De computo

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De computo ist eine komputistische Schrift des fränkischen Gelehrten, späteren Abtes des Klosters Fulda und Erzbischofs von Mainz, Rabanus Maurus (etwa 780–856).

Entstehung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Entstehung des Werkes ist im weiteren Kontext der karolingischen Kirchen- und Bildungsreform zu sehen, die nicht zuletzt auf die Hebung des Bildungsniveaus des Klerus abzielte, um diesem die Erfüllung seiner geistlichen Pflichten zu ermöglichen.[1] Grundkenntnisse im Bereich der Komputistik waren für die Berechnung des korrekten Datums des Osterfestes unabdingbar. Die Forderung, dass alle Priester mit dem Computus vertraut sein müssten, wurde daher sowohl durch Karl den Großen als auch durch die Bischöfe des Frankenreiches unermüdlich wiederholt.[2] Doch auch über die Osterfestberechnung hinaus war Zeitrechnung keinesfalls eine weltliche Angelegenheit, denn Gott war als Herr der Schöpfung auch Herr über die Abfolge der Zeiten. Wer sich also mit Zeitrechnung und Kalenderwesen befasste, versuchte so zugleich das Werk Gottes besser zu verstehen.[3]

Die Schrift De computo entstand 820 im Rahmen von Rabanus Tätigkeit als magister scholae in Fulda.[4] Anlass der Entstehung waren die von einem ansonsten unbekannten Mönch namens Marcharius an Rabanus gestellten Fragen zu Problemen der Zeitrechnung.

Quellen und Inhalt[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Für die Abfassung seines Werkes bediente sich Rabanus in erster Linie der Werke des Angelsachsen Beda Venerabilis (De temporibus, De natura rerum, De temporum ratione). Daneben zog er Schriften Isidors von Sevilla (De natura rerum, Origines sive Etymologiae), sowie die Argumenta und die Ostertafeln des Dionysius Exiguus heran.[5]

Die Intention des Fuldaer Schulmeisters war es, den komputistischen Lehrstoff in einem Handbuch für den Unterricht zusammenzufassen, dementsprechend enthält die Schrift wenig Selbstständiges.[6] Auf den Nachweis der zitierten oder paraphrasierten Autoritäten wird dabei weitgehend verzichtet – auch dies deutet auf den Charakter des Werkes als Handbuch für den Schulgebrauch hin.[7]

De computo ist als Dialog eines Magisters mit seinem Schüler organisiert. Der Schüler stellt Fragen zu Themenbereichen der Komputistik, die der Lehrer beantwortet, wobei er zugleich den Schüler zu weitergehenden Fragen hinleitet. Der Text ist grob in fünf Abschnitte gegliedert.[8] Zunächst geht Rabanus auf das Wesen der Zahlen und (römischen) Ziffern allgemein ein (Kap. I-VIII). Im zweiten Abschnitt (Kap. VIIII-XXXVI) geht er dann zur Zeit selbst und ihrer Terminologie über. Er widmet sich den Zeiteinheiten vom atomus über Stunde, Tag, Monat und Jahr, v. a. auf Basis von Beda und Isidor, wobei er hier den Stoff in z. T. sehr eigenständiger Weise für Lernzwecke organisiert.[9] Abschnitt 3 (Kap. XXXVII-LIII) befasst sich mit Sonne, Mond, Planeten und Sternen und ihren Bewegungen im Verhältnis zueinander, ehe der 4. Abschnitt (Kap. LIIII-XCII) sich mit der Osterberechnung und somit der Komputistik im engeren Sinne beschäftigt. Der letzte Abschnitt ist schließlich der Einordnung des Themenkomplexes in den Heilsplan Gottes gewidmet. Hier finden sich unter anderem Überlegungen zur mystischen Bedeutung von Ostern (Kap. XCIII: De mistica significatione paschae).

Rezeption und Überlieferung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

De computo ist in 16 Handschriften überliefert, die zwischen dem 9. und 17. Jahrhundert entstanden. Der Schwerpunkt der Rezeption weist noch in die erste Hälfte des 9. Jahrhunderts: Sechs Handschriften stammen aus diesem Zeitraum. Ihre Entstehungsorte reichen vom Mittel- und Süddeutschen Raum (Fulda, Regensburg, Bodensee-Region, Reichenau) bis nach Norditalien. Eine erste Edition wurde durch den französischen Kirchenhistoriker Étienne Baluze (1630–1718) besorgt. Baluze stützte sich hierfür vermutlich auf die heute in der Pariser Bibliotheque nationale liegende Handschrift F aus dem dritten Viertel des 9. Jahrhunderts.[10]

Liste der Handschriften[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • A: Avranches, Bibliothèque municipale 114 (12. Jh., Normandie?), f. 98–132
  • B: London, British Museum, Additional 10801 (17. Jh., Abschrift aus einem Fuldaer Exemplar), f. 1–59v
  • C: Oxford, Bodleian Library, Canonici miscellaneous 353 (827–829, Fulda), f. 2–53v
  • D: Einsiedeln, Stiftsbibliothek 319 (996, Einsiedeln), p. 157–274
  • E: Exeter, Cathedral Chapter Library 3507 (10. Jh.), f. 1v-58
  • F: Paris, Bibliothèque nationale, Fonds latin 4860 (9. Jh., Diözese Konstanz), f. 119v-135v
  • G: Sankt Gallen, Stiftsbibliothek 878 (ca. 825, Reichenau), p. 178–240
  • H: London, British Library, Harley 3092 (9. Jh., Fulda?), f. 29–39v
  • I: Sankt Gallen, Stiftsbibliothek 902 (9. Jh., südwestdeutscher/alemannischer Raum), p. 105–152
  • L: Leiden, Bibliothek der Rijksuniversiteit, B.P.L. 191 BD (12. Jh., mittelrheinischer Raum), f. 1–26v
  • M: München, Bayerische Staatsbibliothek, Codex lat. 14221 (9. Jh., Regensburg), f. 23–60v
  • N: München, Bayerische Staatsbibliothek, Codex lat. 14523 (10. Jh., Regensburg), f. 2–48v
  • O: München, Bayerische Staatsbibliothek, Codex lat. 17145 (12. Jh., Schäftlarn/Bayern), f. 41–56v
  • P: Padua, Biblioteca Antoniana I. 27 (9./10. Jh., Norditalien), f. 1–44v
  • R: Florenz, Biblioteca Riccardiana 885 (14. Jh., England), f. 312–346
  • V: London, British Museum, Cotton Vitellius A. XII (11. Jh., Südengland), f. 10v-40v

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Edition[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Rabanus Maurus: De Computo, hg. v. Wesley M. Stevens, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979 (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis; 44), S. 163–331.

Sekundärliteratur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Arno Borst: Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004 (Kleine Kulturwissenschaftliche Bibliothek; 28).
  • Brigitte Englisch: Die Artes liberales im frühen Mittelalter. (5.–9. Jh.). Das Quadrivium und der Komputus als Indikatoren für Kontinuität und Erneuerung der exakten Wissenschaften zwischen Antike und Mittelalter (= Sudhoffs Archiv. Beihefte 33). Steiner, Stuttgart 1994, ISBN 3-515-06431-1 (Zugleich: Bochum, Univ., Diss., 1991/92).
  • Josef Fleckenstein: Bildungsreform Karls des Großen, in: Lexikon des Mittelalters, Band 2: Bettlerwesen bis Codex von Valencia, Artemis Verlag, München/Zürich 1983, Sp. 187–189.
  • Maria Rissel: Rezeption antiker und patristischer Wissenschaft bei Hrabanus Maurus. Studien zur karolingischen Geistesgeschichte, Herbert Lang/Peter Lang, Bern/Frankfurt am Main 1976 (Lateinische Sprache und Literatur des Mittelalters; 7).
  • Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979 (Corpus Christianorum, Continuatio Mediaevalis; 44), S. 165–197.

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. Josef Fleckenstein: Bildungsreform Karls des Großen, in: Lexikon des Mittelalters, Band 2: Bettlerwesen bis Codex von Valencia, Artemis Verlag, München/Zürich 1983, Sp. 187–189
  2. Arno Borst: Computus. Zeit und Zahl in der Geschichte Europas, Verlag Klaus Wagenbach, Berlin 2004, S. 38.
  3. Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979, S. 166–167.
  4. Zur Datierung vgl. Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979, S. 188–189.
  5. Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979, S. 177.
  6. Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979, S. 176: "The contents of Hraban’s Computus reflect his previous seventeen years of teaching straightforwardly from the classic sources of the Dionysian-Bedan tradition."
  7. Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979, S. 178.
  8. Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979, S. 178–188; der ältere Gliederungsvorschlag von Maria Rissel: Rezeption antiker und patristischer Wissenschaft bei Hrabanus Maurus. Studien zur karolingischen Geistesgeschichte, Herbert Lang/Peter Lang, Bern/Frankfurt am Main 1976, S. 30–40, ist Stevens zufolge auf Grund diverser Mängel zu verwerfen, während ihre Diskussion der Inhalte im Allgemeinen (Ebd., S. 41–75) durchaus brauchbar sei.
  9. Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979, S. 181.
  10. Wesley M. Stevens: Introduction, in: Rabani Mauri Martyrologium/De Computo, Brepols, Turnhout 1979, S. 190–197.