Decauville-Pferdebahn am Naphthaberg

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Decauville-Pferdebahn am Naphthaberg
Ölgefeuerte Decauville-Lokomotive in Turkestan
Ölgefeuerte Decauville-Lokomotive in Turkestan
Strecke der Decauville-Pferdebahn am Naphthaberg
Decauville-Pferdebahn am Naphtaberg, 1887[1]
Streckenlänge:32,5 km
Spurweite:500 mm (Schmalspur)
Transkaspische Eisenbahn
0 Bala-Ischem
32,5 Naphthaberg (Neftjanaja Gora)

Die Decauville-Pferdebahn am Naphthaberg war eine 32,5 km lange, von der französischen Firma Decauville gelieferte Pferdebahn mit einer Spurweite von 500 mm, die um 1885–1889 bei Bala-Ischem (12 km südöstlich von Balkanabat) in Turkestan (historische Bezeichnung für einen Teil des heutigen Turkmenistans und sechs weiterer Staaten) betrieben wurde.

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Beim Bau der Transkaspischen Eisenbahn wurde vorübergehend eine Decauville-Schmalspurbahn eingesetzt, um die Schienen und Schwellen an die Baustelle zu befördern.[2] Diese war mit fliegendem Gleis errichtet, d. h. in Frankreich vorgefertigten 5 m langen Gleisjochen mit einer Spurweite von 500 mm. Sobald die Breitspurgleise verlegt waren, wurden die Schmalspurgleise am Anfang der Schmalspurbahn abgebaut und am anderen Ende zu neuen Baustellen verlegt. Sie wurde mit zwei ölbefeuerten Decauville-Dampflokomotiven mit den Werksnummern N° 9 und N° 10 betrieben.[3][4]

Beim Bau der Eisenbahn von Michailowsk nach Kysyl-Arwat leistete den Ingenieuren und Bauarbeitern eine Decauville-Bahn mit einer Länge von 100 km gute Dienste. Sie wurde mit einer kleinen mit Erdöl beheizten Decauville-Lokomotive betrieben. Als die Breitspur-Eisenbahn bis Serdar fertiggestellt war, führte die Decauville-Bahn bereits bis nach Bamy. Die Strecke wäre wahrscheinlich für Wartungs- und Transportarbeiten dort verblieben, wenn nicht riesige Naphtha- und Ozokeritvorkommen am Naphthaberg, 26,5 km südwestlich von den Tagyr-Quellen entfernt, gefunden worden wären.

Der Ozokerit, der zur Gewinnung von Naphtha-Kraftstoff für die Breitspur-Lokomotiven verwendet wurde, musste zuvor aus Baku oder von der Halbinsel Tscheleken angeliefert werden. Als Folge dieser Entdeckung wurde die Decauville-Bahn zum Naphthaberg (Neftjanaja Gora) verlegt. Sie transportierte den gesamten Brennstoff für die auf der Breitspurstrecke eingesetzten Lokomotiven.[5][6][7]

Vermutlich wurde die Strecke ausschließlich als Pferdebahn betrieben[8], jedenfalls wurde sie spätestens 1887 als Pferdebahn bezeichnet.[1] Es wurden kirgisische Pferde eingesetzt, die pro Arbeitstag etwa 800 bis 1000 kg über eine Strecke von 40 km ziehen konnten.[9][10][11] 1889 war der Bahnbetrieb bereits eingestellt.[12]

Heute verläuft eine kürzere Breitspurstrecke von Balkanabat geradlinig nach Uzboý auf dem Naphthaberg (bis etwa 1939 turkmenisch Neftedag oder gora Neftjanaja, d. h. wörtlich Naphtaberg oder Erdölberg, bis 2003 russisch imeni 26 Bakinskich Kommissarow).

Lage[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Die Pferdeeisenbahn führte vom Bahnhof Bala-Ischem geradlinig zum Naphthaberg. Auf der Strecke wurden sowohl alle Materialien für die dortigen Bergwerke als auch Wasser und Proviant für die dort wohnhaften Arbeiter transportiert sowie auf dem Rückweg das gewonnene Naphtha vom Bergwerk bis zur Transkaspischen Eisenbahn befördert. Die 32,5 km lange Strecke verlief nahezu gerade in westsüdwestlicher Richtung.[1]

Die Station Bala-Ischem lag an der Transkaspischen Eisenbahn. Sie lag 57 Kilometer vom damaligen Endpunkt der Eisenbahn bei Michailowski saliw (Михайловский залив) und 9 Kilometer südlich des Großen Baichan-Gebirges. Der Bahnhof lag etwa 10 Kilometer südlich einer einige hundert Meter über der Steppenfläche gelegenen Quelle.

Der Naphtha-Berg ist von nur unbedeutender Höhe. Er erhebt sich nur 83 Meter über das Niveau der Steppe bei Bala-Ischem und kann also keineswegs mit dem Großen Baichan (1817 m ü. d. M.) oder dem Kleinen Baichan (875 m ü. d. M.) verglichen werden. Der eigentliche Naphtha-Berg besteht aus einem von Südwesten nach Nordosten laufenden Höhenzug von circa 2 km Länge und 1 km Breite ohne besonders steile Abhänge und in der Längsrichtung allmählich zum Niveau der Steppe absinkend. Parallel zum Berg stehen auf dessen Nord- und Südseite kleinere Hügel. Die durch sie begrenzte ovale Hochfläche hat eine Größe von 3 × 4 km.[1]

Streckenverlauf und Geologie[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Auf den ersten 5 Kilometern hinter der Station führte die Trasse über eine ebene Steppenfläche, bestehend aus ungeschichtetem, mit Sand vermischtem Lehm, in dem zahlreiche rundgeschliffene, meist weniger als haselnussgroße Steinchen eingebettet sind.

Ab dem fünften Kilometer führte die Strecke durch braune, aus Tonschichten bestehende Hügel mit dichter, horizontaler Schichtung. Diese Formationen sind wahrscheinlich Ablagerungen aus dem nahegelegenen alten Flussbett des Usboj, zu dem die Strecke kurz darauf ohne merkbaren Niveauunterschied herunterführte. Der Fluss muss sich an dieser Stelle zu einem weit ausgedehnten, sehr wenig tiefen See oder Teich erweitert haben. Der Boden ist hier von Salz gesättigt, wie die Teiche zu beiden Seiten des Bahnwalles, in welchen mehrere Zentimeter dicke, weiße bzw. helle Rinden reinen Salzes vorhanden waren. Schichten von reinem Salz wurden überall unter der Oberfläche angetroffen. Diese Salzlager hatten eine Mächtigkeit von 125–150 mm und wurden bloß von 25–75 mm tiefem, hart zusammengebackenem Sand bedeckt. In dieser Wüste wuchs kein Gras, und keine Spur von Leben machte sich bemerkbar. Die einzigen Steine, welche angetroffen werden, sind aufgebrochene Salzstücke, und an der Strecke gab es ein ganz aus gehauenen Salzblöcken errichtetes Haus, das von dem in dieser Gegend selten vorkommenden schwachen Regen nicht beschädigt wurde. Diese Salzwüste ist 12–15 Kilometer breit.[1]

Ab dem 24. Kilometer fingen Dünenbildungen und Flugsand an, sie setzten sich fort und vermehrten sich noch, je näher man an den Naphthaberg kam. Dieser Streckenabschnitt befand sich im unablässigen Kampf mit den sich bewegenden Sandbergen und erforderte beständiges Umlegen und stete Erneuerung der Trasse. In dem hinter der ringmauerähnlichen Erhöhung gelegenen Tal führte die Pferdebahn zu den Bohrtürmen Nr. 1 und Nr. 2., die auf Schichten von Sand und grauem, sandigem Ton standen. Am südlichen Berghang gab es stark mit Kirr (Asphalt) gesättigte Schichten. Auf dem Bergrücken gab es Quellen, aus denen salziges Wasser, Naphta und Kohlenwasserstoffgas kamen. Die westlichste dieser Quellen lag etwa 67 Meter höher als die Bohrtürme. Sie mündete in einem runden, kochenden Sumpf mit 1 m Durchmesser und reichlichen Salzausscheidungen ringsum an den Wänden. Schwarze, dicke Naphta schwamm auf seiner Oberfläche. Kleine Stücke oder Kugeln von Erdwachs stiegen nebst der Naphta in dieser Quelle auf. Das Wachs war braun, knetbar und hatte einen aromatischen Geruch. Es sammelte sich an den Rändern der Quelle und des dazugehörenden Ablaufkanals. Die Qualität war nicht besonders gut, da es kaffee- oder schokoladenbraun war, während das bessere galizische Erdwachs gelb war. Man nahm an, dass in der Tiefe nicht unbedeutende Mengen von Erdwachs vorhanden sein müssen, da ziemlich viel ausfloss.[1]

Lokomotiven[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

In Turkestan wurden zwei ölgefeuerte Decauville-Dampflokomotiven auf dem Gleismaterial eingesetzt, das schließlich zum Bau der Pferdebahn wiederverwendet wurde. Ob diese um 1885 beim Bau und Betrieb der Strecke am Naphthaberg noch funktionstüchtig waren, ist nicht bekannt.

Hersteller Werks-Nr. Bau­jahr Bau­art Spur­weite Leer-
gewicht
Dienst-
gewicht
Name Betreiber
Decauville N° 9 Um 1880 B n2 500 mm 2,75 t 3,5 t Малютка/Maljutka (»Baby«) Regierung von Russland (Turkestan-Krieg)[3][4]
Decauville N° 10 Um 1880 B n2 500 mm 2,75 t 3,5 t Бы́стрый/Bystry (»schnell«) Regierung von Russland (Turkestan-Krieg)[4]

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. a b c d e f Plan des Naphtaberges in Hjalmar Sjögren: Ueber das transkaspische Naphtaterrain. In: Jahrbuch der k. k. geologischen Reichsanstalt. Band 37, 1. Heft, Wien 1887, S. 52 (zobodat.at [PDF]).
  2. Jules Verne: The Adventures of a Special Correspondent.
  3. a b Decauville-Katalog N° 30, Februar 1882, S. 64
  4. a b c Catalogue illustré du „Decauville“ Chemin de fer portatif a pose instantanée tout en acier: Exposition Universelle 1889. Société de Etablissements Decauville Ainé (Évry). Paris, 1890, 114 S. In: Konzernarchiv der Georg Fischer AG.
  5. Charles Thomas Marvin (1854–1890): The Russians at Merv and Herat, and their power of invading India. London, W. H. Allen & Co., London, 1883. (Text-Datei)
  6. Eugene Schuyler: Turkistan: Notes of a Journey in Russian Turkistan, Khokand, Bukhara, and Kuldja. (Text-Datei)
  7. Max Albrecht: Reisebilder aus Transkaspien, Buchara und Turkestan. BoD – Books on Demand, 2011.
  8. Krahmer: Russland in Mittel-Asien. (Text-Datei)
  9. Paul Decauville: On Portable Railways. S. 132. In: Institution of Mechanical Engineers (Great Britain): Proceedings. Mai 1884. S. 126–149 und Tafeln 4–14 (S. 195–197).
  10. M. Decauville: Portable Railways. Narrow gauge roads in Great Britain. M. Decauville's system. Railways used at the Panama Canal, in Tunis etc. In: Scientific American Supplement, Nr. 446 (vom 19. Juli 1884).
  11. Über transportable Eisenbahnen (System Decauville) Nach dem Englischen. In: Mitteilungen über Gegenstände des Artillerie- und Genie-Wesens. Herausgegeben vom K.K. Technischen & Administratiaven Militär-Comité. 1885. Abteilung Notizen, S. 5.
  12. George Nathaniel Curzon: Persia and the Persian Question. 1892. Neuauflage: Cambridge University Press, 2016, S. 72.

Koordinaten: 39° 21′ 0,2″ N, 54° 10′ 35,2″ O