Diskussion:Ethik/Archiv/2019

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Letzter Kommentar: vor 4 Jahren von DeWikiMan in Abschnitt Disziplinen
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Disziplinen

Zum Abschnitt "Disziplinen": Während die Dreiteilung Metaethik – normative Ethik – deskriptive Ethik nach meinem Eindruck sehr verbreitet ist, scheint es Einigkeit über den Begriff „allgemeine Ethik“ (hier im Artikel wohl synonym verwendet zu Ethik insgesamt, so verstehe ich den BKL-Baustein eingangs) und die Einordnung der angewandten Ethik nicht zu geben. Welche Quelle liegt der Begrifflichkeit hier im Artikel und der vorgenommenen Einteilung zugrunde? Ein paar Fundstellen zu dem Thema:

  • Dagmar Fenner "Ethik" (2008), S. 11, kommt dem Artikel hier noch am nächsten: Methaethik und normative Ethik sind Subdisziplinen der allgemeinen Ethik, daneben steht die angewandte Ethik
  • Höffe, Lexikon der Ethik, Stichworte „angewandte Ethik“ und „Ethik“ (7. Aufl): die angewandte Ethik bewegt sich im Zwischenbereich von „allgemeiner Ethik“ (Fundamentalethik) und der Erörterung konkreter Fälle oder Falltypen, die Dreiteilung Metaethik – normative Ethik – deskriptive Ethik steht daneben
  • Stöcker, Neuhäuser, Raters „Handbuch Angewandte Ethik“ (2011), S. 3: unterteilen die normative Ethik in die theoretische (oder: allgemeine) Ethik und angewandte normative Ethik, kurz: angewandte Ethik
  • Düwell, Hübenthal, Werber „Handbuch Ethik“ (2011), S. 2,7: unterscheidet „fundamentalethische“und „anwendungsethische“ Fragen und daneben die Dreiteilung Metaethik – normative Ethik – deskriptive Ethik; auf S. 427 „theoretische Ethik“ und „angewandte Ethik“.
  • Friedo Ricken, „allgemeine Ethik“, S. 18–21: unterscheidet Normative Ethik – Methaethik einerseits und Allgemeine Ethik – Angewandte Ethik andererseits

Ich kann mir vorstellen, dass es auch eine angewandte deskriptive Ethik gibt, kenne aber keine Literatur dazu, eine angewandte Metaethik gibt es wohl nicht. Der Abschnitt sollte darauf hinweisen, dass sich noch keine einheitliche Unterteilung durchgesetzt hat. Wenn es keine Quelle für die Unterteilung hier gibt, sollte man den Abschnitt anpassen. Er könnte entweder Stöcker, Neuhäuser, Raters folgen und die angewandte Ethik neben einer „allgemeinen Ethik“ (oder „Fundamentalethik“) unter der normativen Ethik einsortieren. Oder er könnte die beiden Unterscheidungen "Metaethik – normative Ethik – deskriptive Ethik" und „allgemeine Ethik/Fundamentalethik/theoretische Ethik – angewandte Ethik“ nebeneinander aufführen. --man (Diskussion) 00:28, 14. Mai 2019 (CEST)

Hallo Man, bitte vorsichtig damit umgehen. Die Unterscheidung allgemein / angewandt betrifft normalerweise den Gegenstandsbereich, über den gesprochen wird. Die allgemeine Ethik hat dabei keinen besonderen Anwendungsbereich, daher ist sie allgemein. Metaethik umfasst Handlungstheorie, die Untersuchung (normativer oder deskriptiver) ethischer Systeme und die Frage nach deren Begründung (auch "Moralbegründung"). In solchen Punkten kann man versuchen, einer klaren Systematischen Darstellung zu folgen, aber die haben zu einander alle einen gewissen Abgrenzungsbedarf. M.E. kann man sowohl allgemeine als auch angewandte Ethik deskriptiv und normativ betreiben, und angewandt-deskriptive wird - etwa von Wirtschaftsethnologen - auch gemacht. Insofern würde ich hier nicht beliebig umbauen, sondern mich in der Orga an großen Lexika, oder wenigstens der en-wiki, aber nicht an einzelnen Lehrbüchern orientieren.
das historische Wörterbuch der Philosophie z.B. unterscheidet Sozialethik von Individualethik, stellt aber letzteren Begriff historisch dar, als eine Ethik der Persönlichkeit im ggs. zu gesellschaftlichen Regeln. Der kirchliche Standpunkt ist dann jedoch - da die Beziehung zu Gott immer eine Persönliche ist - dass allgemeine, Individual- und Sozialethik wieder zusammenfallen. Die angewandte Ethik hingegen ist tatsächlich eine Ethik mit einem spezifischen, für diese kategorisch geltenden Auftrag. In Extremfällen wird sogar Politik als angewandte Ethik mit dem Ziel der Verwirklichung des Rechts in der Sozialordnung verstanden. Abstrahierend kann man sagen, dass die angewandte Ethik vor allem die Aufgabe hat, Regeln aufzustellen, nach denen bestimmte Normen und Regeln verwirklicht werden können. Nur hat es in den letzten 50 Jahren eine Bewegung gegeben, das sich die angewandte Ethik auch zu einer Bereichsethik in dem Sinne entwickelt, dass jeder Bereich (z.B. Wissenschaft, Medizin, Pädagogik, Ökonomie) die normativen Vorgaben für sich selbst hinterfragt und auch z.T. unterschiedliche Annahmen über die Grundlagen und die Steuerbarkeit von Verhalten trifft.-- Leif Czerny 12:20, 14. Mai 2019 (CEST)
Regenbogen/Meyer Grenzen die Ethik als Fähigkeit der moralischen Beurteilung (Moralität) von der Sittlichkeit (Befolgung gegebener Regeln) a. Dann kommt die Frage nach der Moralbegründung hinzu. Schließlich unterscheiden sie "formal/material" im Sinne von formal = Normorientierung, Prüfung allgemeiner Prinzipien und material = inhaltlich bestimmte Umsetzung der allgemeinen Normen; dann "allgemeinverpflichtend" und "auf einen bestimmten sozialen Bereich beschränkt" (was der Einteilung allgemeine/angewandte entspricht); dann Gebots- und Klughietsethik, dann plficht- und gefühlsethik; dann Gesinnungs- und Verantwortungsethik, dann wieder normative vs epitische Etihk. Diese Unterscheidungen bringen sie aber nicht in "ein" System.-- Leif Czerny 12:20, 14. Mai 2019 (CEST)
Hallo Leif, eben. Für den richtigen Umgang mit den Begriffen und ihre Abgrenzung fehlt im Artikel IMHO zuallererst einmal, wem er bei seiner Systematik eigentlich folgt (WP:BEL, en-wiki ist in dem Zusammenhang wohl nicht gut geeignet; übrigens wird aus meiner kleinen Liste oben auf der Umseite nur Fenner als Lehrbuch geführt). Außerdem wäre es schön, hier und drüben, bei Angewandte Ethik und auch bei Metaethik (ist "Fundamentalethik" wirklich ihr Synonym?), die Begriffe in einer gut belegten, konsistenten Bedeutung verwendet zu sehen (wie es wohl auch das Anliegen von Connaisseur of Politics war, leider ohne die drüben vorhandenen Quellen zu beachten). Völlig neue Begriffe und Unterscheidungen einzubringen würde ich eigentlich gerne vermeiden.
Ich glaube, mein Verständnis von allgemein/angewandt entspricht dem, was du schreibst, deckt sich auch mit dem, das in der Literatur überwiegt. (Daher würde ich oben im Baustein streichen "Dieser Artikel behandelt die allgemeine Ethik als philosophische Disziplin", und kurz auf den Begriff unter Disziplinen eingehen.)
Dass auch angewandte deskriptive Ethik betrieben wird, dazu die oben genannten Fundstellen wie auch deine Ausführungen sprechen m.E. jedenfalls dafür, im Artikel die Begriffe bzw. Disziplinen tatsächlich nicht in eine Hierarchie zu bringen. Wichtig ist m.E. klarzustellen, dass angewandte Ethik (a.E.) oft normative Ethik ist, wie auch die allgemeine Ethik (synonym Fundamentalethik?), auf deren ethischen Theorien und Grundbegriffen die a.E. ebenso aufbaut wie auf der Kenntnis ihrer Anwendungsbereiche.
Stammt deine abstrahierende Beschreibung der a.E. auch aus dem Historischen Wörterbuch der Philosophie? Ich verstehe das heute – vielleicht als Ergebnis der letzten 50 Jahre? – in der Lit. vorherrschende Verständnis von a.E. etwas weiter, dass es ihr nicht nur um das Auffinden eines Regelwerks zur Anwendung höherer Regeln geht, sondern vielleicht eher um einen sich induktiv und deduktiv fortwährend enwickelnden Führer für ein Praxisfeld; um ein Handbuch, das verschiedene allgemeine ethische Theorien und Prinzipien für einen Bereich menschlicher Praxis zugänglich macht, sie konkretisiert, ihre Regeln auffächert oder zusammenführt, mittlere (bereichsspezifische) Prinzipien bereitstellt, Begrifflichkeiten anwendungsbezogen interpretiert, Begründungszusammenhänge enthält, Subsumptionsmöglichkeiten, Herangehensweisen, Falltypologien und -beispiele, in denen sich auch verschiedene ethische Theorien widerspiegeln können. Ihr Ziel als Disziplin wäre in erster Linie die Hilfestellung, die Handreichung in der konkreten individuellen oder kollektiven Entscheidungssituation. Sie in einer Problemsituation heranzuziehen und unter ihrer Zuhilfenahme und unter Berücksichtigung der konkreten Gegebenheiten zu einem Urteil zu kommen, bleibt immer noch "Aufgabe der praktischen Urteilskraft und des geschulten Gewissens" (Ethik#Ziele und Fragestellungen) des Einzelnen oder etwa der Politik (weniger gebräuchliche Auffassungen, wie Politik als a.E., würde ich hier in einem zusammenfassenden Artikel eher nicht einfließen lassen wollen). Konkrete Handlungsempfehlungen zu geben ("du x, der du in Situation y bist, tue dies, lasse das") scheint mir jedenfalls nicht vorrangiges Anliegen der a.E. zu sein, wie es vor kurzem noch im Artikel a.E. zu lesen war.
So umfassend will ich eigentlich gar nicht ändern und im Abschnitt ausschweifend werden, mir geht es vor allem die Klärung der Begriffe/Disziplinen auf Basis gut geeigneter Quellen, z.B. den beiden Handbüchern „Angewandte Ethik“ und „Ethik“ aus der Liste oben.
--man (Diskussion) 21:20, 14. Mai 2019 (CEST)
Die Abstraktion lese ich mal vorsichtig aus dem HWPh heraus. Der Blick in das handlichere Wörterbuch von Meyer&Regenbogen zeigt aber m.E. sehr deutlich, dass es so keine einschlägige Systematik, sondern eher Abgrenzungsbegriffe gibt, die die Disziplin organisieren. Wollte man das "auf die Füsse" stellen, müsste man schauen, wie die Begriffe von Ethikräten, in Institutsnamen und Lehrstuhlbezeichnungen, im Zuschnitt von Studien- und Weiterbildungslehrgängen etc. belegt werden. Die Alternative wäre es, eine oder zwei bekannte Einteilungen als Beispiele für mögliche Einteilungen anzuführen, aber darauf hinzuweisen, dass diese nicht verbindlich sind. Generell kann ich aber schon verstehen, dass sich dieser Artikel von der "ganzen" Ethik, die eben auch in anderen Artikeln, wie Angewandte Ethik, Metaethik und Handlungstheorie etc. behandelt wird, abgrenzen will. Das ist dann aber auch klar eine Frage der wikipedia-internen Organisation und Abgrenzung, und nicht so sehr, ob man der einen oder der anderen Darstellung eines Lehrbuchs folgt. Ich würde dir aber auch Rech geben, dass sich verschiedene Angewandte Ethiken vom Diskurs einer "Allgemeinen Ethik" emanzipiert haben und aufgaben von dieser (normbegründung, metaethische Modelle etc.) oft innerhalb ihres eigenen Diskures und an ihren eigenen Erfahrungen entlang entwickeln. Das ist aber m.E. klar eine Ausweitung des Gegenstands des Begriffs über seine ursprüngliche Definition hinaus, und muss als Entwicklung dargestellt werden. Sonst versteht man ja nicht, warum ein 50 oder 70 Jahre alter Text diese Begriffe anders einsetzt. -- Leif Czerny 09:32, 15. Mai 2019 (CEST)
Danke für deine Hinweise. Nächste Woche werfe ich noch einen Blick in das HWPh und versuche dann, mich an eine Klärung heranzutasten. --man (Diskussion) 16:28, 17. Mai 2019 (CEST)