, January 2013, Pages 155–165, doi: 10.1016/j.psyneuen.2012.05.015.
  17. B.M. Kudielka, C. Kirschbaum: Awakening cortisol responses are influenced by health status and awakening time but not by menstrual cycle phase. In: Psychoneuroendocrinology. Band 28, Nr. 1, S. 35–47, doi:10.1016/s0306-4530(02)00008-2 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  18. I. Federenko, S. Wüst, D.H. Hellhammer, R. Dechoux R. Kumsta, C. Kirschbaum: Free cortisol awakening responses are influenced by awakening time. In: Psychoneuroendocrinology. Band 29, Nr. 2, S. 174–184, doi:10.1016/s0306-4530(03)00021-0 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  19. Frank A. Scheer, Ruud M. Buijs: Light Affects Morning Salivary Cortisol in Humans. In: The Journal of Clinical Endocrinology & Metabolism. Band 84, Nr. 9, 1. September 1999, ISSN 0021-972X, S. 3395–3398, doi:10.1210/jcem.84.9.6102 (oup.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  20. L. Thorn, F. Hucklebridge, A. Esgate, P. Evans, A. Clow: The effect of dawn simulation on the cortisol response to awakening in healthy participants. In: Psychoneuroendocrinology. Band 29, Nr. 7, S. 925–930, doi:10.1016/j.psyneuen.2003.08.005 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  21. dB L(A)eq = energieäquivalenter A-bewerteter Dauerschallpegel in dB. Der Immissionsgrenzwert gemäß DIN 18005 „Schallschutz im Städtebau“ beträgt für städtische Wohngebiete 40 dB L(A)eq.
  22. Gerhard Müller, Michael Möser: Akustische Messtechnik (Fachwissen Technische Akustik). Springer Vieweg, 2017, ISBN 978-3-662-55370-1.
  23. Lärmrelevanz und EU-Anforderungen: Erfordernisse, Abgrenzungs- und Anpassungsprozesse zum Lärmschutz (2007). Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung (BMVBS) und des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung (BBR).
  24. Kerstin Persson Waye, Angela Clow, Sue Edwards, Frank Hucklebridge, Ragnar Rylander: Effects of nighttime low frequency noise on the cortisol response to awakening and subjective sleep quality. In: Life Sciences. Band 72, Nr. 8, S. 863–875, doi:10.1016/s0024-3205(02)02336-6 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  25. Stuart Watson, Kate Horton, Samantha Bulmer, Jane Carlile, Ciaran Corcoran: Effect of aspirin on hypothalamic–pituitary–adrenal function and on neuropsychological performance in healthy adults: a pilot study. In: Psychopharmacology. Band 205, Nr. 1, 1. Juli 2009, ISSN 0033-3158, S. 151, doi:10.1007/s00213-009-1525-4 (springer.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  26. a b Brigitte M. Kudielka, Ilona S. Federenko, Dirk H. Hellhammer, Stefan Wüst: Morningness and eveningness: The free cortisol rise after awakening in “early birds” and “night owls”. In: Biological Psychology. Band 72, Nr. 2, S. 141–146, doi:10.1016/j.biopsycho.2005.08.003 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  27. Meena Kumari, Ellena Badrick, Tarani Chandola, Emma K. Adam, Mai Stafford: Cortisol secretion and fatigue: Associations in a community based cohort. In: Psychoneuroendocrinology. Band 34, Nr. 10, S. 1476–1485, doi:10.1016/j.psyneuen.2009.05.001 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  28. L.A. Fabian, L. McGuire, G.G. Page, B.R. Goodin, R.R. Edwards: The association of the cortisol awakening response with experimental pain ratings. In: Psychoneuroendocrinology. Band 34, Nr. 8, S. 1247–1251, doi:10.1016/j.psyneuen.2009.03.008 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  29. Caroline E. Wright, Andrew Steptoe: Subjective socioeconomic position, gender and cortisol responses to waking in an elderly population. In: Psychoneuroendocrinology. Band 30, Nr. 6, S. 582–590, doi:10.1016/j.psyneuen.2005.01.007 (elsevier.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  30. Nalini Ranjit, Elizabeth A. Young, George A. Kaplan: Material hardship alters the diurnal rhythm of salivary cortisol. In: International Journal of Epidemiology. Band 34, Nr. 5, 1. Oktober 2005, ISSN 0300-5771, S. 1138–1143, doi:10.1093/ije/dyi120 (oup.com [abgerufen am 25. August 2017]).
  31. Wolff Schlotz, Juliane Hellhammer, Peter Schulz, Arthur A. Stone: Perceived work overload and chronic worrying predict weekend-weekday differences in the cortisol awakening response. In: Psychosomatic Medicine. Band 66, Nr. 2, März 2004, ISSN 1534-7796, S. 207–214, PMID 15039505.
  32. A. Steptoe, M. Cropley, J. Griffith, C. Kirschbaum: Job strain and anger expression predict early morning elevations in salivary cortisol. In: Psychosomatic Medicine. Band 62, Nr. 2, März 2000, ISSN 0033-3174, S. 286–292, PMID 10772410.
  33. J. C. Pruessner, D. H. Hellhammer, C. Kirschbaum: Burnout, perceived stress, and cortisol responses to awakening. In: Psychosomatic Medicine. Band 61, Nr. 2, März 1999, ISSN 0033-3174, S. 197–204, PMID 10204973.
  34. Martina Melzer: Wie Stress dem Herz schadet. In: Apotheken Umschau vom: 7. November 2016. (apotheken-umschau.de [abgerufen am 23. August 2017], Archiv).