Dakryolith

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Klassifikation nach ICD-10
H04.5 Dakryolith, Rhino-Dakryolith, Dakryolithiasis
ICD-10 online (WHO-Version 2019)

Als Dakryolith (von altgriechisch δάκρυον dákryon, deutsch ‚Träne‘, und λίθος lithos ‚Stein‘), Tränenstein oder Tränengangstein, früher Ophthalmolith (von altgriechisch ὀφθαλμός ophthalmós ‚Auge‘), bezeichnet man feste Ablagerungen (Kalk-Konkremente) in den Tränenwegen. Sie treten beim Menschen vor allem im Alter zwischen 20 und 50 Jahren auf, Raucher sind besonders stark betroffen.[1] Die Erkrankung durch Tränensteine nennt man Dakryolithiasis, veraltet auch Lithiasis glandulae lacrimalis.[2]

Pathophysiologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In den meisten Fällen handelt es sich um Pilzknäuel von Vertretern der Gattung Candida oder um inkrustierte (kalkartige) Konglomerate von Bakterien (Streptomyces försteri[3] oder Actinomyces[4]). Gelegentlich bestehen die Tränensteine aus Zelltrümmern (Detritus) und Fibrin.[1] Die krankhafte Konkrementbildung in den Tränenwegen, auchVersteinerung (Petrifizierung), „entsteht durch Stauung, Eindickung und Verkalkung des Sekretes in den Ausführungsgängen der Tränendrüsen.“[5]

Häufigkeit[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Tränensteine treten in der Humanmedizin sehr selten auf. In der Tiermedizin sind sie extrem selten – es gibt lediglich Einzelfallberichte für Hund, Pferd und Schneeleopard. Bei letzterem bestand der Stein aus anorganischen Bestandteilen (vor allem Kalzium, Schwefel, Magnesium und Aluminium).[6]

Spülung des Tränennasengangs bei einer Katze

Symptomatik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Typische Symptome sind vermehrter Tränenfluss (Epiphora), schleimig-eitriger Augenausfluss (Blennorrhoe) sowie Schwellung und Schmerzen im inneren Augenwinkel. Die Symptome können periodisch auftreten, mit mehrwöchigen symptomfreien Zeiträumen. In 70 % der Fälle tritt eine rezidivierende Tränensackentzündung (Dakryozystitis[7]) als Folge der Obstruktion der Tränenwege auf;[8] eine Dakryozystitis anderer Ursache kann aber auch einen Dakryolithen hervorrufen.[9]

Diagnostik[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Durch die Dakryolithen kann es zu einem vollständigen oder partiellen Verschluss des Tränennasengangs kommen, der sich mittels Farbstoffen nachweisen lässt (Jones-Test). Die Diagnose lässt sich vor allem durch eine Dakryozystographie oder durch eine Tränenwegszintigraphie (Dakryozystoszintigraphie) sichern.[1] Man spricht dann von einer Dakryostenose oder von einer Tränengangstenose.[10]

Therapie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Beseitigung der Dakryolithen klappt meistens durch intensive Spülung. Hartnäckige Verlegungen müssen durch Erweiterung des Tränennasengangs mittels Ballonkatheter oder chirurgisch (Dakryozystorhinostomie, Dacryocystorhinostomia, Dakryostomie, Dakryorhinostomie oder Dakryorhinozystostomie) beseitigt werden.[1]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Im 19. Jahrhundert bezeichnete man jede „Verhärtung eines Theils im Auge oder des ganzen Augapfels“ als Ophthalmolithus. Der Tränenstein hieß Dacryolithus. Die Dacryolithiasis[11] nannte man auch Dacryolithiosis.[12] Im 20. Jahrhundert war ein Ophthalmolith dagegen eine „umschriebene Verkalkung oder Verknöcherung in der Aderhaut eines erblindeten und geschrumpften Auges, eventuell in Netzhaut und Glaskörper vordringend.“[13] Der Begriff Ophthalmolith wird im 21. Jahrhundert kaum noch verwendet.

Anmerkungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Früher wurden Augenkrankheiten mit sogenannten Augenwässern, aber auch mit Augenstein (wörtliche Übersetzung von Ophthalmolith) behandelt. Augenstein wurde hergestellt durch Schmelzen eines Gemisches aus Kupfervitriol, Alaun und Salpeter und Mischen der gepulverten bläulich-weißen Masse mit Campher. Dieses Medikament hieß Augenstein oder auch Cuprum aluminatum, Lapis divinus, Lapis ophthalmicus vel St. Yvesii und Kupferalaun.[14] Wenn man Zinkblende röstete, erhielt man den so genannten weißen Augenstein (Zincum sulfuricum crudum, roher Zinkvitriol, Galitzenstein oder weißer Galitzenstein) als Medikament bei Augenbindehautentzündungen und Hautkrankheiten sowie als ein Desinfektionsmittel.[15] Man behandelte also Augensteine mit Augenstein.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d F. Bigar et al.: Augenärztliche Operationen. Springer-Verlag, 3. Auflage, Berlin / Heidelberg 2013. ISBN 978-3-642-72939-3, S. 317.
  2. Otto Roth: Klinische Terminologie, 5. Auflage, von Hermann Gessler, Verlag von Arthur Georgi, Leipzig 1897, S. 128 f.
  3. Günter Thiele, Heinz Walter (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Verlag Urban & Schwarzenberg, Loseblattsammlung, München / Berlin / Wien 1967, 2. Ordner (Cargilesche Membran–E-Zelle), ISBN 3-541-84000-5, S. D 5.
  4. Maxim Zetkin, Herbert Schaldach: Lexikon der Medizin, 16. Auflage, Ullstein Medical, Wiesbaden 1999, ISBN 978-3-86126-126-1, S. 365.
  5. Julius Mahler: Kurzes Repetitorium der medizinischen Terminologie. 4. Auflage, Verlag von Johann Ambrosius Barth, Leipzig 1922, S. 59.
  6. M. Wiesner et al.: Dakryolithiasis bei einem Schneeleoparden (Uncia uncia): Fallbericht und Literaturübersicht. In: Wiener Tierärztliche Monatsschrift, Band 106, 2019, S. 189–104.
  7. Peter Reuter: Springer Klinisches Wörterbuch 2007/2008. Springer-Verlag, Heidelberg 2007, ISBN 978-3-540-34601-2, S. 380.
  8. Tinsley Randolph Harrison: Harrisons Innere Medizin. 20. Auflage, Georg Thieme Verlag, Berlin 2020, 1. Band, ISBN 978-3-13-243524-7, S. 224.
  9. Willibald Pschyrembel: Klinisches Wörterbuch, 269. Auflage, Verlag Walter de Gruyter, Berlin / Boston 2023, ISBN 978-3-11-078334-6, S. 356.
  10. Das MSD Manual. 6. Auflage, Urban & Fischer, München / Jena 2000, ISBN 3-437-21760-7, S. 859.
  11. Albert Eulenburg (Hrsg.): Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. 2. Auflage. 5. Band, Verlag Urban & Schwarzenberg, Wien / Leipzig 1886, S. 8.
  12. Ludwig August Kraus: Kritisch-etymologisches medicinisches Lexikon. 3. Auflage. Verlag der Deuerlich- und Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1844, S. 203 und 694. Digitalisat der Ausgabe von 1844, Internet Archive.
  13. Günter Thiele, Heinz Walter (Hrsg.): Reallexikon der Medizin und ihrer Grenzgebiete. Verlag Urban & Schwarzenberg, Loseblattsammlung, München / Berlin / Wien 1973, 5. Ordner (Mem–Rz), ISBN 3-541-84005-6, S. O 47.
  14. Wenzel Bernatzik: Kupferpräparate. In: Albert Eulenburg (Hrsg.): Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. 2. Auflage. 11. Band, Verlag Urban & Schwarzenberg, Wien / Leipzig 1887, S. 428–437.
  15. Wenzel Bernatzik: Zinkpräparate. In: Albert Eulenburg (Hrsg.): Real-Encyclopädie der gesammten Heilkunde. 2. Auflage. 21. Band, Verlag Urban & Schwarzenberg, Wien / Leipzig 1890, S. 511–521.