Deutschamerikaner

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Hellblau die Bundesstaaten und Countys mit überwiegend deutschstämmiger Bevölkerung. Erhebung/Stand: Jahr 2000. (Quelle:United States Census Bureau)
Häufigste Herkunft lt. Volkszählung 2000
Deutsche Bevölkerungsdichte in den Vereinigten Staaten, 1872
Diese Zensus-Karte von 1850 zeigt die lutherische Bevölkerung, welche damals fast ausschließlich aus Deutschen bestand
Deutsche Zeitungen in Nordamerika, 1922

Als Deutschamerikaner (englisch German Americans) werden Bürger der Vereinigten Staaten von Amerika (USA) mit deutschem Sprachstamm (Deutsche) bezeichnet, die selbst oder deren deutschsprachige Vorfahren in die Vereinigten Staaten von Amerika eingewandert sind. Über 45 Millionen US-Bürger gaben in der 2015 durchgeführten American Community Survey „German“ als ihre Hauptabstammung an. Damit sind die Deutschamerikaner die mit Abstand größte ethnische Bevölkerungsgruppe in den Vereinigten Staaten.[1][2][3]

Geschichte[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Das Hauptziel der frühen deutschen Einwanderung war Pennsylvania. Dort wurde 1683 die erste deutsche Siedlung auf dem Boden der heutigen Vereinigten Staaten von Amerika gegründet: Germantown. Gegründet wurde der Ort von dem Gelehrten Franz Daniel Pastorius, der hier 1683 gemeinsam mit 13 Familien – Quäkern und Mennoniten – aus dem Krefelder Raum eintraf.[4]

1775 bestand ein Drittel der Bevölkerung Pennsylvanias aus deutschstämmigen Bewohnern. Sie waren überwiegend Lutheraner, Reformierte, Amische, Mennoniten und Anhänger anderer protestantischer Glaubensrichtungen. Die Deutschamerikaner in Pennsylvania entwickelten eine eigene Sprachform auf der Basis pfälzischer Dialekte, das Pennsylvania Dutch, das vereinzelt bis heute gesprochen wird. Andere bedeutende deutsche Siedlungen gab es in Nordamerika zur Kolonialzeit in New York und Virginia.

Benjamin Franklin war kurze Zeit Redakteur der Philadelphischen Zeitung und entwickelte sich in dieser Rolle zum massiven Gegner der deutschen Immigration, weil der Herausgeber der Zeitung, Johann Christoph Sauer, die Immigranten darin bestärkte, ihre kulturelle und religiöse Eigenständigkeit zu wahren und sich von Quäkern, Angehörigen der Episkopalkirche und anderen Konfessionen fernzuhalten. Der Deist Franklin sah in dieser Haltung eine gefährliche kulturelle Rückständigkeit; er bezeichnete die deutschsprachigen Einwanderer, die meist aus verarmten ländlichen Regionen Süddeutschlands und Böhmens kamen, als religiöse Eiferer und „boors“ (pejorativ: Buren, Bauern). Viele Deutsche in Pennsylvania verweigerten ihren Kindern den Besuch englischsprachiger Schulen. Seit Mitte der 1750er Jahre reagierten Verwaltung und Kirche in Pennsylvania immer stärker auf diese Tendenz zur Integrationsverweigerung. Sie forderten Zwangsehen und ein Verbot der deutschsprachigen Presse und der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit, was allerdings von Franklin als überzogen kritisiert wurde.[5] Auch Thomas Jefferson und James Madison teilten die Vorbehalte Franklins gegenüber deutschsprachigen Migranten, allerdings bedienten sie sich anderer Argumente: Deutsche und Migranten aus anderen „rückständigen“ absolutistischen Ländern sahen sie als Gefahr für die amerikanische Kultur der Freiheit und ihren Wohlstand.

1816 gab es vor allem in Süddeutschland und der Schweiz wegen einer Abkühlung des Klimas nach dem Jahr ohne Sommer eine Hungersnot, die eine Auswanderungswelle nach sich zog.

Die größte deutsche Einwanderungswelle gab es zwischen 1848 und dem Ersten Weltkrieg, als über sechs Millionen Deutsche in die Vereinigten Staaten einwanderten. Die meisten davon kamen

  • aus ökonomischen Gründen,
  • wegen Missernten und katastrophaler Überschwemmungen,
  • wegen des Bevölkerungswachstums in Deutschland, Österreich und der Schweiz,
  • wegen ihres Glaubens oder – wie die Forty-Eighters – aufgrund ihres politischen Engagements oder
  • um dem Wehrdienst zu entgehen.

Die deutschen Einwanderer von 1848/49 wurden in vielen Regionen nicht diskriminiert – anders als ihre Vorgänger in Pennsylvania und die meisten Nichteuropäer (wie die mexikanischen und chinesischen Einwanderer). In Texas zum Beispiel wurden sie aufgrund ihrer landwirtschaftlichen Techniken und ihres Fleißes akzeptiert (siehe auch Latin Settlement). So fügten sich die deutschen Immigranten immer stärker in die junge amerikanische Gesellschaft ein und gelangten in vielen Fällen zu ähnlichem wirtschaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Einfluss wie die britischen Einwanderer. Allerdings setzten sie anders als angloamerikanische Farmer auf ihren Baumwollfeldern meist nur freie Arbeitskräfte ein, was ihnen nicht nur Sympathie einbrachte.[6] So gab es immer wieder antideutsche (wie auch antiirische) Pogrome, so auf dem Gipfel einer erneuten massiven Einwanderungswelle am 6. August 1855 in Louisville (Kentucky) mit 22 Toten. Viele dieser Unruhen hatten auch religiöse Ursachen. So verstießen die Deutschen oft gegen das sonntägliche Alkoholverbot. Der Zorn der Puritaner richtete sich dabei immer stärker auf die katholischen Einwanderer aus Süddeutschland, die sich weigerten, die King-James-Bibel zu benutzen, sowie auf katholische Migranten aus Österreich, Italien und Irland und auf die Hispanics.[7]

In den 1890er Jahren wechselte das Diskriminierungsmuster: Nun wurden Deutschsprachige als Einwanderergruppe zum Beispiel gegenüber Polen aus Preußen oder Tschechen und Juden aus dem Habsburgerreich offenbar systematisch bevorzugt, was sich in Forderungen der Restriktionisten nach Sprachtests äußerte, in denen jeder ein paar Sätze in der Amtssprache seines Heimatlandes beherrschen musste.[8]

Während des Ersten Weltkrieges wurden Deutschamerikaner verdächtigt, mit den Mittelmächten zu sympathisieren. In manchen Gegenden kam es 1917/18 zum Verbot des Deutschunterrichts und zur Verbrennung deutschsprachiger Schulbücher.[9] Viele Deutschamerikaner reagierten auf diesen Druck mit einer demonstrativen Anpassung an den englischen kulturellen „Mainstream“.

Ein weiterer deutschamerikanischer Migrationsschub erfolgte nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten ab 1933. Viele Akademiker verließen das Deutsche Reich, weil sie dort nicht mehr arbeiten konnten (etwa Berufsverbote); bald suchten viele Deutsche auch deshalb Zuflucht in den USA, weil ihr Leben im Hitler-Deutschland akut bedroht war.

Während des Zweiten Weltkrieges wurden Tausende in den Vereinigten Staaten lebende Deutsche interniert. Nach Kriegsende schickten viele Deutschamerikaner aus Solidarität CARE-Pakete ins verwüstete Deutschland.

Noch heute übersiedeln viele Deutsche in die USA. An die Stelle der Armutsmigration und der Flucht vor Verfolgung ist inzwischen eine Arbeitsmigration insbesondere von Wissenschaftlern getreten, die in den Staaten günstigere Karriere-, Arbeits- und Forschungsbedingungen suchen, als sie sie im deutschen Sprachraum vorfinden. Der Trend scheint rückläufig zu sein. Auch die Unterscheidung von „Auswanderung“ und einem temporären Arbeitsaufenthalt im Ausland ist fließend geworden.

Kulturelles Erbe[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

US-Bürger mit deutschsprachigen Wurzeln (Abstammung) bilden seit Bestehen der USA die größte Bevölkerungsgruppe; sie haben entscheidend zur Herausbildung einer amerikanischen Kultur beigetragen.

Baron von Steuben, ein ehemaliger preußischer Offizier, hat den Aufbau der amerikanischen Armee im Amerikanischen Unabhängigkeitskrieg geleitet und dadurch den Sieg über die britischen Truppen möglich gemacht.

Während der nationalsozialistischen Herrschaft immigrierten zahlreiche deutsche, vor allem jüdische Wissenschaftler und Intellektuelle in die Vereinigten Staaten, darunter Albert Einstein, Theodor Adorno und Thomas Mann (siehe Liste bekannter deutscher USA-Emigranten). Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden Wernher von Braun und die meisten Ingenieure der Heeresversuchsanstalt Peenemünde im Rahmen der Operation Overcast in die Vereinigten Staaten gebracht, wo sie am amerikanischen Raketenprogramm mitarbeiteten und später US-Bürger wurden.

Auf dem Einfluss der Deutschen Küche beruhen verbreitete Gerichte wie Frankfurter, Hamburger, Bratwurst und Strudel. Auch die Renaissance der Mikrobrauereien ist von deutschen Brauern geprägt. Eine weitere deutschamerikanische Spezialität sind Brezeln, die in den USA erstmals Julius Sturgis (Lititz, Pennsylvania, 1861) auf den Markt brachte.[10]

Ohio ist bekannt für das deutschamerikanische Festival Zinzinnati, und in New York City, Philadelphia und anderen Städten findet jedes Jahr die Steubenparade, ein Umzug von Deutschamerikanern, statt. Außerdem finden im ganzen Land deutschamerikanische Festivals und Octoberfests statt. Zehntausende amerikanischer Touristen reisen jedes Jahr nach Deutschland, um das Land ihrer Vorfahren zu entdecken.

Nach der Volkszählung im Jahr 2000 verwendeten 1.382.610 Menschen Deutsch als Muttersprache; zählt man die Sprecher der deutschen Dialekte, des Pennsylvania Dutch und des Luxemburgischen dazu, belief sich die Zahl auf 1.467.184 Sprecher. Von diesen waren 11,9 % zwischen 5 und 17 Jahre alt, 64,9 % zwischen 18 und 64 und 23,2 % älter als 65 Jahre.

Deutsche Städtenamen in den Vereinigten Staaten[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Gedenkstein in Indianola (Texas), zur Erinnerung an die Besiedelung des Texas Hill Country durch deutsche Einwanderer

In den meisten US-Bundesstaaten gibt es Stadtgründungen durch Deutsche und Städte mit deutschen Namen, beispielsweise New Offenburg (Illinois) Cologne (Minnesota), Hamburg (New York), Munich (North Dakota), Stuttgart (Arkansas), Augsburg (Arkansas), Bismarck (North Dakota), New Braunfels (Texas), Minden (Nebraska), Schaumburg (Illinois), New Berlin (Illinois), Flensburg (Minnesota), Frankenmuth (Michigan), Fredericksburg (Texas), Dresden (Ohio), New Berlin (Wisconsin), Kiel (Wisconsin), New Holstein (Wisconsin), Hanover (Pennsylvania), Berlin (New Hampshire), Hanover (New Hampshire), Paderborn (Illinois), Karlsruhe (North Dakota), New Leipzig (North Dakota), New Ulm (Minnesota), Meppen (Illinois), New Trier (Minnesota), Bremen (Georgia), Weimar (Texas), Jena (Louisiana), Bingen (Washington) oder Anaheim (Kalifornien). Von österreichischen Einwanderern wurden zahlreiche Viennas gegründet, etwa Vienna (Georgia), Vienna (Virginia) oder auch Wien (Wisconsin). New Bern oder Bern (Kansas) sind Beispiele für schweizerische Wurzeln.

Einrichtungen für Deutschamerikaner[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Vereine[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Zahlreiche Gesellschaften und Vereine pflegen das kulturelle Erbe:

Bildungseinrichtungen[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Institute for German-American Relations – Das Institut ist ein Informations- und Diskussionszentrum über deutsch-amerikanische Beziehungen und stellt Schulen Unterrichtsmaterial bereit.
  • Deutsch-Amerikana-Sammlung an der Universität Cincinnati
  • American Association of Teachers of German, Inc.
  • German-American-Heritage-Museum in Washington, D.C.

Kulturelle Verarbeitung[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Siehe auch[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Literatur[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  • Bernd Brunner: Nach Amerika. Die Geschichte der deutschen Auswanderung. C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-59184-6.
  • Alexander Emmerich: Little Germany: Deutsche Auswanderer in Nordamerika. Campus, Frankfurt 2019, ISBN 978-3-593-51099-6.
  • Alexander Emmerich: Die Geschichte der Deutschen in Amerika. Von 1680 bis in die Gegenwart. Fackelträger, Göttingen 2010, ISBN 3-7716-4441-0.
  • Matthias Friske: Die neue Welt der Deutschen. Deutsch-Amerika – ein fast vergessenes Kapitel amerikanischer Geschichte. Frank & Timme, Berlin 2021, ISBN 978-3-7329-0811-0.
  • Christian Gellinek: Those Damn’ Dutch. The Beginning of German immigration in North America during the Thirty Years’ War. Campus, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-593-35452-7.
  • Dirk Hoerder, Jörg Nagler (Hrsg.): People in Transit: German Migrations in Comparative Perspective, 1820–1930. Cambridge University Press, Cambridge 2002, ISBN 978-0-5215-2192-5.
  • Russell A. Kazal: Becoming Old Stock: The Paradox of German-American Identity. Princeton University Press, Princeton 2004, ISBN 978-0-691-05015-7.
  • Don Heinrich Tolzmann: Die Deutsch-Amerikana-Sammlung an der Universität von Cincinnati (= Stuttgarter Arbeiten zur Germanistik. Nr. 423). Hans-Dieter Heinz, Stuttgart 2004, S. 447–458, ISBN 3-88099-428-5.
  • Rainer Vollmar: Wohnen in der Wildnis. Siedlungsgestaltung und Identität deutscher Auswanderer in den USA. Dietrich Reimer, Berlin 1995, ISBN 3-496-02554-9.
  • Rainer Vollmar: Anaheim – Utopia Americana. Vom Weinland zum Walt Disney-Land. Eine Stadtbiographie (= Erdkundliches Wissen. Heft 126). Franz Steiner, Stuttgart 1998, ISBN 3-515-07308-6.
  • Katja Wüstenbecker: Deutsch-Amerikaner im Ersten Weltkrieg. US-Politik und nationale Identitäten im Mittleren Westen. Franz Steiner, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-515-08975-3.

Weblinks[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

Commons: Deutschamerikaner – Sammlung von Bildern

Einzelnachweise[Bearbeiten | Quelltext bearbeiten]

  1. German-American Heritage Foundation of the USA
  2. Zeitungsartikel über Analyse der Deutschen Rundschau
  3. Herkunftsgruppen in den Vereinigten Staaten, laut US-Zensusbehörde (Memento des Originals vom 13. Februar 2020 im Webarchiv archive.today)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/factfinder.census.gov
  4. First German Settlers in America; Die Pfalz – ein Auswanderungsland
  5. Simon Schama: The American Future: A History from the Founding Fathers to Barack Obama. 2. Auflage. Vintage, London 2009, S. 241.
  6. Schama, 2009, S. 262.
  7. Schama, 2009, S. 263 f.
  8. Schama, 2009, S. 286 f.
  9. Am Beispiel Ohios: Anti-German Sentiments Ran High in 1918. (Memento vom 22. Dezember 2011 im Internet Archive) In: Times Reporter (englisch).
  10. Our History. (Memento vom 7. Oktober 2007 im Internet Archive) Julius Sturgis. Unternehmenswebsite (englisch).