Diskussion:Stiffelio

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Letzter Kommentar: vor 13 Jahren von Gudrun Meyer in Abschnitt Stiffelio - Theologische Bedeutung
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Wortwörtliche Übertragung des Beitrags von 85.3.238.8, siehe [1]

Unverstandene theologische Bedeutung ?[Quelltext bearbeiten]

Das auffallend kurze Finale der Oper "Stiffelio" nimmt eine Sonderstellung in Verdis Gesamtwerk ein. Im Rahmen eines (protestantischen!) Gottesdienstes verkündigt der Prediger aufgrund eines neutestamentlichen Textes allgemeine Versöhnung und Vergebung:

"Perdonata! Iddio lo pronunziò".

Gott hat gesprochen und der schuldigen Lina vergeben. Die Gottesdienstliche Gemeinde nimmt den Gnadenspruch im Gemeindegesang auf, und Lina dankt dem barmherzigen Gott: "Gran Dio". Das Ausserordentliche an diesem Opernfinale ist seine theologische Dimension, die bisher kaum beachtet worden ist. Diese entspricht weitgehend derjenigen in der Schlussszene von Goethes "Faust I": im Kerker verkündigt eine "Stimme aus dem Himmel" über dem schuldigen Gretchen die Gnadenbotschaft "ist gerettet" und widerlegt damit das unmittelbar vorausgegangene Urteil des Mephistopheles "ist gerichtet" ! Das ist "gratia praeveniens" (zuvorkommende Gnade), wie sie kaum je auf einer Theaterbühne verkündigt wird, und schon gar nicht als versöhnender Schluss einer Oper. In der kritischen Werkausgabe von 2003 weist die Herausgeberin Kathleen Kuzmich Hanell nach, dass Piave und Verdi bei der gemeinsamen Schlussredaktion des Librettos im August 1850 die theologisch gewichtigen Schlussworte "Perdonata! Iddio lo pronunziò" und den Ausruf Linas, "Gran Dio!" eigenhändig hinzugefügt haben. Verdi und Piave haben also, vermutlich unbewusst, die reformatorische Grundlehre von der "Rechtfertigung allein aus Gnade" in das Libretto gebracht.

Die Lehre von der vorauseilenden Gnade ist im 4. Jahrhundert durchen Kirchenvater Augustin geprägt worden. Im Reformationszeitalter wurde sie neu belebt und trieb später neue Blüten im Pietismus. DIe im Opernlibretto auftretende Glaubensgemeinschaft der "Ahasverianer" erinnert an pietistische Sondergemeinschaften des 18. Jahrhunderts und Stankar, der adlige Gastgeber der dissidenten Gemeinde, trägt recht deutliche Züge eines führenden Pietisten, des Grafen Nikolaus von Zinzendorf, Begründer und Leiter der Herrnhuter Brüdergemeinde.

Der Autor der seltsamen Pfarrergeschichte, Emile Souvestre (1806-1854), wird von der Verdi-Forschung unterschätzt. Er war ein aufgeschlossener Bretone, der zwischen der heimatlichen Bretagne und Paris ein bewegtes Leben führte als entschiedener Republikaner und Sozialreformer. Er war ein guter Kenner des Protestantismus und hatte Kontakt mit dem führenden französischsprachigen protestantischen Theologen Alexandre Vinet in der Schweiz. Dieser wurde ihm zum Freund und Seelsorger und öffnete ihm den Sinn für Augustins Gnadenlehre. Der Komponist lebte damals "in Sünde", nämlich im Konkubinat mit Giuseppina Strepponi, und fühlte sich offenkundig persönlich angesprochen durch das im Libretto vorgesehene Finale mit der Gnadenbotschaft an die Gemeinde durch die göttliche Stimme "Iddio lo pronunziò!"

Das Theaterstück get auf einen Roman von Souvestre zurück, der auf deutschem Territorium spielt. Im Libretto finden sich ganz andere Schauplätze, und zwar merkwürdigerweise in Österreich, wo es kaum je pietistische Gemeinschaften gab. Möglicherweise geschah diese verwirrliche Änderung aus Rücksicht auf die Zensur. Weitere Änderungen gegenüber dem originalen Roman zeugen von peinlicher Unkenntnis konfessioneller Unterschiede. Die Hauptperson wird fast nie, wie im Titel des Romans, als "pasteur" bezeichnet, sondern als "prètre, sacerdote, ministro" u.a. Es dominiert also ein für einen pietistischen Prediger unangemessenes Amtsverständnis, denn ein solcher hat keinerlei priesterliche Funktion. An einer Schlüsselstelle im 3. Akt wirkt sich dieser Irrtum aus: in gängigen Opernführern wird behauptet, Lina bitte ihren Gatten, er möge ihr die Beichte abnehmen:

"Confessate mi!" In der französischen Vorlage heisst dies aber: "Je viens me confesser à vous." Also: "Ich will dir etwas gestehen", nämlich ihre ungebrochene Liebe zum Gatten.

Mit dem Beichtsakrament hat dies gar nichts zu tun. Das Liebesbekenntnis der Schuldigen mündet dann folgerichtig in den "direkten" göttlichen Gnadenerweis ohne Vermittlung eines Priesters, und auf der Bühne gibt es keine Sieger und Besiegte, sonder nur noch BegnaFdigte.

Ganz am Rande des Geschehens auf der Bühne spielt im "Stiffelio" ein Buch eine seltsame Rolle als geheimer Briefkasten: "Der Messias" von Klopstock. Dieser seinerzeit sehr bekannte Dichter vertrat in seiner unorthodoxen Theologie die Sonderlehre einer "Apokatastasis Panton" ("Wiederbringung Aller"), also eine "Allversöhnung" am Ende der Zeiten. Diese protestantische Sonderlehre hatte Souvestre zweifellos durch Alexandre Vinet kennengelernt und sie feinsinnig in einem Requisit auf die Bühne gebracht.

Die von einer erbosten Zensurbehörde am Tag vor der Uraufführung in Triest verlangten Änderungen führten zu einer gründlichen Verstümmelung des Finales. Die Restauration der Urform dieser aussergewöhnlichen Oper in der neuen Gesamtausgabe der Verdi-Opern hat leider bei den Opernhäuser in aller Welt bisher noch wenig Interesse gefunden. Dabei ist das Finale dieser Verdi-Oper, allein dank der Intervention von Verdi und Piave, nicht mehr und nicht weniger als ein künstlerischer Ausdruck der reformatorischen Grundlehre von der "Rechtfertigung allein aus Gnade". (Ende der wortwörtlichen Übertragung)

Lieber unbekannter Bearbeiter. Dein/Ihr theologischer Beitrag ist hochinteressant, sprengt aber den Rahmen eines Opernartikels. Trotzdem ganz herzlichen Dank für die Denkanstöße. Grüße von --Gudrun Meyer (Disk.) 00:34, 20. Aug. 2010 (CEST)Beantworten
PS. Dies wäre auch ein interessanter Aspekt bei Émile Souvestre, müsste dann aber in gekürzter Form in den Personenartikel eingebracht werden. --Gudrun Meyer (Disk.) 00:50, 20. Aug. 2010 (CEST)Beantworten

Stiffelio - Theologische Bedeutung[Quelltext bearbeiten]

Liebe Frau Meyer,

Wir verstehen, dass unser Beitrag rein formal nicht in den Opernartikel passt, da er zu lang ist und viel eher einer These statt einem Lexikonartikel gleicht. Inhaltlich aber gehören die Ausführungen von Max U. Balsiger zum Kern der Oper! Es ist tatsächlich so, dass die Resultate seiner Recherche noch wenig Anklang gefunden haben. Gerade deswegen wäre Wikipedia die ideale Plattform. Es handelt sich bei unserem Text um eine Kurzfassung des Artikels "Verdis Stiffelio - Eine Lektion in Theologie?" von Max U. Balsiger aus der wissenschaftlichen Zeitschrift "Studi Verdiani" aus Italien. Wir möchten darauf hinweisen, dass diese Recherche der verkannten Oper Stiffelio durchaus neue, verblüffende Aspekte eröffnen könnte, von der in der musikinteressierten Öffentlichkeit noch nie die Rede war.

Wir schlagen vor, im Abschnitt "Rezeption" die Erkenntisse dieser Forschungsarbeit in knapper Form einfliessen zu lassen und auf die Studie mit Einzelnachweisen zu verweisen.

Wir hoffen, dass unser Vorschlag ihren Vorstellungen entspricht. Gern erwarten wir Ihre Antwort.

Freundliche Grüsse,

Christoph Balsiger (nicht signierter Beitrag von 85.3.250.54 (Diskussion) 18:23, 24. Aug. 2010 (CEST)) Beantworten

Lieber Herr Balsiger.
Antwort erst heute, da ich außer Haus war. Nochmals: Hier handelt es sich um enzyklopädische Informationen über eine Oper, nicht aber um theologische Erörterungen, die an anderer Stelle behandelt werden sollten. Sie schreiben, dass es sich bei Ihrem Beitrag um eine These handele, „von der noch nie die Rede war“. Allerdings ist die WP keine Plattform zur Verbreitung von Thesen, sondern eine Enzyklopädie, die bekanntes Wissen darstellt, siehe hierzu WP:KTF und WP:Neutraler Standpunkt. Der von Ihnen eingestellte Weblink deckt die theologischen Aspekte völlig ab.
Thema und Quintessenz der Oper ist das Verzeihen, (der werfe den ersten Stein) das auch in Verdi/Piaves überarbeiteter Fassung (Aroldo) thematisiert wird.
Betr. Klopstocks Messias. Hier müsste dringend ein Ausbau des Artikels erfolgen, ebenso wie bei Émile Souvestre. Auch Souvestres Buch und Theaterstück Le pasteur, ou L'évangile et le foyer könnte unter einem eigenen Lemma behandelt werden.
Ferner schlage ich vor, dass Sie einen Beitrag über den Pastor und Autor Max Ulrich Balsiger schreiben, der nach den in der DNB aufgelisteten Werken [2] durchaus die Referenzkriterien der Wikipedia erfüllen dürfte. Ebenso dürfte sein aufgelöster Schweizerischer Verein für freies Christentum eine gewisse Relevanz besitzen [3].
Mit freundlichen Grüßen von --Gudrun Meyer (Disk.) 16:35, 25. Aug. 2010 (CEST)Beantworten